Ein epochales Meisterwerk für Leser von »Hundert Jahre Einsamkeit« und »Tausendundeine Nacht« - Shortlist des International Booker Prize
Eine verfallene Ziegelfabrik. Eine Frau vom Lande, deren Duft die Männer verrückt macht. Ihre unförmige, aber sanftmütige Tochter, die unschuldig ins Gefängnis kommt. Dazu: sprechende Elefanten, gehorsame Bienen, Racheritter und sonstige Hünen.
»Der Wal« ist ein wüstes Märchen mit einem Aufgebot an absonderlichen Protagonisten, voller bizarrem Humor und einer geschickt durch immer wieder neue Wendungen aufgebauten Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite gefangen hält. In Myeong-kwans eigenständigen Erzählstil finden sich Elemente des magischen Realismus genauso wieder wie Motive aus altkoreanischen Mythen oder Anleihen an allerlei Arten von Genreliteratur.
Eine verfallene Ziegelfabrik. Eine Frau vom Lande, deren Duft die Männer verrückt macht. Ihre unförmige, aber sanftmütige Tochter, die unschuldig ins Gefängnis kommt. Dazu: sprechende Elefanten, gehorsame Bienen, Racheritter und sonstige Hünen.
»Der Wal« ist ein wüstes Märchen mit einem Aufgebot an absonderlichen Protagonisten, voller bizarrem Humor und einer geschickt durch immer wieder neue Wendungen aufgebauten Spannung, die den Leser bis zur letzten Seite gefangen hält. In Myeong-kwans eigenständigen Erzählstil finden sich Elemente des magischen Realismus genauso wieder wie Motive aus altkoreanischen Mythen oder Anleihen an allerlei Arten von Genreliteratur.
»Eine unglaubliche Kombination aus Realität und märchenhaften Elementen. Spannend, wortgewaltig, humorvoll, fantastisch - lassen Sie sich von einem der aktuell ungewöhnlichsten Bücher gefangen nehmen!« Helen Hoff, Süddeutsche Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2023Schwimmen, nie ankommen
Cheon Myeong-kwans Roman "Der Wal"
Der 1964 geborene koreanische Autor Cheon Myeong-kwan, der 2022 auch sein Regiedebüt mit der Verfilmung von Kim Un-sus Thriller "Heißes Blut" gab, ist für seine Grenzen sprengende Erzählkunst bekannt. So vereint sein preisgekrönter Roman "Der Wal" (im Original 2004 erschienen) westliche und östliche Einflüsse wie magischen Realismus und asiatische Mythen, Martial Arts und den zotig-subversiven Erzählfluss des koreanischen Singspiels "Pansori". Mit Witz und Weltschmerz entwirft er eine mit christlicher und buddhistischer Symbolik gefärbte Passionsgeschichte Koreas seit der japanischen Kolonialzeit. Darin tummeln sich Figuren mit Handicaps: Außenseiter, Autisten, Einäugige, Schwachsinnige, Sonderlinge.
In drei Teilen zeigt "Der Wal" drei exemplarische Frauenleben im Korea des zwanzigsten Jahrhunderts. Er beginnt mit der "Rachetragödie" einer namenlosen "alten Frau", die wegen ihrer Hässlichkeit keinen Mann findet und als Suppenküchenbetreiberin in der imaginären Stadt P'yongdae ein unterprivilegiertes Leben führt, dennoch ein Vermögen ansammelt und versteckt, um sich "an der Welt zu rächen". Die zweite Heldin ist die tüchtige, aus einem Bergdorf stammende "Femme fatale" Kumbok. Sie folgt dem Südwind, um unter Ausnutzung von Männerbekanntschaften Karriere zu machen: Die Wanderschaft führt über eine raue, frauenfeindliche Hafenstadt nach P'yongdae. Ihr ist das Glück hold, als sie nach dem Tod der alten Frau deren Lokal bezieht: Ein Sturm legt den versteckten Geldvorrat frei, der aber Teil eines ominösen Rachefluchs der Alten ist.
