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Herfried Münkler beschreibt den Wandel vom klassischen Krieg zwischen Staaten zu neuen Kriegsformen, in denen substaatliche Akteure zu Herausforderern des früheren Kriegsmonopolisten Staat geworden sind. Mit diesem Wandel haben sich nicht nur die sicherheitspolitischen Arrangements verändert, sondern es haben auch die völkerrechtlichen Regelungen, die auf den klassischen Staatenkrieg bezogen waren, an Kraft verloren. An ihre Stelle ist eine Konfrontation von Konzeptionen des 'gerechten Krieges' mit solchen des 'heiligen Krieges' getreten.
Als Schlüsselbegriffe dienen in Münklers
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Produktbeschreibung
Herfried Münkler beschreibt den Wandel vom klassischen Krieg zwischen Staaten zu neuen Kriegsformen, in denen substaatliche Akteure zu Herausforderern des früheren Kriegsmonopolisten Staat geworden sind. Mit diesem Wandel haben sich nicht nur die sicherheitspolitischen Arrangements verändert, sondern es haben auch die völkerrechtlichen Regelungen, die auf den klassischen Staatenkrieg bezogen waren, an Kraft verloren. An ihre Stelle ist eine Konfrontation von Konzeptionen des 'gerechten Krieges' mit solchen des 'heiligen Krieges' getreten.

Als Schlüsselbegriffe dienen in Münklers Untersuchungen Symmetrie und Asymmetrie. In der symmetrischen Konfrontation, die über lange Zeit die europäische Kriegsgeschichte bestimmt hat, standen sich nicht nur gleichartige Gegner gegenüber, sondern diese konnten sich wechselseitig auch als Gleiche anerkennen. So wurde die Reziprozität zur Grundlage der Strategie wie des Kriegsrechts. Das ist in den neuen asymmetrischen Konfrontationen nicht der Fall. Hier steht die waffentechnologische Überlegenheit, insbesondere der USA, gegen neue Formen intensivierter Opferbereitschaft, die vom Partisanenkrieg bis zu den jüngsten Formen des Terrorismus reicht. In diesen veränderten Konfliktkonstellationen spielen auch die Medien eine neue Rolle: Die Chance einer neutralen Berichterstattung schwindet, und stattdessen werden zunehmend Bilder selbst zu Waffen. Sind in den neuen Kriegen die Medien an die Stelle des Rechts getreten, insofern sie über Berichte und Bilder den kriegführenden Parteien Legitimität zuweisen oder entziehen? Die Epoche der Massenheere ist vorbei - was wird an ihre Stelle treten? Die heroisierten Gesellschaften Europas haben sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts selbst zerstört, aber welche Chancen haben postheroische Gesellschaften, sich gegen die Herausforderung durch kleine heroische Gemeinschaften zu behaupten? Wie kann und soll die neue Sicherheitsarchitektur Europas aussehen?

Vorwort

I. Symmetrische Kriege

1. Der Klassische Staatenkrieg. Entstehung, Geschichte und absehbares Ende
Einige Beobachtungen - Die begriffliche Ordnung des Krieges: Staatenkrieg oder Bürgerkrieg - Die Verstaatlichung des Krieges im frühneuzeitlichen Europa - Die Differenzierung der drei Waffengattungen und ihr gefechtsverbundener Einsatz - Der Dreißigjährige Krieg - Kleine Geschichte des klassischen Krieges: Vom Westfälischen Frieden bis zum Ersten Weltkrieg - Symmetrie als wichtigstes Merkmal des klassischen Krieges - Asymmetrie und Asymmetrierung

2. Clausewitz' Beschreibung und Analyse einer Schlacht: Borodino als Beispiel
Wer ist der Sieger? - Der Blick übers Schlachtfeld - Die strategischen Dispositionen und der Kulminationspunkt des Angriffs - Der Rückzug vom Schlachtfeld und die moralischen Faktoren - Episodennarration oder Geschehensanalytik, sinnliche Erfassung oder kognitive Synthesen

3. Verdun und Somme am Anfang. Das Jahrhundert der Gewalt

4. Ist Krieg abschaffbar? Antworten aus dem Erfahrungshorizont der klassischen Kriege
Die Verteidigung des Krieges gegen die Perspektive seiner Abschaffung: Clausewitz und Moltke - Drei Entwicklungsstränge zur Abschaffung des Krieges: Wirtschaft, Technik, Technologie

