Der lange Weg zur Berliner Mauer begann 1945. Stalin beauftragte die KPD in der Sowjetischen Besatzungszone, die Macht zu übernehmen, die drei Westmächte sicherten ihren Einflussbereich. 1949 entstanden zwei deutsche Staaten, wobei Berlin in vier Sektoren geteilt blieb und West-Berlin fortan wie ein erratischer Block und ein Schaufenster des Westens mitten in der DDR lag. Nach dem gescheiterten sowjetischen Versuch, die Alliierten durch eine Blockade 1948/49 aus West-Berlin zu vertreiben, folgte 1958 bis 1960die zweite Berlin-Krise, bei der Moskau ultimativ den Abzug der Westmächte und die Schaffung einer »Freien Stadt Berlin« verlangte. Die Entscheidung zur Grenzschließung fiel durch Nikita Chruschtschow. Ursache waren die steigenden Flüchtlingszahlen aus der DDR.Für die Rekonstruktion der internationalen Vorgeschichte des Mauerbaus und der genauen Abstimmung zwischen Chruschtschow und SED-Chef Walter Ulbricht konnte der Autor erstmals die Gesprächsprotokolle zwischen den beidenPartei- und Staatschefs nutzen, die bislang der Forschung nicht zugänglich waren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2011Hinterland
Bau der Berliner Mauer
In seiner zitatenreichen und nüchternen Beschreibung des Wegs zur Berliner Mauer holt Manfred Wilke weit aus und setzt mit der Atlantik-Charta vom August 1941 ein. Den Schwerpunkt bilden dann die Politik Moskaus und Ost-Berlins. Bonn kommt etwas zu kurz, was sich auch daran zeigt, dass der Autor allen Ernstes glaubt, nach der Ostsektor-Abriegelung vom 13. August 1961 sei Adenauer "erst mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Johnson am 19. August nach Berlin" gekommen. Der Bundeskanzler wartete jedoch noch länger, war am 22./23. August dort: "In der Bernauer Straße im Norden winkten ihm die Menschen in den Häusern des Ostens zu. Ein ergreifendes Bild", hielt der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Krone dazu fest.
Im Schlusskapitel fragt Wilke: "Wer verantwortet die Berliner Mauer?" Für ihn ist es vor allem Chruschtschow, der den ostdeutschen "Garnisonsstaat" für die sowjetischen Truppen gebraucht habe. SED-Chef Ulbricht musste den Kreml-Herrn also nicht zum Handeln zwingen. Wilke hält die Bezeichnung Mauer für medial irreführend: "Es war eine Grenzbefestigung, in der die sogenannte Hinterlandmauer, die Ost-Berlin begrenzte, die nach innen gerichtete, eigentliche Mauer war. Hier verlief die wirkliche Grenze, um die Staatsbürger der DDR an der Flucht nach West-Berlin zu hindern. Auf solche Menschen, die es trotzdem wagten, waren die Waffen der Grenztruppen gerichtet." Im Gegensatz zur oft fotografierten Westseite der Grenzbefestigung, die das Bild von der Mauer prägte, war es verboten, die Hinterlandmauer abzulichten: "Das Propagandabild vom ,Antifaschistischen Schutzwall' verdeckte eine Wahrheit, die auszusprechen in der DDR unter Strafe stand: Die Mauer war ein Schutzwall für die SED-Diktatur."
RAINER BLASIUS
Manfred Wilke: Der Weg zur Mauer. Stationen der Teilungsgeschichte. Ch. Links Verlag, Berlin 2011. 472 S., 39,90 Euro.
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Bau der Berliner Mauer
In seiner zitatenreichen und nüchternen Beschreibung des Wegs zur Berliner Mauer holt Manfred Wilke weit aus und setzt mit der Atlantik-Charta vom August 1941 ein. Den Schwerpunkt bilden dann die Politik Moskaus und Ost-Berlins. Bonn kommt etwas zu kurz, was sich auch daran zeigt, dass der Autor allen Ernstes glaubt, nach der Ostsektor-Abriegelung vom 13. August 1961 sei Adenauer "erst mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Johnson am 19. August nach Berlin" gekommen. Der Bundeskanzler wartete jedoch noch länger, war am 22./23. August dort: "In der Bernauer Straße im Norden winkten ihm die Menschen in den Häusern des Ostens zu. Ein ergreifendes Bild", hielt der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Krone dazu fest.
Im Schlusskapitel fragt Wilke: "Wer verantwortet die Berliner Mauer?" Für ihn ist es vor allem Chruschtschow, der den ostdeutschen "Garnisonsstaat" für die sowjetischen Truppen gebraucht habe. SED-Chef Ulbricht musste den Kreml-Herrn also nicht zum Handeln zwingen. Wilke hält die Bezeichnung Mauer für medial irreführend: "Es war eine Grenzbefestigung, in der die sogenannte Hinterlandmauer, die Ost-Berlin begrenzte, die nach innen gerichtete, eigentliche Mauer war. Hier verlief die wirkliche Grenze, um die Staatsbürger der DDR an der Flucht nach West-Berlin zu hindern. Auf solche Menschen, die es trotzdem wagten, waren die Waffen der Grenztruppen gerichtet." Im Gegensatz zur oft fotografierten Westseite der Grenzbefestigung, die das Bild von der Mauer prägte, war es verboten, die Hinterlandmauer abzulichten: "Das Propagandabild vom ,Antifaschistischen Schutzwall' verdeckte eine Wahrheit, die auszusprechen in der DDR unter Strafe stand: Die Mauer war ein Schutzwall für die SED-Diktatur."
RAINER BLASIUS
Manfred Wilke: Der Weg zur Mauer. Stationen der Teilungsgeschichte. Ch. Links Verlag, Berlin 2011. 472 S., 39,90 Euro.
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