Die dritte Heldin schließlich ist die von Kumbok in einem Stall zur Welt gebrachte stumme, körperlich übernatürlich kräftige und hochsensible Ch'unhui. Die Schicksalsfäden der drei Heldinnen, ihrer Bezugspersonen und Liebhaber überkreuzen und entwirren sich wieder, wie bei Marionetten. Schlaglichter der Geschichte Koreas als Land der Wunden und Wunder ziehen vorbei: So durchstreift Kumbok mit ihrem Baby Trümmerlandschaften des Koreakriegs und lernt Gesinnungsterrorismus und ideologischen Wahn kennen. Kumbok und Ch'unhui wiederum durchleben die Nachkriegszeit der Entwicklungsdiktatur, so etwa die "Neues-Dorf-Bewegung", die Yushin-Verfassung und Machenschaften des Geheimdienstes. Die manchmal allzu explizite Schilderung von Nötigung und Gewalt zeigt Männer als weltfremde Kraftprotze oder empathielose Befehlsempfänger.
Die vielschichtige Ballade vom Auf- und Abstieg der Geschäftsfrau Kumbok ist feministische Anklage sowie kritische Kulturgeschichte der Modernisierung Koreas. Sie be-schwört die Pionierzeit von Eisenbahn, Cafés und Kinos (Kumboks Idol ist John Wayne) als Phase teils unreflektierter Verwestlichung, Vermännlichung und Amerikanisierung.
Das Motiv des Wals symbolisiert dabei elementare Körperlichkeit und erratische Sehnsucht nach Größe, wahrer Liebe und ewigem Leben - etwa in einem Traum, als Kumbok der Schimäre eines Blauwals entgegenschwimmt, ohne ihm näherzukommen. Auch das biblische Gleichnis von Jona und dem Wal taucht auf: Die Zuschauer eines von Kumbok in avantgardistischer Architektur erbauten Kinos in Walfischform - das Projekt erinnert an Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" - sitzen im "Walbauch", der bei einer Aufführung Feuer fängt.
Am Ende erlebt Kumbok eine metaphorische Mannwerdung, um in der intrigenreichen Geschäftswelt zu reüssieren. Im Brand des Lichtspielhauses vereinigen sich zwischen Realität und Fiktion die Erzählstränge: wenn die Flammen die Leinwand erreichen und der "große Film" des Lebens und Strebens nach Selbstbestimmung der Pionierfigur Kumbok, die auch mit im Kino sitzt, zu Ende geht. Kontrapunkte dazu bilden in Cheons Roman Schamaninnen und Kumboks Tochter. Die scheinbar naive, sprachlose Ch'unhui ist mit "fünf unvergleichlichen" Sinnen und der Fähigkeit zur Interaktion mit Tieren gesegnet. Als unbeirrt lehmstampfende, erdverbundene Arbeiterin in Kumboks Ziegelfabrik verkörpert sie, bedroht durch das Aufkommen von Beton und verhärteten Herzen, archaisch-matriarchalische Ener- gien. Mit Ironie und Tiefe schildert Cheon zwischen Ruin und Ruinen den machiavellistischen Lauf der Welt. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. STEFFEN GNAM
Cheon Myeong-kwan: "Der Wal". Roman.
Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park. Weissbooks Verlag, Berlin 2022. 504 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Cheon Myeong-kwans Roman "Der Wal"
Der 1964 geborene koreanische Autor Cheon Myeong-kwan, der 2022 auch sein Regiedebüt mit der Verfilmung von Kim Un-sus Thriller "Heißes Blut" gab, ist für seine Grenzen sprengende Erzählkunst bekannt. So vereint sein preisgekrönter Roman "Der Wal" (im Original 2004 erschienen) westliche und östliche Einflüsse wie magischen Realismus und asiatische Mythen, Martial Arts und den zotig-subversiven Erzählfluss des koreanischen Singspiels "Pansori". Mit Witz und Weltschmerz entwirft er eine mit christlicher und buddhistischer Symbolik gefärbte Passionsgeschichte Koreas seit der japanischen Kolonialzeit. Darin tummeln sich Figuren mit Handicaps: Außenseiter, Autisten, Einäugige, Schwachsinnige, Sonderlinge.
In drei Teilen zeigt "Der Wal" drei exemplarische Frauenleben im Korea des zwanzigsten Jahrhunderts. Er beginnt mit der "Rachetragödie" einer namenlosen "alten Frau", die wegen ihrer Hässlichkeit keinen Mann findet und als Suppenküchenbetreiberin in der imaginären Stadt P'yongdae ein unterprivilegiertes Leben führt, dennoch ein Vermögen ansammelt und versteckt, um sich "an der Welt zu rächen". Die zweite Heldin ist die tüchtige, aus einem Bergdorf stammende "Femme fatale" Kumbok. Sie folgt dem Südwind, um unter Ausnutzung von Männerbekanntschaften Karriere zu machen: Die Wanderschaft führt über eine raue, frauenfeindliche Hafenstadt nach P'yongdae. Ihr ist das Glück hold, als sie nach dem Tod der alten Frau deren Lokal bezieht: Ein Sturm legt den versteckten Geldvorrat frei, der aber Teil eines ominösen Rachefluchs der Alten ist.