II. Asymmetrische Kriege

5. Kriege im 21. Jahrhundert
Das Problem der Prognostizierbarkeit - Asymmetrie der Stärke vs. Asymmetrie aus Schwäche - Das Ende des staatlichen Kriegsmonopols - Ressourcen- und Pazifizierungskriege - Terrorismus als Verwüstungskrieg

6. Symmetrie und Asymmetrie in Militärgeschichte und Kriegstheorie
Symmetrie als europäischer Sonderweg der Kriegsgeschichte - Bilder und Narrationen von Asymmetrie - Strategien der asymmetrisch Unterlegenen - Rekrutierung, Ausrüstung und Ausbildung sowie die Verfügung über Raum und Zeit - Die Bedeutung der Massen und der technologische Vorsprung - Eine Ära asymmetrischer Kriege

7. Zeitrhythmen des Krieges. Beschleunigung und Verlangsamung unter den Bedingungen von Symmetrie und Asymmetrie

Beschleunigung und Verlangsamung als Faktoren der Kriegführung - Kriege als Beschleuniger geschichtlicher Verläufe - Technologische und strategische Beschleunigung - Partisanenkrieg als strategische Entschleunigung - die politischen Effekte unterschiedlicher Zeitressourcen
8. Bilder als Waffen: Der Krieg und die Medien
"Kriegsberichterstattung" von der napoleonischen Zeit bis in die Gegenwart - Vom Beobachter zum Protagonisten: die Rolle der Journalisten im Krieg - Die Rolle der Bilder in den neuen Kriegen

9. Wandel der Weltordnung durch asymmetrische Kriege
Asymmetrie und Asymmetrierung - Politische Rahmenbedingungen von Symmetrie und Asymmetrie - Schlacht und Massaker - Die politischen Folgen der Asymmetrie............

10. Terrorismus - eine moderne Variante des klassischen Verwüstungskrieges

11. Ältere und jüngere Formen des Terrorismus. Strategie und Organisationsstruktur
Vorbemerkung - Die Strategie des klassischen Terrorismus und die Figur des "als interessiert unterstellten Dritten" - Die neue Strategie des Terrorismus: Angriffe auf >weiche Ziele< - Die Organisationsstruktur von Al Qaida und deren Bedeutung für die neuen Formen des Terrorismus

III. Handlungsoptionen für eine deutsche und europäische Sicherheitspolitik

12. Nach der Wehrpflicht. Das Verschwinden der Massenheere und die Folgen für die Zivilgesellschaft
Die Ära der Massenheere - Die Wehrpflicht: politische Voraussetzungen und militärische Folgen - Das Ende des Bürger-Kriegers.

13. Moralphilosophie im Krieg. Einige Anmerkungen zur jüngsten Debatte über den "Gerechten Krieg"
Eine deutsch-amerikanische Debatte über den Irakkrieg - Demokratische Ordnung und asymmetrischer Krieg - Der >gerechte Krieg< als normative Asymmetrie

14. Sicherheitsdoktrinen und Selbstverteidigungsrecht
Das Völkerrecht und das Problem von Symmetrie/ Asymmetrie - Eskalierende und moderierende Faktoren unter den Bedingungen von Symmetrie und Asymmetrie - Technologische Überlegenheit vs. gesteigertem Heroismus - Die Reaktion auf die asymmetrische Herausforderung in den Sicherheitsdoktrinen der USA und EU

Rezension:
Münkler, Herfried: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2006. ISBN 3-938808-09-8;
397 S.; EUR 34,00.

Rezensiert für geschichte.transnational und H-Soz-u-Kult von:
Reinhard Mehring, Institut für Philosophie, Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail:

Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist heute einer der profiliertesten Kriegsanalytiker in Deutschland. Die politische Spannung von „Gewalt und Ordnung“[1] beschäftigte ihn schon lange. Wie antwortet die politische Ordnung auf die Geschichte der Gewalt? Eingehend analysierte Münkler jüngst die Antwort der „Imperien“.[2] In den letzten Jahren profilierte er die „neuen Kriege“[3] gegen den klassischen Staatenkrieg des Westfälischen Systems und las den „neuen Golfkrieg“[4] von 2003 aus seinen historischen Ursachen als Suche nach einem „Stabilitätsgaranten“ in der Region. Eine Aufsatzsammlung „Über den Krieg“ betrachtete einige „Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion“[5] und berief sich dabei eindrücklich auf Clausewitz.

