Rumänien im Jahr von Tschernobyl, 1986. Ein Elfjähriger wird Zeuge, wie Beamte des Geheimdiensts seinen Vater abholen. Von Monat zu Monat schwindet die Hoffnung, ihn wiederzusehen. Mit rührender Aufmerksamkeit versucht der Junge, der tapferen, als Jüdin und "Dissidentin" geächteten Mutter den Vater zu ersetzen, während er ihr die Schikanen in der Schule verschweigt. Er begleitet sie zum "Genossen Botschafter", von dem sie sich Hilfe erhofft, sinnt auf eigene Wege, um den Vater aus dem Arbeitslager am "Donaukanal" freizubekommen.Im Turnlehrer, der die Kinder bei Radioaktivitätsalarm zum Fußballspiel zwingt, in den verrohten Jugendlichen, die vor keiner Gewalttat zurückschrecken, in den Bauarbeitern, die behaupten, seinen Vater gesehen zu haben - überall begegnet ihm das zynische Spiel mit Angst und Hoffnung, Erpressung und Verrat. Doch er führt seinen Krieg, wehrt sich gegen die Unmenschlichkeit, und in einem grandiosen Finale kämpft er um seinen Vater - gegen die ganze Welt.Konsequent aus der Sicht eines Kindes schildert György Dragomán die Amoralität einer politisch terrorisierten Gesellschaft. Sein suggestiver Stil nimmt vom ersten Satz an gefangen. Die traumwandlerische Leichtigkeit und Schönheit der Sprache, in der souverän von menschlicher Größe und Niedertracht erzählt wird, machen die Lektüre unvergeßlich.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2008Die Hoffnung vom Donaukanal
Schule der Grausamkeit: György Dragománs brillanter Roman „Der weiße König”
Alles wird anders mit dem Tag, an dem die Männer in dem grauen Kombi vorfahren. Das seien Kollegen, die ihn zu einer Forschungsstation ans Meer mitnehmen würden, erzählt der Vater dem zehnjährigen Dzsátá. Eine äußerst dringende Angelegenheit. Die Kollegen scheinen es eilig zu haben, das bemerkt der Junge noch, und dass der Vater ihn nicht umarmt, sondern sein Jackett so seltsam über die Hände gelegt hat. Dann ist er fort. Und wird eine ewige Leerstelle bleiben.
György Dragomán wurde 1973 als Angehöriger der ungarischen Minderheit im rumänischen Siebenbürgen geboren; seit 1988 lebt er in Budapest. Seine Bücher schreibt er auf Ungarisch. „Der weiße König” ist sein zweiter Roman, ein erschreckendes, grausames und sprachmächtiges Kunstwerk. Wir befinden uns im Rumänien des Jahres 1986. Soeben ist der Reaktor in Tschernobyl explodiert, von einem bevorstehenden Ende der Ceausescu-Diktatur ist noch nicht das Geringste zu spüren, im Gegenteil – die Securitate hat ihre Augen und Ohren überall, spaziert wie selbstverständlich in Privatwohnungen, drangsaliert und schikaniert. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Brutalität, die Dzsátá zu ertragen hat, denn sie bleibt zunächst weit weniger konkret als die körperliche Rohheit, die in diesem Roman geradezu natürlich erscheint. In Verbindung mit der psychischen Deformation, die das Verschwinden des Vaters zur Folge hatte, ergibt sich ein niederschmetterndes Szenario. Denn selbstverständlich ist der Vater verhaftet worden, weil er eine Petition gegen die Partei unterschrieben hat. Er sei nun am Donaukanal, so sagt man, als Zwangsarbeiter. Der Donaukanal wird zur Chiffre des Leids und der Sehnsucht. Die Mutter bleibt mit Dzsátá allein zurück, von der Familie als „jüdische Hure” verstoßen; ohne sie, so kolportiert man, wäre es nie so weit gekommen; eine mutige Frau, von den äußeren Umständen abgehärtet.
