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Es gibt Menschen, die auf solche Weise bekannt sind, dass man niemals damit rechnet, ihnen zu begegnen, sie scheinen in einer anderen Welt zu existieren.
Karl Ove Knausgård ist dem Künstler Anselm Kiefer an vielen Orten auf der Welt begegnet, unter anderem in Donaueschingen, seinem Geburtsort, und in dem gigantischen Atelier Kiefers in Paris, in dem er lebt und arbeitet. Er hat mit Kiefer über seine Kunst gesprochen, getrieben vom Wunsch und dem Bemühen, zu verstehen, was diese Kunst bei uns bewirkt, wenn wir sie betrachten, und woraus sie ihre Inspiration bezieht. Wie können Bilder ohne…mehr

Produktbeschreibung
Es gibt Menschen, die auf solche Weise bekannt sind, dass man niemals damit rechnet, ihnen zu begegnen, sie scheinen in einer anderen Welt zu existieren.

Karl Ove Knausgård ist dem Künstler Anselm Kiefer an vielen Orten auf der Welt begegnet, unter anderem in Donaueschingen, seinem Geburtsort, und in dem gigantischen Atelier Kiefers in Paris, in dem er lebt und arbeitet. Er hat mit Kiefer über seine Kunst gesprochen, getrieben vom Wunsch und dem Bemühen, zu verstehen, was diese Kunst bei uns bewirkt, wenn wir sie betrachten, und woraus sie ihre Inspiration bezieht. Wie können Bilder ohne Menschen aufgeladen sein mit dem Menschlichen? Wie kann eine leere Landschaft aufgeladen sein mit Geschichte? Wie sieht sie eigentlich aus, die Beziehung zwischen der Kunst und dem Künstler? Und wer ist Anselm Kiefer?

Ausstattung: vierfarbige Abbildungen
Autorenporträt
Karl Ove Knausgård wurde 1968 geboren und gilt als wichtigster norwegischer Autor der Gegenwart. Die Romane seines sechsbändigen, autobiographischen Projektes wurden weltweit zur Sensation. Sie sind in 35 Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt. 2015 erhielt Karl Ove Knausgård den WELT-Literaturpreis, 2017 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, 2022 nahm er in Kopenhagen den Hans-Christan-Andersen-Literaturpreis entgegen. Er lebt in London.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein in seiner Ehrfurcht vor dem Gegenstand erstaunliches Buch legt Karl Ove Knausgard dem Rezensenten Thomas Steinfeld vor: Es geht um Kunst, um Anselm Kiefer, aber auch um den genauen Blick auf Kunstwerke, die ein "Bewusstsein von Zeit, Vergänglichkeit und Tod" schaffen. Knausgard begibt sich auf mehrere Reisen zu und mit Anselm Kiefer, erfahren wir, die bisweilen ziemlich seltsam anmuten - mal bleibt Kiefer dem Kritiker merkwürdig fremd, mal schafft er eine plötzliche Vertrautheit. Am Ende steht dabei vor allem die Erkenntnis, dass Kunst und Künstler nicht identisch sind, liest der Kritiker, und die "stille Neugier" auf die Kunst und ihr Wesen, heißt es abschließend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2023