Die neue Sammlung von 12 stark überarbeiteten und monographisch zurechtgeschnittenen Studien ist nun die reife Summe und Ernte der intensiven Diskussionen um die „neuen Kriege“. Emphatisch beruft sich Münkler einleitend erneut auf Clausewitz. Seine „Verteidigung und Präzisierung des Theorem der ‚neuen Kriege’“ (S. 14) stellt nun das Begriffspaar Symmetrie-Asymmetrie in den Mittelpunkt und erörtert zuletzt auch die normative Problematik. Alle Studien schöpfen aus einem immensen Fundus polyhistorischen Wissens.

Der erste Teil „Symmetrische Kriege“ beginnt mit einer Historisierung des klassischen Staatenkrieges. Mit der „Verstaatlichung“ des Krieges entstand der klassische Territorialstaat primär als „Militärstaat“ (S.
41). Die Kosten der Aufrüstung reduzierte die Anzahl der Akteure. Die „Garantie staatlichen Fortbestands“ (S. 73) war die „Symmetrieprämie“.
Die Kosten der Symmetrisierung wurden jedoch zu hoch. Die modernen Staaten gingen im 20. Jahrhundert verstärkt zu „Asymmetrien der Stärke“ – etwa zum Bombenkrieg – über und wurden ihrerseits zur Zielscheibe partisanischer Asymmetrisierung. Mit Clausewitz markiert Münkler einen Übergang von der narrativen Schlachtbeschreibung zur abstrakteren, generalstabsmäßigen Schlachtenanalyse (S. 98 f.). Mit dem Ersten Weltkrieg datiert er den Auszug aus dem Opfer reichen symmetrischen Krieg (S. 111). Den Wandel der Einstellung zum Krieg analysiert Münkler dabei auch von den klassischen Rechtfertigungen durch Clausewitz und Moltke ausgehend über die eschatologisch-apokalyptische Kritik hin zu ökonomischen und technologischen Gründen gegen den Krieg. So erwartete mancher von der Atombombe das Ende aller Kriege. Auch sie brachte aber nicht den erwarteten Frieden, schließt Münkler. Auch sie wurde ins „Arsenal der Gewaltmittel“ integriert (S. 134).

Damit kommt er im zweiten Teil zu den „asymmetrischen Kriegen“ der Gegenwart. Dabei wagt er sich auch in die Prognose vor. Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden als asymmetrische „Ressourcenkriege“, „Pazifizierungskriege“ oder „Verwüstungskriege“ geführt werden (S. 151).
Asymmetrische Kriege waren weltgeschichtlich „die Regel“, symmetrischen Konstellationen bis auf den Ost-West-Konflikt (S. 167) dagegen ein „Sonderweg“. Zwar zeigt die Militärgeschichte eine „beständige Tendenz zur Beschleunigung“ (S. 178). Gegen die technologische Beschleunigung steht aber die „kreative Umkehrung technologischer Überlegenheit durch ihre Nutzer“ (S. 180). Scharf analysiert Münkler hier das strategische Verhältnis zu Raum und Zeit. Clausewitz schon schlug gegen Napoleon einen Rückzug in die Tiefen des Raumes vor. Für den modernen Terrorismus werden die technischen Bilder und Medien dann zu den wichtigsten „Kriegsmitteln“ (S. 196). Durch „mediale Aufmerksamkeit“ zielt er noch über die immensen direkten ökonomischen Kosten der Anschläge hinaus auf die „Mentalität“ und „Wirtschaftspsychologie moderner bürgerlicher Gesellschaften“. Partisanen legitimierten sich noch am „Dritten“ (S.
235). Terroristen dagegen scheren sich nicht mehr um Legitimität.
Münkler bezeichnet den Terrorismus deshalb auch als eine „moderne Variante des klassischen Verwüstungskrieges“ (S. 221). Drei Strategien oder „Verteidigungslinien“ macht er dagegen aus (S. 231 f.). Von der aufwändigen „Austrocknung der Strukturen“ erwartet er dabei nicht viel.
Effektiver sei ein „Mix polizeilicher und geheimdienstlicher Maßnahmen unter Einschluss militärischer Operationen“ (S. 231). Letztlich komme es aber, so Münkler, vor allem auf die „Einstellung der Bevölkerung“ an.
Wiederholt empfiehlt er hier eine „heroische Gelassenheit“ (S. 231). Bei der Analyse der „Handlungsoptionen für eine deutsche und europäische Sicherheitspolitik“ zielt er deshalb vor allem auf diese „Verteidigungslinie“ bzw. auf ihren Verfall. Denn er kennzeichnet die modernen Staaten als „postheroische Gesellschaften“ und macht damit pessimistisch klar, dass uns die wichtigste Handlungsoption und Verteidigungslinie abhanden gekommen ist.