Dragomán erzählt 18 Episoden aus Dzsátás Leben, die zeitlich nur wenige Monate auseinander liegen und betont harmlose Überschriften tragen: „Tulpen”, „Musik”, „Zahlen”, „Kino”. Die Sprache des Romans ist der Tonfall einer kindlichen Atemlosigkeit. Da läuft ein einziger Satz durchaus einmal über mehrere Seiten. Überhaupt ist die Perspektive ungemein wichtig, taucht sie doch einerseits die Geschehnisse in ein geradezu märchenhaftes Licht. Es sind die Märchen jener Art, vor denen die Kinder sich zu Recht fürchten; Märchen, in denen hässliche und böse Menschen auftauchen und mit Verstümmelung und Feuer drohen: „Wir sollten verschwinden, brüllte er, abhauen, und zwar so schnell wir nur könnten, und sollte er uns noch einmal auf dem Gelände erwischen, so würde er uns totschlagen, Benzin über unsere Leichen kippen und sie anzünden, er würde sie in den Grubensee werfen, so dass von uns nur noch brandige Knochen übrigblieben, oder noch nicht einmal Knochen, wir sollten jetzt um unser Leben rennen, weglaufen, so schnell wir könnten, ohne uns umzusehen.”
Die Welt ist aus den Fugen
Andererseits verstärkt der Kinderblick in seiner Verengung die wuchtige Wirkung: Der Wissensvorsprung, der erweiterte Erfahrungshorizont, den der erwachsene Leser dem kindlichen Erzähler Dzsátá gegenüber hat, macht dessen Schilderungen noch schwerer erträglich und kehrt gleichzeitig die absurden Seiten der Diktatur hervor – wenn das Fußballspiel denn schon stattfinden müsse, erklärt ein Soldat am Tag nach Tschernobyl, dann solle er, Dzsátá, der Torhüter, wenigstens den Kontakt mit dem Ball und dem Rasen meiden, dann sei die Strahlung nicht so gefährlich.
Dzsátá durchläuft ein Exerzitium in Grausamkeit. Alles ist hier vom Virus der Bösartigkeit und der Niedertracht angefallen: Der Fußballtrainer, der sich irrwitzige Trainingsmethoden ausdenkt und seine Schützlinge bis aufs Blut quält. Der Großvater, ein strammer Parteigenosse, der nach der Verhaftung seines Sohnes degradiert wurde und nun dem Enkel zeigt, wie man im Garten auf Katzen schießt. Die Bauarbeiter, die dem gutgläubigen und hoffnungsfrohen Jungen Glauben machen wollen, ihr furcht- erregend unansehnlicher, durch die Pocken entstellter Kollege sei der inkognito vom Donaukanal zurückgekehrte Vater. Die Bergarbeiter, die den Laden stürmen, in dem es angeblich Zitrusfrüchte geben soll. Die Verwalterin des Ladens, die die begehrten Lebensmittel tatsächlich im Hinterzimmer hortet. György Dragománs Rumänien erscheint als ein Land ohne jedes moralische Gesetz, gebannt in einer desillusionierten Starre. Als Gegenbild zur Enge des Politischen gibt es allenfalls den Aberglauben. Oder eben die Gewalt. Das haben bereits die Kinder gelernt – von harmlosen Kämpfchen, wie man sie unter Heranwachsenden sonst kennt, kann hier keine Rede sein. Wenn gekämpft wird, dann richtig: Messerstechereien, Backsteine, mit denen man sich gegenseitig die Köpfe einschlägt. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Die Hoffnung ist weit weg, am Donaukanal, mindestens.
In einem Augenblick der Verzweiflung begibt die Mutter sich eines Tages zu einem Mann, der nur der „Genosse Botschafter” genannt wird, ein Parteifreund des Großvaters. Während die Mutter sich vergeblich als Bittstellerin versucht, wird Dzsátá in einen Nebenraum abgeschoben, wo er eine unheimliche Begegnung mit einem Schachautomaten hat. Als Mutter und Sohn die Wohnung verlassen, umklammert Dzsátá in der Hosentasche die Elfenbeinfigur des weißen Königs, „ich wusste, dass mich in unseren Kriegsspielen niemand mehr bezwingen würde”. Im so entsetzlichen wie furiosen Schlusskapitel wird deutlich, wie Unrecht er damit haben sollte. Selten hat man das ambivalente Glück, die physischen und psychischen Bedingungen eines diktatorischen Regimes literarisch so beklemmend vorgeführt zu bekommen wie in diesem brillanten Buch.CHRISTOPH SCHRÖDER
GYÖRGY DRAGOMÁN: Der weiße König. Aus dem Ungarischen von Laszlo Kornitzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 295 Seiten, 19,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Schule der Grausamkeit: György Dragománs brillanter Roman „Der weiße König”
Alles wird anders mit dem Tag, an dem die Männer in dem grauen Kombi vorfahren. Das seien Kollegen, die ihn zu einer Forschungsstation ans Meer mitnehmen würden, erzählt der Vater dem zehnjährigen Dzsátá. Eine äußerst dringende Angelegenheit. Die Kollegen scheinen es eilig zu haben, das bemerkt der Junge noch, und dass der Vater ihn nicht umarmt, sondern sein Jackett so seltsam über die Hände gelegt hat. Dann ist er fort. Und wird eine ewige Leerstelle bleiben.
