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Nach 1918 fanden Pläne zur Auflösung und Neubildung historischer Länder Verbreitung. Bis zum nationalsozialistischen Machtantritt wurde darüber debattiert, ob das Reich weiter in seiner bundesstaatlichen Konstruktion getragen werden sollte oder ob es als Republik nicht besser in einem Einheitsstaat aufgehoben sei. Untersucht werden die disparaten Interessen und kommunikativen Strategien, die in dieser Zeit auf eine Reform der Reich-Länder-Beziehungen abzielten und die die Bindungen der Weimarer Zeitgenossen an die traditionelle föderative Ordnung lockerten. Die Darstellung verlässt die…mehr

Produktbeschreibung
Nach 1918 fanden Pläne zur Auflösung und Neubildung historischer Länder Verbreitung. Bis zum nationalsozialistischen Machtantritt wurde darüber debattiert, ob das Reich weiter in seiner bundesstaatlichen Konstruktion getragen werden sollte oder ob es als Republik nicht besser in einem Einheitsstaat aufgehoben sei. Untersucht werden die disparaten Interessen und kommunikativen Strategien, die in dieser Zeit auf eine Reform der Reich-Länder-Beziehungen abzielten und die die Bindungen der Weimarer Zeitgenossen an die traditionelle föderative Ordnung lockerten. Die Darstellung verlässt die Eigenlogik begrenzter regionaler Probleme und greift über einen traditionellen politikgeschichtlichen Ansatz hinaus: Das Streben nach dem perfektionierten Bundesstaat wird aus den modernen Tendenzen verdichteter Kommunikation, Urbanisierung und wirtschaftlicher Verflechtung heraus begründet.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Prof. Dr. Anke John lehrt Geschichtsdidaktik an der Universität Jena.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2012

Schaumburg-Lippe auf der Kippe?
Anstöße zu einer Neugliederung des Reichsgebiets während der Zeit der Weimarer Republik

"Reichsreform" - das war ein streitiges Dauerthema in den politischen Auseinandersetzungen während der Weimarer Republik. Dabei ging es um zweierlei: um die territoriale Frage einer Neugliederung des Reichsgebiets und um die funktionale Frage der Kompetenzen von Reich und Ländern. In beiden Fragen war die Weimarer Verfassung - wie in anderen Bereichen - eine "Verfassung ohne Entscheidung" (Otto Kirchheimer). Im Ergebnis der Verfassungsschöpfung wurde die bundesstaatliche Ordnung des Kaiserreichs mit föderalen und unitarischen Elementen im Wesentlichen bestätigt.

Doch bei der Finanzverfassung gab es einen Unitarisierungsschub: Die Reichskompetenzen erfuhren eine Ausweitung zu Lasten der Gliedstaaten (Artikel 8 und 11 der Weimarer Reichsverfasssung), so dass Reichsfinanzminister Matthias Erzberger 1919/20 die Finanzhoheit des Reichs gegenüber den Ländern durchsetzen konnte. Fortan standen im Reich-Länder-Verhältnis die Finanzprobleme im Zentrum, auch der Finanzausgleich zwischen steuerstarken und steuerschwachen Ländern.

Eine Neugliederung des Reichsgebiets fand 1919 nicht statt, aber eine Möglichkeit dazu eröffnete Artikel 18 mit recht komplizierten Formulierungen. Zunächst jedoch blieb es bei den bisherigen, jetzt "Länder" genannten 25 Gliedstaaten von extrem unterschiedlicher Größe und Bevölkerungszahl: Preußen umfasste knapp zwei Drittel des Reichsgebiets mit etwa vierzig Millionen Einwohnern, fast drei Fünftel der Reichsbevölkerung. Das kleinste Land, Schaumburg-Lippe mit 0,07 Prozent der Fläche des Reichs, hatte gerade einmal 40 000 Einwohner. Bis 1932 reduzierte sich die Zahl der Länder auf siebzehn: Sieben thüringische Kleinstaaten schlossen sich 1920 zum Land Thüringen zusammen, die Bevölkerung von Coburg votierte in einer Volksabstimmung 1920 für den Anschluss an Bayern, Waldeck vereinigte sich 1929 mit Preußen. Alle weiteren Initiativen, und es gab sie in großer Zahl, verliefen im Sande, obwohl die finanzielle Situation der meisten Länder sich gegen Ende der Republik immer prekärer gestaltete.