Die Wehrpflicht betrachtet er dabei im dritten Teil eingangs als „historisches Auslaufmodell“ (S. 252). Sie wurde überhaupt nie konsequent durchgesetzt. Der Sieg der „Massen“ war – in Frankreich und Preußen – schon ein Mythos (S. 254 ff.). Münkler konstatiert ein „Ende des Bürger-Kriegers“ (S. 260 ff.) und empfiehlt dagegen eher beiläufig eine neue „Inanspruchnahme der Bürgerschaft“ durch soziale Dienste. Die „Theorie des demokratischen Friedens“ weist er immer wieder – Clausewitz gegen Kant – scharf zurück. „Demokratien, so die im Vergleich zur Theorie des demokratischen Friedens wohl zutreffende Beobachtung, sind nicht bereit, sich auf über längere Zeit zu führende symmetrische Kriege einzulassen, aber asymmetrische Kriege zu führen sind sie sehr wohl in der Lage und Willens.“ (S. 269) Ganz grundsätzlich betrachtet Münkler moralphilosophische Diskurse primär als „Legitimationen“ (S. 271), die Kriege als „Rechtsexekution“ rechtfertigen und limitieren. Dagegen profiliert er seine Machtanalytik: „Die Alternative dazu ist nämlich nicht auf den Wegen der Moralphilosophie, sondern denen der politischen Vernunft zu suchen, die dringend der Rehabilitierung bedarf. Sie würde weder auf eine ‚Welt der Gerechtigkeit’ warten noch mit Theorien der gerechten Kriege argumentieren, sondern mit einer illusionslosen Bestandsaufnahme der Gewaltkonstellationen im Weltmaßstab beginnen“ (S.
276).

Münkler tut das auch gegen Habermas (S. 277, 288). Exemplarisch führt er vor, wie sich die USA mit ihrer neuen Sicherheitsdoktrin „partiell aus dieser Völkerrechtsordnung verabschiedet“ (S. 280) haben. Münkler hält das für unausweichlich: Sie „verabschieden sich notgedrungenermaßen auch von den symmetrischen Normen der klassischen Sicherheitsdoktrinen. [...] Postheroische Gesellschaften sind auf asymmetrische Überlegenheit angewiesen, um sich gegen heroische Akteure zu schützen, und diese Asymmetrien bringen zwangsläufig jene Formen ‚moralischer Obszönität’
hervor, die Habermas so beredt beklagt hat.“ (S. 288) In der neuen Sicherheitsdoktrin der USA seien dabei „präemptive Selbstverteidigung und die Führung eines Angriffskrieges kaum noch unterscheidbar“ (S.
289). Das ist eine starke Feststellung. Völkerrecht wäre dann nur ein Mittel im Kampf.

Münkler rekapituliert noch einmal die „Charakteristika der neuen Kriege“ (S. 298 ff.) in ihren Schlussfolgerungen für die Sicherheitspolitik, wobei er die prekären „Gelingensbedingungen“ einer „Friedensökonomie“ scharf herausstellt. Der – bisher unveröffentlichte – lange Schlussbeitrag beschreibt dann die Entwicklung zur„postheroischen Gesellschaft“. Auch die USA seien eine solche „postheroische Gesellschaft“, betont Münkler (S. 340). Erlösungsreligionen, Nationalismus und Totalitarismus mobilisierten Heroismus. Die Demographie ist auch ein Faktor. Geburtenschwache Gesellschaften meiden das Opfer, junge Gesellschaften dagegen haben ein hohes „Heroisierungspotential“. Münkler möchte den überspannten Heroismus nicht erneuern. So schreibt er: „Die Europäer sind durch ihre Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in sehr viel höherem Maße zur Einsicht in den selbstzerstörerischen Charakter heroischer Gesellschaften und die Ineffizienz heroischer Dispositionen genötigt worden als die USA.“ (S. 347) Er betrachtet die „postheroischen Dispositionen“ am Ende aber als „Manko“ (S. 354) politischer Selbstbehauptung. So schließt er mit Analogien zum Untergang Roms und gibt Europa wohl insgesamt keine günstige Prognose. Damit geht er über die Schlussandeutungen in seinen „Imperien“ hinaus.

