Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion trat der Westen als Sieger der Geschichte auf. Nato-Osterweiterung, Balkankriege, Afghanistan-Einmarsch oder Irak-Feldzug sie alle wurden ohne Rücksicht auf Russland oder andere Mächte in Szene gesetzt. Einer der wenigen, die diese Muskelspiele von Anfang an mit Skepsis beobachtet haben, ist Peter Scholl-Latour. Frühzeitig hat Deutschlands erfahrenster Kommentator des Weltgeschehens vor der Isolation Russlands, der Explosivität des Nahen und Mittleren Ostens, der Herausforderung durch China und der Überdehnung der westlichen Kräfte gewarnt. Auch die aktuellen Konflikte im Kaukasus, in Pakistan, im Iran oder im Osten Afrikas hat er seit langem vorausgesehen. Sie alle sind die Vorzeichen eines neuen Kalten Krieges zwischen Moskau, Peking und Washington, den der Westen nur verlieren kann.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2009Meinungsstark
Peter Scholl-Latours Kaleidoskop
Die Mehrfachverwertung von Artikeln ist der legitime Versuch von Journalisten, ihre in der Regel nicht sehr großzügigen Honorare aufzubessern. Von Peter Scholl-Latour allerdings, kann ein redlicher Mehrfachverwerter noch viel lernen: Denn er hat für sein jüngstes Werk einfach ein „Kaleidoskop von Kommentaren, Fernsehdokumentationstexten, Reportagen und Interviews”, wie er ehrlich zugibt, in Buchform bringen lassen. All das, was dem in Deutschland als Verkörperung des tapferen und illusionslosen Auslandsreporters geltenden Scholl-Latour so eingefallen ist zum Lauf der Welt seit dem 22. Oktober 2001.
Damals hatte der Krieg zur Vertreibung der Taliban gerade begonnen, Scholl-Latour nennt seine Anfänge „brillant geführt”. Das kann man so sehen, und auch sonst hat er mit seinen knappen, allzu große Tiefe vermeidenden Analysen meist richtig gelegen; meinungsstark ist der alte Kämpe sowieso. In acht je ein Jahr umfassenden Kapiteln, die nach chinesischer Zählung („Jahr des Schweins”) benannt sind, durchschreitet Scholl-Latour den Kreis außenpolitischen Tuns und Lassens, soweit es die muslimische Welt, die USA und Russland betrifft. Die tierischen Kapitelüberschriften sollen vermutlich von der Tatsache ablenken, dass sich Scholl-Latour in all den Jahren zu China recht wenig geäußert hat.
Zum angespannten Ost-West-Verhältnis hingegen, auf das der Buchtitel anspielt, hat der Autor durchaus Interessantes zu sagen. Etwa wenn er die Blauäugigkeit der Nato gegenüber Beitrittsaspiranten wie Georgien geißelt. Bisweilen hat er eine amüsante Neigung zur politischen Inkorrektheit, Beispiel Klimaschutz. Leider tut er das auch in einem Interview mit der Jungen Freiheit. Das
hätte sich Scholl-Latour ersparen können. Fast tragisch dass er auf seine alten Tage glaubt, seine Einsichten einem mehr als dubiosen Blatt anvertrauen zu müssen. Und das auch noch nachdrucken lässt. CORD ASCHENBRENNER
PETER SCHOLL-LATOUR: Der Weg in den neuen Kalten Krieg. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 349 Seiten, 24,90 Euro.
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Peter Scholl-Latours Kaleidoskop
Die Mehrfachverwertung von Artikeln ist der legitime Versuch von Journalisten, ihre in der Regel nicht sehr großzügigen Honorare aufzubessern. Von Peter Scholl-Latour allerdings, kann ein redlicher Mehrfachverwerter noch viel lernen: Denn er hat für sein jüngstes Werk einfach ein „Kaleidoskop von Kommentaren, Fernsehdokumentationstexten, Reportagen und Interviews”, wie er ehrlich zugibt, in Buchform bringen lassen. All das, was dem in Deutschland als Verkörperung des tapferen und illusionslosen Auslandsreporters geltenden Scholl-Latour so eingefallen ist zum Lauf der Welt seit dem 22. Oktober 2001.
Damals hatte der Krieg zur Vertreibung der Taliban gerade begonnen, Scholl-Latour nennt seine Anfänge „brillant geführt”. Das kann man so sehen, und auch sonst hat er mit seinen knappen, allzu große Tiefe vermeidenden Analysen meist richtig gelegen; meinungsstark ist der alte Kämpe sowieso. In acht je ein Jahr umfassenden Kapiteln, die nach chinesischer Zählung („Jahr des Schweins”) benannt sind, durchschreitet Scholl-Latour den Kreis außenpolitischen Tuns und Lassens, soweit es die muslimische Welt, die USA und Russland betrifft. Die tierischen Kapitelüberschriften sollen vermutlich von der Tatsache ablenken, dass sich Scholl-Latour in all den Jahren zu China recht wenig geäußert hat.
Zum angespannten Ost-West-Verhältnis hingegen, auf das der Buchtitel anspielt, hat der Autor durchaus Interessantes zu sagen. Etwa wenn er die Blauäugigkeit der Nato gegenüber Beitrittsaspiranten wie Georgien geißelt. Bisweilen hat er eine amüsante Neigung zur politischen Inkorrektheit, Beispiel Klimaschutz. Leider tut er das auch in einem Interview mit der Jungen Freiheit. Das
hätte sich Scholl-Latour ersparen können. Fast tragisch dass er auf seine alten Tage glaubt, seine Einsichten einem mehr als dubiosen Blatt anvertrauen zu müssen. Und das auch noch nachdrucken lässt. CORD ASCHENBRENNER
PETER SCHOLL-LATOUR: Der Weg in den neuen Kalten Krieg. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 349 Seiten, 24,90 Euro.
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