Ab 1930, in der Ära der Präsidialkabinette, als mit Notverordnungen regiert wurde, machte sich die Reichsregierung die finanzielle Notlage der Länder zunutze und betrieb eine "kalte Unitarisierung", Reichsreform per Notverordnung sozusagen. Angesichts der Bedeutung des Themas liegt eine reichhaltige wissenschaftliche Literatur zu den Auseinandersetzungen um die Reichsreform und zur Geschichte der einzelnen Länder in den Jahren der Weimarer Republik vor. Aus dieser Literatur schöpfte Anke John in ihrer Untersuchung über den Weimarer Bundesstaat, besonders aus dem Standardwerk von Gerhard Schulz über die Verfassung und Reichsreform und aus Hagen Schulzes exzellenter Otto-Braun-Biographie. Darüber hinaus hat sie intensive Archivstudien in zahlreichen Landesarchiven betrieben und sich so eine breite Materialgrundlage erarbeitet.

Vieles von dem, was sie schreibt, ist nicht neu und an anderer Stelle in prägnanter Diktion zu lesen. Aber das umfangreichste Kapitel ist zweifellos ertragreich. Im ihm werden alle Länder der Weimarer Republik einer vergleichenden Betrachtung in ihrer Haltung zu Reichsreform und Neugliederungsbestrebungen unterzogen - einer Betrachtung, wie sie in dieser Weise bisher nicht durchgeführt worden ist, weil sich das Interesse vorwiegend auf Preußen und die süddeutschen Staaten konzentrierte. Hier nun erfährt man viel über das Manövrieren der Regierungen gerade der norddeutschen Mittel- und Kleinstaaten in der Reichsreformfrage und über ihre letztlich erfolgreichen Bemühungen, ein Aufgehen ihrer Länder in Preußen zu verhindern.

Frau John würdigt verständnisvoll die Anstrengungen der Kleinstaaten, ihre staatliche Selbständigkeit zu verteidigen, sie huldigt nicht dem negativen Image, das in diesen Kleinstaaten lediglich unliebsame Relikte einer dynastischen Länderstaatlichkeit sieht. Eine solche Perspektive verdient Beachtung. Allerdings wäre ein sorgfältigeres Lektorat dieser Studie wünschenswert gewesen. Neben Redundanzen und gelegentlichen terminologischen Schwächen hätten dann auch etliche ärgerliche Schnitzer vermieden werden können: Reichsminister Walter von Keudell gehörte der DNVP an, nicht der DVP; es gab keinen Reichsverband deutscher Industrieller, sondern den Reichsverband der Deutschen Industrie; es gab auch keinen Deutschen Jungorden, sondern den Jungdeutschen Orden; die Berliner Universität hieß in der Zeit der Weimarer Republik Friedrich-Wilhelm-Universität, nicht Humboldt-Universität.

EBERHARD KOLB

Anke John: Der Weimarer Bundesstaat. Perspektiven einer föderalen Ordnung (1918-1933). Böhlau Verlag, Köln 2012. 486 S., 64,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eberhard Kolb entgeht nicht, woher die Autorin Anke John das Material für ihre Studie über den Weimarer Bundesstaat bezieht. Als Referenzautoren nennt er etwa Gerhard Schulz und Hagen Schulze. Darüber hinaus jedoch überzeugt ihn Johns eigene Leistung, dazu zählen intensive Landesarchivstudien und insgesamt die Erarbeitung einer breiten Materialbasis. Dass vieles im Buch nicht neu ist, kann Kolb verzeihen angesichts des, wie er findet, ertragreichen Hauptkapitels, in dem die Autorin die Länder der Weimarer Republik betreffend ihre Haltung zu Reichsreform und Neugliederung vergleichend betrachtet. Hier lernt Kolb über das Taktieren der involvierten Kleinstaaten, deren Bemühungen John zu würdigen weiß. Nicht zuletzt aus diesem Grund hätte der Rezensent dem Buch ein sorgfältiger Redundanzen und Fehler tilgendes Lektorat gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH