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The churches in Germany are rarely full these days, and the number of children still being christened is on the wane. Fewer and fewer people choose to become priests or pastors. And yet the notion that religion and piety are somehow disappearing from society would be wrong. There is in fact a very lively market for popular religious themes, and guidebooks and how-to manuals on spiritual matters are booming. How can we reconcile these two apparently contradictory facts? What are the consequences for our religious communities? Thomas Großbölting provides some concrete answers to these questions…mehr

Produktbeschreibung
The churches in Germany are rarely full these days, and the number of children still being christened is on the wane. Fewer and fewer people choose to become priests or pastors. And yet the notion that religion and piety are somehow disappearing from society would be wrong. There is in fact a very lively market for popular religious themes, and guidebooks and how-to manuals on spiritual matters are booming. How can we reconcile these two apparently contradictory facts? What are the consequences for our religious communities? Thomas Großbölting provides some concrete answers to these questions in an easy-to-read volume - an indispensable book for anyone interested in matters of faith.
Autorenporträt
Dr. Thomas Großbölting ist Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie Projektleiter im Exzellenzcluster »Religion und Politik«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Licht in diffuse Glaubensverhältnisse bringt diese Studie des Zeithistorikers Thomas Großbölting laut Friedrich Wilhelm Graf gleich in mehrfacher Hinsicht. Graf sieht die konfessionellen Gegensätze in der frühen Bundesrepublik, namentlich die zwischen Katholiken und Protestanten, souverän nachgezeichnet. Aber auch jüdische, muslimische, buddhistische und esoterische Glaubensrichtungen und den gelebten Glauben "einfacher Leute" nimmt der Autor in den Blick, schreibt Graf anerkennend. Dass sich der Autor am besten im katholischen Milieu auskennt, merkt er allerdings auch schnell. Besonders gelungen findet Graf die Darstellung der 60er Jahre, die ihn durch eine außergewöhnliche Differenzierung der damals herrschenden Gemengelage überzeugt, sowie der 80er Jahre, bei der dem Autor eine prägnante Erkundung der "Kirchenkrise" gelingt, wie Graf erklärt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2013

Der Konfessionslose, das unbekannte Wesen
Das Christentum als ein Anbieter unter vielen: Thomas Großbölting kennt die jüngere Geschichte des Glaubens in Deutschland - und weiß, wo nicht gehandelt wird

Ein christliches Deutschland gibt es nicht mehr, die Zahl der religionspolitischen Konflikte wächst", so beschreibt der Zeithistoriker Thomas Großbölting in seiner Studie "Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945" die religiöse Lage im Land. Ziel dieser Studie ist es, nicht nur die beiden großen christlichen Kirchen, sondern alle Formen von Religiosität in den Blick zu nehmen, wobei als wesentliches Merkmal von Religion der Bezug von Immanenz und Transzendenz zugrundegelegt wird.

Das schließt pseudoreligiöse Anhängerschaften an Popgruppen und Fußballvereine aus, nicht aber alle möglichen Formen von therapeutischer und Patchwork-Religiosität. Dabei analysiert Großbölting die praktizierte Religiosität auf der individuellen Ebene, das Verhältnis von Religion und Gesellschaft sowie den innerkirchlichen Wandel im Blick auf Kirchentage, Weltjugendtage und die jeweiligen theologischen Entwicklungen.

Der Himmel als Metapher für den christlich geprägten Transzendenzbezug begann spätestens in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verlorenzugehen. Die Zahl der Konfessionslosen wuchs, die Bindung an traditionelle Organisationsformen nahm dramatisch ab. Religiöses Anderssein oder gar Abstinenz waren kein Ausnahmefall mehr, sondern wurden als Möglichkeit persönlicher Lebensgestaltung erkennbar, so die Zeitdiagnose in Kurzform.

Der Forscher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" der Universität Münster, dessen Studium der katholischen Theologie sich in einer deutlich größeren Vertrautheit mit Vorgängen der katholischen Kirche und Theologie auswirkt, wirft den Kirchen vor, religionspolitisch noch in den fünfziger Jahren zu verharren. Politik und Kirchen unterschätzten den Handlungsbedarf notorisch und nähmen Veränderungen erst wahr, wenn sie als Probleme aufträten, so etwa bei der Abweisung einer vergewaltigten Frau in zwei katholischen Kliniken oder beim Streikrecht für kirchlich Bedienstete.

Ihre Präsenz in Rundfunkräten, die theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten, der Religionsunterricht, die Militärseelsorge und das staatliche Kirchensteuereinzugssystem, die Relikte der Weimarer Verfassung haben dazu geführt, dass die Kirchen in seinen Augen bis heute keine aktive Religionspolitik betreiben. Das System der hinkenden Trennung von Kirche und Staat, das in der Nachkriegszeit entstand, werde von den Kirchen mit Selbstgenügsamkeit hingenommen, obwohl es gegenwärtig immer stärker hinterfragt werde.

