Christian Morgenstern (1871–1914), der Verfasser der populären Galgenlieder, litt an Tuberkulose. Häufig wechselte er den Aufenthaltsort, um Linderung von den mit der Krankheit verbundenen Leiden zu finden. Den Winter 1905/06 verbrachte der Dichter in einem Sanatorium in Birkenwerder nördlich von Berlin. Hier vollendete er seinen Gedichtband Melancholie und vollzog sich seine Wandlung zum Mystiker. Und er verliebte sich in ein junges russisches Mädchen. Von Birkenwerder aus war aber auch die preußische Hauptstadt mit der Nordbahn schnell zu erreichen. In Berlin hatte der Cassirer Verlag seinen Sitz, für den Morgenstern als Lektor und Herausgeber arbeitete und der seine Bücher veröffentlichte. Auf informative und unterhaltsame Weise geht Roland Lampe den vielfältigen Spuren nach, die die Zeit in Birkenwerder in Morgensterns Leben und Werk hinterließ.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2021Dem Husten im Walde
Heute vor hundertfünfzig Jahren wurde Christian Morgenstern geboren, und keine dreiundvierzig Jahre später war der Dichter schon wieder tot, gestorben an Tuberkulose, mit der ihn mutmaßlich die Mutter als Kind angesteckt hatte. Sein Leben stand deshalb nicht nur im Zeichen der Literatur, sondern auch der Krankheit, die ihn in immer neue Kurorte führte. An einem davon verbrachte er 1905/06 siebeneinhalb Monate: in Birkenwerder. Dort gab es ein auf Lungenerkrankungen spezialisiertes Sanatorium sowie einen Bahnanschluss ans nahe Berlin, wo Morgenstern als Lektor tätig war. Die Rahmenbedingungen waren gut, doch sein Zustand wurde nicht besser. Wohl deshalb auch vollzog Morgenstern dort den Schwenk von der erfolgreichen Sprachspiel-Dichtung der "Galgenlieder" (1905) zur wehmütigen Lyrik des Bandes "Melancholie" (1906). Dem Birkenwerder Aufenthalt hat Roland Lampe ein Buch gewidmet. Es ist schmal, aber reichhaltig in Inhalt und Bebilderung, und es stellt nicht nur den Dichter vor, sondern mehr noch den kleinen Kurort. Man möchte nach der Lektüre sofort dorthin, durch die Wälder und an der Briese entlangspazieren, die nahebei in die Havel mündet, "lebendige Wesen schreitend aufzuscheuchen", wie Morgenstern dichtete. Dass Roland Lampe den toten Dichter schreibend aufgescheucht hat, ist sehr zu begrüßen.
apl
"Der Wald verwandelt sich in Traum - Christian Morgenstern in Birkenwerder" von Roland Lampe. Findling Verlag, Werneuchen 2021. 96 Seiten, 29 Abbildungen. Broschiert, 10 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heute vor hundertfünfzig Jahren wurde Christian Morgenstern geboren, und keine dreiundvierzig Jahre später war der Dichter schon wieder tot, gestorben an Tuberkulose, mit der ihn mutmaßlich die Mutter als Kind angesteckt hatte. Sein Leben stand deshalb nicht nur im Zeichen der Literatur, sondern auch der Krankheit, die ihn in immer neue Kurorte führte. An einem davon verbrachte er 1905/06 siebeneinhalb Monate: in Birkenwerder. Dort gab es ein auf Lungenerkrankungen spezialisiertes Sanatorium sowie einen Bahnanschluss ans nahe Berlin, wo Morgenstern als Lektor tätig war. Die Rahmenbedingungen waren gut, doch sein Zustand wurde nicht besser. Wohl deshalb auch vollzog Morgenstern dort den Schwenk von der erfolgreichen Sprachspiel-Dichtung der "Galgenlieder" (1905) zur wehmütigen Lyrik des Bandes "Melancholie" (1906). Dem Birkenwerder Aufenthalt hat Roland Lampe ein Buch gewidmet. Es ist schmal, aber reichhaltig in Inhalt und Bebilderung, und es stellt nicht nur den Dichter vor, sondern mehr noch den kleinen Kurort. Man möchte nach der Lektüre sofort dorthin, durch die Wälder und an der Briese entlangspazieren, die nahebei in die Havel mündet, "lebendige Wesen schreitend aufzuscheuchen", wie Morgenstern dichtete. Dass Roland Lampe den toten Dichter schreibend aufgescheucht hat, ist sehr zu begrüßen.
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"Der Wald verwandelt sich in Traum - Christian Morgenstern in Birkenwerder" von Roland Lampe. Findling Verlag, Werneuchen 2021. 96 Seiten, 29 Abbildungen. Broschiert, 10 Euro.
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