Roubaud erzählt eine Geschichte, die harmlos beginnt: die Geschichte von Laurent und seinem Freund NO, zwei Balljungen im Frankreich der Vichy- Regierung. Auf einem Golfplatz belauschen sie das Gespräch eines Gestapomannes mit dem Chef der französischen Miliz. Laurents Vater, im Widerstand aktiv, war in Gefahr, in eine Falle zu laufen, wenn er nicht rechtzeitig gewarnt würde. NO übernimmt diese Aufgabe, und Laurent verspricht ihm dafür, 55. 555 Golfbälle zu sammeln, die außerhalb des Platzes gelandet waren, keinen mehr, keinen weniger.
Aus dem scheinbar überschaubaren Versprechen wird eine Aufgabe fürs Leben, die Laurent sehr ernst nimmt: zu ernst, wie sich am Ende ? auch des Lebens von Laurent ? herausstellt.
Eines der raren Bücher, das man, wenn man im Jahr 1995 (und auf der letzten Seite) ankommt, nicht aus der Hand legen, sondern am liebsten nochmals von vorne lesen möchte.
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Aus dem scheinbar überschaubaren Versprechen wird eine Aufgabe fürs Leben, die Laurent sehr ernst nimmt: zu ernst, wie sich am Ende ? auch des Lebens von Laurent ? herausstellt.
Eines der raren Bücher, das man, wenn man im Jahr 1995 (und auf der letzten Seite) ankommt, nicht aus der Hand legen, sondern am liebsten nochmals von vorne lesen möchte.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2009Kombinationsspielerei
Ein Gentleman hält Wort, selbst wenn das bedeutet, dass man 55 555 verlorene Golfbälle einsammeln muss. Laurent, der Sohn eines sehr britischen Schotten, gibt sein Wort, damit sein Freund NO Laurents Vater warnt, der als Résistancekämpfer in Südfrankreich vom Feind überrascht zu werden droht. Und Laurent hält Wort: Er bricht das Gymnasium ab, wird Caddie und verbringt den Rest seines Lebens mit dem Sammeln und Archivieren kleiner weißer Kugeln. Währenddessen lebt NO üppig, heiratet Laurents Verehrte - und hat ein Auge darauf, dass sein Freund Bälle jagt und das Leben versäumt. Eine heiter absurde und zutiefst tragische Kombinationsspielerei, mit der Jacques Roubaud seiner OuLiPo-Mitgliedschaft ganze Ehre macht. Der kleine Roman, 2003 bei Hanser erschienen, wird von Wagenbach in Lizenz neu aufgelegt; es handelt sich um dieselbe Übersetzung, die bis auf den Titel (besser: "Der letzte verlorene Ball") überzeugt. Mit Leichtigkeit erzählt er Schicksalsschweres - Krieg ist die Zeit von Lüge und Verrat. Laurent wird zwar früh vom Vater gewarnt: ",Ein Gentleman lügt niemals.' (Doch er fügte auch mit leiser Stimme hinzu: ,Er belügt höchstens seine Feinde.')" Die Kniffligkeit der Devise zeigt sich aber erst, als es zu spät ist: Feinde wollen erkannt sein. Wenn Beiläufigkeit in der Tiefe gelungene Romane auszeichnet, dann legt Roubaud einen vor. (Jacques Roubaud: "Der verlorene letzte Ball". Roman. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 120 S., geb., 14,90 [Euro].) nibe
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Gentleman hält Wort, selbst wenn das bedeutet, dass man 55 555 verlorene Golfbälle einsammeln muss. Laurent, der Sohn eines sehr britischen Schotten, gibt sein Wort, damit sein Freund NO Laurents Vater warnt, der als Résistancekämpfer in Südfrankreich vom Feind überrascht zu werden droht. Und Laurent hält Wort: Er bricht das Gymnasium ab, wird Caddie und verbringt den Rest seines Lebens mit dem Sammeln und Archivieren kleiner weißer Kugeln. Währenddessen lebt NO üppig, heiratet Laurents Verehrte - und hat ein Auge darauf, dass sein Freund Bälle jagt und das Leben versäumt. Eine heiter absurde und zutiefst tragische Kombinationsspielerei, mit der Jacques Roubaud seiner OuLiPo-Mitgliedschaft ganze Ehre macht. Der kleine Roman, 2003 bei Hanser erschienen, wird von Wagenbach in Lizenz neu aufgelegt; es handelt sich um dieselbe Übersetzung, die bis auf den Titel (besser: "Der letzte verlorene Ball") überzeugt. Mit Leichtigkeit erzählt er Schicksalsschweres - Krieg ist die Zeit von Lüge und Verrat. Laurent wird zwar früh vom Vater gewarnt: ",Ein Gentleman lügt niemals.' (Doch er fügte auch mit leiser Stimme hinzu: ,Er belügt höchstens seine Feinde.')" Die Kniffligkeit der Devise zeigt sich aber erst, als es zu spät ist: Feinde wollen erkannt sein. Wenn Beiläufigkeit in der Tiefe gelungene Romane auszeichnet, dann legt Roubaud einen vor. (Jacques Roubaud: "Der verlorene letzte Ball". Roman. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 120 S., geb., 14,90 [Euro].) nibe
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Drei deutsche Neuerscheinungen aus der Geschichte und Gegenwart der in Frankreich entstandenen Experimentalliteraturtradition des "Oulipo" bespricht auf einen Streich Georg Renöckl. Jacques Roubaud, 1932 geboren, gehört als Mathematiker und Literat zu den "Doppelbegabungen" des Oulipo-Kreises. Ganz sicher ist es, so der Rezensent, kein Zufall, dass im Zentrum des schmalen Romans (wiederveröffentlicht nach einer 2003 erschienenen ersten deutschen Ausgabe) eine Zahl steht. Warum es allerdings justament diese - 55 555 - sein muss, konnte der Rezensent nicht ergründen. Die Rolle im Buch ist freilich klar: Ein Freund hat dem Vater des anderen das Leben gerettet, indem er ihn vor den Nazis bewahrte. Zum Dank hat der Sohn dem Freund versprochen, 55.555 beim Spiel verlorene Golfbälle für ihn zu sammeln. "Berührend" findet Renöckl Roubauds Erzählung, "elegant" auch, allerdings äußert er Verständnis für alle jene, die auf eine solche Verwischung der Grenze zwischen "Spiel und Spielerei" nicht erpicht sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
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