Schon 1951 hatte der von Großbölting zitierte Göttinger Staatsrechtler Rudolf Smend festgestellt, dass den Kirchen Freiheitsrechte gewährt worden seien, ohne ihre "gleichzeitige grundsätzliche Begrenzung durch die staatliche Souveränität" zu definieren. Die von Smend geforderte Diskussion um den aus der Weimarer Verfassung übernommenen Artikel 140 des Grundgesetzes blieb jedoch aus.

Um in der gesellschaftlichen Selbstverständigungsdebatte produktiv mitmischen zu können, müssten die Religionsgemeinschaften ihrerseits der Versuchung widerstehen, in eine fundamentalistische Selbstbeschränkung abzugleiten. Stattdessen sollten sie auf Offenheit und Dialogfähigkeit der Gesellschaft und anderen Religionen gegenüber setzen. In Anbetracht der Gettoisierungs-Tendenzen in beiden Kirchen ist das eine berechtigte Forderung.

Während einige der Funktionseliten nach 1945 noch auf eine Rechristianisierung setzten und die Kirchen die Lebenspraxis in Familie, Sexualität, Bildung, aber auch Politik vorgaben, haben beide große Kirchen inzwischen einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren. Auch wenn kirchliches Leben heute gesellschaftlich integriert, gut organisiert und manchmal auch politisch einflussreich sei, wirkten sie als religiöse Anbieter weniger attraktiv denn je: "Das Christentum ist zu einem Anbieter unter vielen für Sinnstiftung und Sonntagsgestaltung geworden."

Während er die protestantische Kirche für potentiell pluralitätsfähiger hält, heißt es über die katholische Kirche, sie halte "weiterhin an einem historisch überkommenen Geschlossenheitsprinzip fest, das ihren Mitgliedern Freiheitsrechte verweigert". Im Jahre 2010 bezeichneten sich schon 37,2 Prozent (das sind etwa 30 Millionen der 81,8 Millionen Einwohner Deutschlands) als konfessionsfrei, was nicht heißt, dass sie areligiös wären. Ganz im Gegenteil: Großbölting teilt die These des Systematikers Friedrich Wilhelm Graf von einer Wiederkehr der Religion.

Er sieht eine stärkere Hinwendung zu religiösen Phänomenen in den Medien, in Fernsehserien über Pfarrer oder Nonnen ist das Christentum dort auch am ehesten präsent, er beschreibt die neue Sichtbarkeit des Islam und nimmt auch die Transformation der jüdischen Gemeinden durch osteuropäische Einwanderer in den Blick. Heute sei nicht mehr das Judentum die religiöse Minderheit, an der sich die Mehrheitsgesellschaft abarbeite, sondern der Islam.

Zu den gelungensten Kapiteln der materialreichen Studie gehört die Darstellung der unmittelbaren Nachkriegszeit mit all ihren Illusionen, die alle Umbrüche der sechziger Jahre schon in sich trug, aber auch die Beschreibung der ostdeutschen Kirchen. Enttäuschend dagegen bleibt die Analyse der Konfessionslosigkeit. Großbölting will sich mit den gängigen Erklärungen nicht zufriedengeben. Die Säkularisierungsthese allein genügt ihm nicht, um die fortschreitende Entkirchlichung zu beschreiben. Zu Recht beklagt er, dass die Konfessionslosen in allen gängigen religionssoziologischen Studien immer im Modus der Devianz beschrieben werden und nur in den seltensten Fällen zum politischen Thema gemacht werden, doch leider klärt auch dieses Buch nicht wesentlich über das unergründliche Wesen des Konfessionslosen auf.

Fragwürdig ist auch, dass moderne Religiosität als individualisiert und nicht auf die Vermittlung durch Priester oder andere Instanzen angewiesen charakterisiert wird. Der direkte Zugang zum Glauben ohne die Heil vermittelnde Zwischeninstanz der Kirche oder des Priestertums gehört zu den zentralen Errungenschaften der Reformation, das ist keine Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts, auch die Wendung nach innen nicht, die leitend für den Pietismus war.

Seltsam unentschieden bleiben auch die Zukunftsvisionen für die großen Kirchen. "Die besondere Mischung von Auszehrung und Fragmentierung im Innern und der breite Schwund von gesellschaftlicher Verankerung lassen keine gute Zukunftsprognose für die volkskirchlichen Strukturen zu", schreibt Thomas Großbölting einerseits, glaubt aber dennoch, dass die Religionsgemeinschaften einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten könnten, wenn sie nicht in die Selbstabschottungsfalle geraten.

HEIKE SCHMOLL

Thomas Großbölting: "Der verlorene Himmel". Glaube in Deutschland seit 1945.

Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. 320 S., Abb., geb., 29,99 [Euro].

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