Die dritte Heldin schließlich ist die von Kumbok in einem Stall zur Welt gebrachte stumme, körperlich übernatürlich kräftige und hochsensible Ch'unhui. Die Schicksalsfäden der drei Heldinnen, ihrer Bezugspersonen und Liebhaber überkreuzen und entwirren sich wieder, wie bei Marionetten. Schlaglichter der Geschichte Koreas als Land der Wunden und Wunder ziehen vorbei: So durchstreift Kumbok mit ihrem Baby Trümmerlandschaften des Koreakriegs und lernt Gesinnungsterrorismus und ideologischen Wahn kennen. Kumbok und Ch'unhui wiederum durchleben die Nachkriegszeit der Entwicklungsdiktatur, so etwa die "Neues-Dorf-Bewegung", die Yushin-Verfassung und Machenschaften des Geheimdienstes. Die manchmal allzu explizite Schilderung von Nötigung und Gewalt zeigt Männer als weltfremde Kraftprotze oder empathielose Befehlsempfänger.
Die vielschichtige Ballade vom Auf- und Abstieg der Geschäftsfrau Kumbok ist feministische Anklage sowie kritische Kulturgeschichte der Modernisierung Koreas. Sie be-schwört die Pionierzeit von Eisenbahn, Cafés und Kinos (Kumboks Idol ist John Wayne) als Phase teils unreflektierter Verwestlichung, Vermännlichung und Amerikanisierung.
Das Motiv des Wals symbolisiert dabei elementare Körperlichkeit und erratische Sehnsucht nach Größe, wahrer Liebe und ewigem Leben - etwa in einem Traum, als Kumbok der Schimäre eines Blauwals entgegenschwimmt, ohne ihm näherzukommen. Auch das biblische Gleichnis von Jona und dem Wal taucht auf: Die Zuschauer eines von Kumbok in avantgardistischer Architektur erbauten Kinos in Walfischform - das Projekt erinnert an Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo" - sitzen im "Walbauch", der bei einer Aufführung Feuer fängt.
Am Ende erlebt Kumbok eine metaphorische Mannwerdung, um in der intrigenreichen Geschäftswelt zu reüssieren. Im Brand des Lichtspielhauses vereinigen sich zwischen Realität und Fiktion die Erzählstränge: wenn die Flammen die Leinwand erreichen und der "große Film" des Lebens und Strebens nach Selbstbestimmung der Pionierfigur Kumbok, die auch mit im Kino sitzt, zu Ende geht. Kontrapunkte dazu bilden in Cheons Roman Schamaninnen und Kumboks Tochter. Die scheinbar naive, sprachlose Ch'unhui ist mit "fünf unvergleichlichen" Sinnen und der Fähigkeit zur Interaktion mit Tieren gesegnet. Als unbeirrt lehmstampfende, erdverbundene Arbeiterin in Kumboks Ziegelfabrik verkörpert sie, bedroht durch das Aufkommen von Beton und verhärteten Herzen, archaisch-matriarchalische Ener- gien. Mit Ironie und Tiefe schildert Cheon zwischen Ruin und Ruinen den machiavellistischen Lauf der Welt. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. STEFFEN GNAM
Cheon Myeong-kwan: "Der Wal". Roman.
Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park. Weissbooks Verlag, Berlin 2022. 504 S., geb., 28,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Steffen Gnam erkennt in Cheon Myeong-kwan einen Erzähler von Gottes Gnaden. Die Geschichte Koreas erzählt ihm der Autor in diesem im Original 2004 erschienenen Roman mit Ironie und Passion, unter Verwendung westlicher und östlicher Erzähleinflüsse vom Magischen Realismus bis zu Martial Arts. Die Helden in dieser Geschichte sind Außenseiter, namentlich drei Frauen, eine Suppenköchin, eine femme fatale und eine Hochsensible, erläutert Gnam. Wie der Autor ihren Lebensweg verfolgt, balladesk, voller Symbolik und bisweilen als kritische Kulturgeschichte Koreas, scheint Gnam sehr unterhaltsam.
© Perlentaucher Medien GmbH
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