Der Erzromantiker
Als würde man Holz, Stroh und Asche lesen: Karl Ove Knausgård hat ein Buch über die faszinierend
unmenschliche Kunst von Anselm Kiefer geschrieben.
VON THOMAS STEINFELD
Als Karl Ove Knausgård über den „Herbst“ schrieb, im ersten seiner vier Bücher über die Jahreszeiten, ließ er darin einen Dachs auftreten. Dieser sei eines der wenigen Tiere, schrieb er, das der Vermenschlichung entgangen seien. Der Dachs sei weder gutmütig noch böse, weder listig noch leicht zu täuschen, sondern hause in seinem tiefen, alten Bau und ziehe seine eigenen Wege.
Es sei etwas Vages, Flüchtiges, Ungreifbares um ihn. So, wie er im Erdreich wühle, in dunklen Gerüchen, lebe er gleichsam außerhalb der Kultur. Der Dachs hat es Knausgård angetan, und er stellt sich vor, wie das Tier am Rande eines Waldes steht, die Menschen betrachtet, die es nicht sehen, und Gedanken nachhängt, die sie nie verstehen werden.
Im Frühjahr 2015, ungefähr zur selben Zeit, als der „Herbst“ im Original erschien, schrieb Knausgård einen Brief an den Künstler Anselm Kiefer. Seit langen Jahren an dessen Werk interessiert, hatte Knausgård einige Monate zuvor eine Retrospektive in der Londoner Royal Academy gesehen, eine Schau mit gigantischen, menschenfernen Bildern, bis er im letzten Saal auf Bücher stieß, die von Kiefer gestaltet waren: „Als ich sie sah, nachdem mich all die Leere umgeben hatte, war das Gefühl, jemandem nahezukommen, einer ganz bestimmten Person, ebenso überwältigend, wie es die Abwesenheit des Persönlichen in der übrigen Ausstellung gewesen war.“
Das schmale Buch, das Knausgård jetzt veröffentlicht, handelt von dem Versuch, sich Kiefer zu nähern, ihn zu verstehen: den Künstler als Menschen, aber auch seine Kunst – und nicht nur seine Kunst, sondern auch die Kunst schlechthin. Und so befindet sich, wiederum lange Zeit später, Knausgård in einer riesigen Lagerhalle außerhalb von Paris. Gewichte, Haken, Gewehre, Öfen, Mauerblöcke, Steine sind darin angehäuft, Jagdflugzeuge stehen herum, von der Decke hängen Baumwurzeln. Die Halle ist ein Bau. „Es war, als strömte unsere gesamte Kultur durch diese Halle, aber roh und wild, als deren Unterbewusstes.“
Dann fährt ein Mann in einem weißen T-Shirt auf einem Fahrrad vor. Man spricht miteinander, aber Kiefer behält für seinen Besucher etwas Vages, Flüchtiges, Ungreifbares, das nur durch ein seltsam unmotiviertes, keckerndes Lachen unterbrochen wird, das zusätzlich suggeriert, man sei in eine absolut fremde, nach unverständlichen Regeln funktionierende Welt geraten. Bei einer späteren Begegnung, wiederum in der großen Halle, ist Knausgård dabei, als Kiefer Blei auf ein halb fertiges Gemälde gießt und die Masse nachher mit Wasser abspritzt. Es zischt und dampft. Zunächst weiß Knausgård nicht, woran ihn der Geruch erinnert. Später kommt er darauf: an Blut.
Es gibt Augenblicke in diesem Buch, in denen Knausgård einer Antwort auf die Frage, was denn Kunst eigentlich sei, zumindest nahekommt: Sie liegt, so scheint es wenigstens, in der Aufhebung des kategorialen Unterschieds zwischen der Darstellung und dem Dargestellten. „Dann ist es, als sei die Welt selbst zur Sprache gekommen. Dann ist das, was wir lesen, die Welt. Wir lesen Asche, wir lesen Stroh, wir lesen Holz.“
Wahrscheinlich trifft dieser Gedanke auf Kiefers Werke und dessen Absichten zu. Gewiss ist er erzromantisch. Zugleich aber ist der Künstler selbst nicht zu greifen: Das eine Mal scheint er der engste Vertraute zu sein, jemand, der Arm in Arm mit dem Schriftsteller mitten durch die Weltprominenz des Kunstbetriebs spaziert. Ein anderes Mal erkennt Kiefer sein Gegenüber nicht mehr. Oder tut er nur so? Er ist wie der Dachs, der auf seinen Wegen dahinzieht, in Gedanken, die keiner je angemessen verstehen wird, mit einer Souveränität, die der schüchterne, oft verlegene Knausgård nur anstaunt.
So ist es schließlich auch mit einer Reise, die Kiefer und Knausgård zusammen zu Kiefers Geburtsort unternehmen, nach Donaueschingen. Ein Künstler, für dessen Werk die Geschichte, zumal die deutsche Geschichte eine solche Bedeutung hat, müsse doch in der Begegnung mit der eigenen Vergangenheit zu sich selbst kommen, wird Knausgård gedacht haben. Der Augenblick der Wahrheit tritt nicht ein. Stattdessen gibt es ein Spektakel der Überfinanzierung von Kunst zu erleben, einschließlich europäischem Hochadel, Chauffeur und Privatflugzeug.
Man besucht die Donauquelle, oder das, was man dafür halten will: den Gegenstand eines der Buchprojekte Kiefers aus dem Jahr 1978. Knausgård erwartet einen mythologischen Ort und sieht einen Brunnen aus dem 19. Jahrhundert. Auch die sich anschließende Besichtigung des Elternhauses endet enttäuschend. „Es ist völlig verändert.“ Und Knausgård lernt: Begonnen hatte er das Buch in der Hoffnung, den Urheber einer scheinbar menschenleeren, individualitätslosen Kunst zu ermitteln. Er beendet es in dem Wissen, dass sich alles, was Kiefers Kunst ausmacht, außerhalb der Person befindet: Kiefer mag hineingehen, er mag herauskommen, aber sie ist nicht er. Bau und Dachs sind nicht dasselbe.
Auch der Leser lernt etwas in diesem Buch, über Kiefer und über Knausgård. Und er lernt noch viel mehr: Auf einer langen, langsamen Reise begegnet er der Kunst, in einer wenig fachlichen, aber genauen und lebendigen Sprache, die wie eine offene Einladung ist, sich die Dinge noch einmal genau anzuschauen. Und er begegnet Werken, die, mehr als jedes andere künstlerische Œuvre der Gegenwart, ein Bewusstsein von Zeit, Vergänglichkeit und Tod in sich tragen.
Dabei ist Knausgård kein Lehrer. Was ihn vorantreibt, scheint eine stille Neugier zu sein, eine ernste Neugier, die ihre Gegenstände nur vorsichtig berührt, mit großer Aufmerksamkeit, und sie sein lässt, was sie sind. Diese Diskretion, oder, um es mit einem altmodischen Wort zu sagen: dieser Anstand ist das Erstaunlichste an diesem Buch.
Er kommt der Frage,
was Kunst ist,
zumindest einmal nahe
Der Leser lernt nicht nur
etwas über Kiefer, sondern
auch über Knausgård
Was Karl Ove Knausgård vorantreibt, scheint eine ernste Neugier zu sein, die ihre Gegenstände nur vorsichtig berührt, mit großer Aufmerksamkeit, und sie sein lässt, was sie sind.
Foto: Thomas Karlsson/Imago/TT
Karl Ove Knausgård:
Der Wald und der Fluss. Über Anselm Kiefer und seine Kunst. Aus dem
Norwegischen von
Paul Berf.
Luchterhand Verlag,
München 2023.
184 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Das schmale Buch, das Knausgård jetzt veröffentlicht, handelt von dem Versuch, sich Kiefer zu nähern, ihn zu verstehen: den Künstler als Menschen, aber auch seine Kunst - und nicht nur seine Kunst, sondern auch die Kunst schlechthin.« Thomas Steinfeld / Süddeutsche Zeitung