György Dragomán wurde 1973 als Angehöriger der ungarischen Minderheit im rumänischen Siebenbürgen geboren; seit 1988 lebt er in Budapest. Seine Bücher schreibt er auf Ungarisch. „Der weiße König” ist sein zweiter Roman, ein erschreckendes, grausames und sprachmächtiges Kunstwerk. Wir befinden uns im Rumänien des Jahres 1986. Soeben ist der Reaktor in Tschernobyl explodiert, von einem bevorstehenden Ende der Ceausescu-Diktatur ist noch nicht das Geringste zu spüren, im Gegenteil – die Securitate hat ihre Augen und Ohren überall, spaziert wie selbstverständlich in Privatwohnungen, drangsaliert und schikaniert. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Brutalität, die Dzsátá zu ertragen hat, denn sie bleibt zunächst weit weniger konkret als die körperliche Rohheit, die in diesem Roman geradezu natürlich erscheint. In Verbindung mit der psychischen Deformation, die das Verschwinden des Vaters zur Folge hatte, ergibt sich ein niederschmetterndes Szenario. Denn selbstverständlich ist der Vater verhaftet worden, weil er eine Petition gegen die Partei unterschrieben hat. Er sei nun am Donaukanal, so sagt man, als Zwangsarbeiter. Der Donaukanal wird zur Chiffre des Leids und der Sehnsucht. Die Mutter bleibt mit Dzsátá allein zurück, von der Familie als „jüdische Hure” verstoßen; ohne sie, so kolportiert man, wäre es nie so weit gekommen; eine mutige Frau, von den äußeren Umständen abgehärtet.
Dragomán erzählt 18 Episoden aus Dzsátás Leben, die zeitlich nur wenige Monate auseinander liegen und betont harmlose Überschriften tragen: „Tulpen”, „Musik”, „Zahlen”, „Kino”. Die Sprache des Romans ist der Tonfall einer kindlichen Atemlosigkeit. Da läuft ein einziger Satz durchaus einmal über mehrere Seiten. Überhaupt ist die Perspektive ungemein wichtig, taucht sie doch einerseits die Geschehnisse in ein geradezu märchenhaftes Licht. Es sind die Märchen jener Art, vor denen die Kinder sich zu Recht fürchten; Märchen, in denen hässliche und böse Menschen auftauchen und mit Verstümmelung und Feuer drohen: „Wir sollten verschwinden, brüllte er, abhauen, und zwar so schnell wir nur könnten, und sollte er uns noch einmal auf dem Gelände erwischen, so würde er uns totschlagen, Benzin über unsere Leichen kippen und sie anzünden, er würde sie in den Grubensee werfen, so dass von uns nur noch brandige Knochen übrigblieben, oder noch nicht einmal Knochen, wir sollten jetzt um unser Leben rennen, weglaufen, so schnell wir könnten, ohne uns umzusehen.”
Die Welt ist aus den Fugen
Andererseits verstärkt der Kinderblick in seiner Verengung die wuchtige Wirkung: Der Wissensvorsprung, der erweiterte Erfahrungshorizont, den der erwachsene Leser dem kindlichen Erzähler Dzsátá gegenüber hat, macht dessen Schilderungen noch schwerer erträglich und kehrt gleichzeitig die absurden Seiten der Diktatur hervor – wenn das Fußballspiel denn schon stattfinden müsse, erklärt ein Soldat am Tag nach Tschernobyl, dann solle er, Dzsátá, der Torhüter, wenigstens den Kontakt mit dem Ball und dem Rasen meiden, dann sei die Strahlung nicht so gefährlich.