Insgesamt ist das neue Buch eine sehr eindrucksvolle Zwischenbilanz. Es steht überall akademisch satt im Stoff, vertraut auf die eigene Übersicht und analytische Kraft und macht keine Konzessionen an ein größeres Publikum. Münkler ist damit voll in seiner Kompetenz angekommen. Manches klingt zwar etwas nach strategischem Sandkasten.
Insgesamt aber lässt sich Münklers Position eher durch den Feldherrn im Getümmel visualisieren, der reinhaut wie Blücher bei der Katzbach (Mecklenburger Essensspruch) und fette Brocken in alle Richtungen stellt. Das Ziel einer „Verteidigung und Präzisierung des Theorems der ‚neuen Kriege’“ scheint mir insgesamt glänzend gelungen. Damit stellt Münkler den ersten Zugriff von 2002 weit in den Schatten. Wichtige Aspekte der neuen Kriege sind nun präzisiert. In aller Konsequenz ist die machtanalytische Methode gegen moralphilosophische Alternativen profiliert. Der analytische Umgang mit Clausewitz ist überall reich präsent. Die Kriegsgeschichte ist in den Kategorien von Raum und Zeit originell und eindringlich staatstheoretisch reflektiert. Die normativen Fragen nach den „Handlungsoptionen“ sind ausführlich erörtert. Die dilemmatische Forderung nach „heroischer Gelassenheit“ in einer „postheroischen Gesellschaft“ ist klar profiliert. Andere „Verteidigungslinien“ lassen sich näher bedenken. Am Ende steht trotz der dilemmatischen Prognose keine zynische Resignation. Münkler bietet in analytischer Fassung vielmehr eine Tugend – „heroische Gelassenheit“
- gegen die Moralphilosophie auf. Dieser Rekurs auf die Tugend findet sich in früheren Arbeiten schon. Er gehört zum Erbe, das Münkler aus Frankfurt – mit Fetscher gegen Habermas – nach Berlin mitnahm. Mögen es dort die Kommandozentralen vernehmen!

Anmerkungen:
[1] Münkler, Herfried, Gewalt und Ordnung. Das Bild des Krieges im politischen Denken, Frankfurt 1992.
[2] Münkler, Herfried, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005.
[3] Münkler, Herfried, Die neuen Kriege, Reinbek 2002.
[4] Münkler, Herfried, Der neue Golfkrieg, Reinbek 2002.
[5] Münkler, Herfried, Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, Weilerswist 2002.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Katja Naumann

URL zur Zitation dieses Beitrages


Diese Rezension enstand im Rahmen des Fachforums geschichte.transnational.
http://geschichte-transnational.clio-online.net
Autorenporträt
Herfried Münkler, geb. 1951, ist Professor für Theorie der Politik am Fachbereich Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Lehrgebiete: Politische Theorie, Politische Ideengeschichte, Politische Kulturforschung (politische Mythen und Symbole), Theorie und Geschichte des Krieges. Jüngere Veröffentlichungen zu Fragen des Krieges: Der neue Golfkrieg (Rowohlt 2003); Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion (Velbrück Wissenschaft 2003). Jüngste Veröffentlichung: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - Vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten (Rowohlt 2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2006

Übermacht und Ohnmacht
Herfried Münklers faszinierendes Buch über Erscheinungsformen militärischer Auseinandersetzungen

