Wirklich gut mit einem ‚aber‘
Das Vertrauen ist der Kit in einer funktionierenden Gesellschaft. Je Höher das Vertrauen in Institutionen wie die politische Administration, Wirtschaftsunternehmen, Presse usw. ist, umso erfolgreicher ist die Gesellschaft als Ganzes (z.B. Schweden, Dänemark,
Schweiz). Die Autorin beschreibt, teils in Dialogform mit Ihrer Mutter, die als ‚Sparringpartner‘ fungiert,…mehrWirklich gut mit einem ‚aber‘
Das Vertrauen ist der Kit in einer funktionierenden Gesellschaft. Je Höher das Vertrauen in Institutionen wie die politische Administration, Wirtschaftsunternehmen, Presse usw. ist, umso erfolgreicher ist die Gesellschaft als Ganzes (z.B. Schweden, Dänemark, Schweiz). Die Autorin beschreibt, teils in Dialogform mit Ihrer Mutter, die als ‚Sparringpartner‘ fungiert, anhand zahlreicher Geschichten/Beispiele wie das Vertrauen der Gesellschaft in Politik, Konzerne und Presse sukzessive zerstört wird und die Umschichtung von unten nach oben vorangetrieben wird.
Beispiele:
• Konzerne steuern mit Geld die Gesetzgebung zu ihren Gunsten und gegen die Allgemeinheit
• Politiker bereichern sich durch Drehtüreffekte
• Lösungen werden als „alternativlos“ präsentiert
• demokratischer Widerstand wird diffamiert und bekämpft
• Exzesse der Finanzwirtschaft haben keine Konsequenzen, z.B. kämpft Abgeordnerter Gerhard Schick nach 2008/Lehman Pleite für Bankenregulierung und wird in der Regierung nirgendwo gehört! (Empfehlung Rezensent: Rainer Voss, ehemaliger Investmentbaker gibt Einblicke in die Finanzindustrie in der Doku „Master of the universe“)
• seriöse Klimaforscher werden durch PR-Kampagnen diskreditiert
• im privaten Krankenhaus steht Profit vor Patient und Arzt
Durch das so entstandene und inzwischen tiefe Misstrauen gegenüber den Eliten entsteht die Einstellung, dass es eh egal ist, wo man sein Wahlkreuz setzt. Dies führt zur Beschädigung bis hin zur Zerstörung der Demokratie und einer Wandlung hin zu einer Plutokratie (Herrschaft der Reichen). Konsequent und nachvollziehbar schließt die Autorin mit den Worten, dass es einen emanzipierten, kompetenten Staat braucht, der wieder im Dienste der Bürger steht und für gerechten Ausgleich sorgt, bei dem nicht eine kleine Minderheit immer reicher wird auf Kosten der Bevölkerung und der Umwelt.
Man sieht klar, dass die Autorin sehr viel Zeit und Mühe in die Recherche und Interviews investiert hat um ein sehr plastisches Bild eines ungerechten Bereicherungssystems, institutioneller Dysfunktionalitäten und der fortgeschrittenen Erosion der westlichen Demokratien zu zeichnen.
Jetzt das aber:
Die Autorin klagt zurecht den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen Ukraine an, das Verschwinden/Töten von regierungskritischen russischen Journalisten usw. Mit solchen Regierungen sollen wir keine (Energie)Geschäfte machen (Nord Stream). Ich meine allerdings, dann dürften wir auch keine Geschäfte mit den USA machen, die ebenfalls eine Vielzahl völkerrechtswidriger Angriffskriege geführt haben. Und mit Kritikern wie Snowden, Assange usw., die Verbrechen Ihrer Regierung an die Öffentlichkeit bringen, geht die US-Administration ebenfalls alles andere als zimperlich um. Und was ist mit Saudi Arabien, wo z.B. Homosexuelle umgebracht werden? Ist das der richtige Geschäftspartner für die angemahnte Werte-Politik? Auch tiefe Verbeugung unseres Ministers in Katar passt da nicht recht ins Bild.
Dieses einseitige Darstellen/Weglassen beschädigt das ansonsten sehr gelungene Werk.
PS. Was wohl die Mutter über das Kapitel zu Nord Stream sagen würde?