Eine eher beiläufige Charakterisierung des Krieges als "Chamäleon", die Carl von Clausewitz zu Beginn seines Werkes "Vom Kriege" vorschlägt, dient dem Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler als Ausgangspunkt für seine Untersuchungen über die unterschiedlichen Erscheinungsformen militärischer Auseinandersetzungen im Verlauf der europäischen und amerikanischen Geschichte. Die zentrale Frage danach, was den klassischen Waffengang vergangener Jahrhunderte beispielsweise mit dem davon so grundsätzlich abgehobenen Terrorismus unserer Tage verbindet und ob beide Phänomene organisierter Gewaltanwendung mit dem Begriff des Krieges zu erfassen sind, beantwortet der Autor dadurch, daß er die sozialwissenschaftlich eingeführten Kategorien der "Symmetrie" und "Asymmetrie" - ebenso systematisch wie perspektivenreich - auf die heterogenen Untersuchungsgegenstände anwendet.

Unter symmetrischer Kriegführung wird eine spezifische Gleichartigkeit der Kontrahenten verstanden. Sie repräsentiert einen wesentlichen Bestandteil jenes sogenannten Westfälischen Systems, das sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges herausbildete. Gekennzeichnet war seine Existenz durch die Entprivatisierung und Verstaatlichung militärischer Auseinandersetzungen durch ihre zunehmende Entideologisierung, durch eine damit einhergehende Verrechtlichung ihrer Existenz und durch die nicht zuletzt Anfang und Ende der Feldzüge regulierende Funktion des Gleichgewichts der Mächte: Seine Regeln konnten, wenn sich eine systemgefährdende Gewichtsverlagerung abzeichnete, den Krieg ebenso erforderlich machen, wie sie beim Friedensschluß das Überleben des Besiegten, wenn auch in geschmälerter Gestalt, im Grundsatz gleichwohl bedingten.

Angesichts der Tatsache, daß diese Symmetrie der allgemeinen Verhältnisse bereits während der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, als die Trennlinien zwischen Front und Heimat zunehmend porös wurden, in eine grundlegende Krise geriet, und daß nach dem Ende des Kalten Krieges, der noch einmal in einer ins Extreme gesteigerten Form als symmetrisch erschien, eine gar nicht zu verkennende Asymmetrie der Weltordnung dominiert, gelangt der Autor zu der kühnen Schlußfolgerung: "Die Zeiten des klassischen Staatenkrieges sind endgültig zu Ende gegangen." Diese prima vista sensationelle Feststellung bewertet der Verfasser jedoch schon allein deshalb nicht als revolutionär, weil es Formen asymmetrischer Militärkonflikte seit eh und je gegeben hat - nicht zuletzt im Zuge jener aus waffentechnisch überlegener Position heraus geführten Kolonialkriege der imperialistischen Mächte gegenüber den Aufständen indigener Bevölkerungen in Übersee. Zur gleichen Zeit also, als im europäischen Zusammenhang der Pentarchie die Bedingungen der symmetrischen Kriegführung, die ihre Entscheidung in der Regel in der "Schlacht" suchte, noch ihre Geltung besaßen, wurden "beyond the line" in den abhängigen Territorien der Erde asymmetrische Waffengänge geführt, die ihren finalen Zweck durch die einschüchternde Drohkulisse oder im blutigen "Gemetzel" fanden.

Heutzutage hat sich das historisch keineswegs unbekannte Phänomen der asymmetrischen Auseinandersetzung in ganz unterschiedlicher Art und Weise fortentwickelt: Zum einen läßt sich jene "Asymmetrie aus Stärke" beobachten, die bereits für imperiale Ordnungen der Vergangenheit Bedeutung hatte und gegenwärtig die Position der Vereinigten Staaten von Amerika beschreibt. Weil deren Übermacht so erdrückend wirkt, daß die Chancen auf "Resymmetrierung" für diejenigen, die sich dem zivilisatorischen Angebot des amerikanischen Hegemon nicht zu ergeben bereit sind, nur gering erscheinen, greifen diese - Ausdruck einer "Asymmetrie aus Schwäche" - zu gänzlich unorthodoxen Waffen. In diesem Sinne ist der moderne Terrorismus vor dem Hintergrund der Geschichte die Fortentwicklung jener Partisanenkriegführung, mit der sich, seit ihren Anfängen in der spanischen "guerilla" gegen die Napoleonische Besatzung, die in der offenen Schlacht notorisch Unterlegenen zur Wehr setzen.

Während die klassische Form des defensiven Partisanenkriegs auf die Unterstützung der Bevölkerung eines Territoriums angewiesen blieb, die ihrerseits den Repressalien des Hegemon ausgesetzt war, zeichnet sich der offensive Terrorismus der Gegenwart durch jene "Entterritorialisierung" seines unsichtbaren Kampfes aus, welche die Identifizierung und Bekämpfung des schemenhaften Phänomens so ungemein erschwert. Im Prinzip gehören Übermacht und Ohnmacht wie die einander bedingenden Seiten ungleichartiger Konfliktaustragung zusammen, die Münkler, geradezu maximenhaft, so umschreibt: "Die Asymmetrie der Unerkennbarkeit steht gegen die Asymmetrie der Unerreichbarkeit. Beide zielen auf die Herstellung tendenzieller Unverwundbarkeit." Indes, wie steht es mit dem zentralen Befund des Autors? Danach zeichnet sich das Ende des klassischen Staatenkrieges ab, der nach Münklers Urteil möglicherweise nichts anderes gewesen ist als ein "europäischer Sonderweg" der säkularen Entwicklung, während die Zukunft durch jene Asymmetrierung militärischer Auseinandersetzungen geprägt sein werde, die nicht zuletzt auch durch eine Renaissance der weltanschaulichen Überzeugungen vom "gerechten" und vom "heiligen Krieg" charakterisiert sind.

Gerade dann, wenn die westlichen Gesellschaften mit der Methode jener vom Verfasser geforderten "heroischen Gelassenheit" (man könnte auch sagen: mit einem durch Gewöhnung erzwungenen Fatalismus) den überfallartigen Stichen auf ihre psychische Disposition nicht erliegen werden, stellt sich aus der Sicht derjenigen, die sich der Pax Americana nicht zu unterstellen bereit sind, wie eh und je - ja um so dringender geradezu - die Aufgabe der Gegenmachtbildung. Diese ist längst in vollem Gange, wenn man sich die entsprechenden Entwicklungen in Ostasien vor Augen führt, wo die chinesische Großmacht die amerikanische Herausforderung auf allen Gebieten von der Ökonomie bis zur Rüstung angenommen hat. Mit anderen Worten: Die historische Parallelität von unkonventionellen Auseinandersetzungen einerseits und klassischen Kriegsszenarien andererseits kann zumindest dieselbe Wahrscheinlichkeit, was die Spielarten zukünftiger Kriegführung angeht, für sich reklamieren wie die These des Autors vom Abschied der einen zugunsten der Existenz der anderen Form gewaltsamer Konfliktaustragung.

Wie auch immer: Herfried Münkler hat ein faszinierendes Buch vorgelegt, keine Monographie im eigentlichen Sinn des Genus, sondern eine geschickt komponierte Zusammenstellung verschiedener - teils veröffentlichter, teils unveröffentlichter - Abhandlungen, die ein säkulares Thema, belesen und scharfsinnig, mit historischem Tiefenblick und aktuellem Bezug, auf anregende Art und Weise abhandeln.

KLAUS HILDEBRAND

Herfried Münkler: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie. Velbrück Wissenschaft Verlag, Weilerswist 2006. 397 S., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fasziniert zeigt sich Rezensent Klaus Hildebrand von Herfried Münklers Studie über die Veränderung militärischer Auseinandersetzungen in der europäischen und amerikanischen Geschichte. Besonders interessieren Hildebrand Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Konfliktphänomene wie dem klassischen Waffengang einerseits und dem modernen globalen Terrorismus andererseits. Aufschlussreich findet er hier die Kategorien der symmetrischen und der asymmetrischen Kriegsführung, die Münkler eingeführt hat. Sie machen für ihn auch die These des Politikwissenschaftlers vom Ende des klassischen Staatenkriegs verständlich. Hildebrand unterstreicht in diesem Zusammenhang Münklers Feststellung, asymmetrische Formen der Kriegsführung habe es seit eh und je gegeben. Den modernen Terrorismus betrachte der Autor etwa als Fortentwicklung des spanischen Partisanenkriegs gegen die Napoleonische Besatzung. Abschließend bescheinigt Hildebrand dem Autor, sein Thema "belesen und scharfsinnig", "mit historischem Tiefenblick und aktuellem Bezug" und "auf anregende Art und Weise" abzuhandeln.

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