Dzsátá durchläuft ein Exerzitium in Grausamkeit. Alles ist hier vom Virus der Bösartigkeit und der Niedertracht angefallen: Der Fußballtrainer, der sich irrwitzige Trainingsmethoden ausdenkt und seine Schützlinge bis aufs Blut quält. Der Großvater, ein strammer Parteigenosse, der nach der Verhaftung seines Sohnes degradiert wurde und nun dem Enkel zeigt, wie man im Garten auf Katzen schießt. Die Bauarbeiter, die dem gutgläubigen und hoffnungsfrohen Jungen Glauben machen wollen, ihr furcht- erregend unansehnlicher, durch die Pocken entstellter Kollege sei der inkognito vom Donaukanal zurückgekehrte Vater. Die Bergarbeiter, die den Laden stürmen, in dem es angeblich Zitrusfrüchte geben soll. Die Verwalterin des Ladens, die die begehrten Lebensmittel tatsächlich im Hinterzimmer hortet. György Dragománs Rumänien erscheint als ein Land ohne jedes moralische Gesetz, gebannt in einer desillusionierten Starre. Als Gegenbild zur Enge des Politischen gibt es allenfalls den Aberglauben. Oder eben die Gewalt. Das haben bereits die Kinder gelernt – von harmlosen Kämpfchen, wie man sie unter Heranwachsenden sonst kennt, kann hier keine Rede sein. Wenn gekämpft wird, dann richtig: Messerstechereien, Backsteine, mit denen man sich gegenseitig die Köpfe einschlägt. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Die Hoffnung ist weit weg, am Donaukanal, mindestens.
In einem Augenblick der Verzweiflung begibt die Mutter sich eines Tages zu einem Mann, der nur der „Genosse Botschafter” genannt wird, ein Parteifreund des Großvaters. Während die Mutter sich vergeblich als Bittstellerin versucht, wird Dzsátá in einen Nebenraum abgeschoben, wo er eine unheimliche Begegnung mit einem Schachautomaten hat. Als Mutter und Sohn die Wohnung verlassen, umklammert Dzsátá in der Hosentasche die Elfenbeinfigur des weißen Königs, „ich wusste, dass mich in unseren Kriegsspielen niemand mehr bezwingen würde”. Im so entsetzlichen wie furiosen Schlusskapitel wird deutlich, wie Unrecht er damit haben sollte. Selten hat man das ambivalente Glück, die physischen und psychischen Bedingungen eines diktatorischen Regimes literarisch so beklemmend vorgeführt zu bekommen wie in diesem brillanten Buch.CHRISTOPH SCHRÖDER
GYÖRGY DRAGOMÁN: Der weiße König. Aus dem Ungarischen von Laszlo Kornitzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 295 Seiten, 19,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2008An der schönen blutigen Donau
Ein grandioser Hassgesang, dessen verstörender Schönheit man sich nicht entziehen kann: György Dragománs Roman "Der weiße König" erzählt von den Schrecken einer rumänischen Kindheit unter dem Diktat Ceausescus.
Von Wolfgang Schneider
Donaukanal" - ein Schreckenswort, das Deportation, Zwangsarbeit, Tod bedeutete, damals, im Rumänien der späten Ära Ceausescu. Donaukanal - das ist auch das unheimliche Wort, das dem elfjährigen Dszátá bleibt, wenn er an den Vater denkt. Eines Tages kamen Männer der Sekuritate und nahmen ihn mit auf eine Fahrt ohne Wiederkehr. Der Wissenschaftler hatte eine regimekritische Petition unterschrieben.
Danach wurde die ganze Familie in Sippenhaft genommen. Die Mutter hat ihre Arbeit als Lehrerin verloren, und auch der Großvater, der "Genosse Parteisekretär", ein altgedienter Überzeugungstäter, wurde in vorzeitige Pension geschickt. Das Letzte, was der Vater zu Dzsátá noch sagen konnte: Der Junge solle nun der Mann im Haus sein, solange er fort sei. Der Elfjährige kommt diesem Auftrag, der ihn überfordern muss, mit rührendem Eifer nach und hält in elementarer Solidarität zur Mutter, die von den Großeltern angefeindet wird: Die "jüdische Hure" habe ihren Mann zur Unterschrift getrieben; sie wolle nicht begreifen, "in was für einer guten Welt wir lebten, und meinen Vater habe sie auch verrückt gemacht . . ." Ein Tonfall, der aufhorchen lässt.
György Dragomán wurde 1973 als Angehöriger der ungarischen Minderheit in der "guten Welt" geboren - im rumänischen Siebenbürgen. So prägte gerade das letzte, schlimmste Jahrzehnt der Ceausescu-Diktatur die jungen Jahre des Autors. In seinem Roman "Der weiße König", einer großartigen Entdeckung, gibt er die Schrecken wieder, die er in der rumänischen Pubertät aufgesogen hat.
Wer Gefühle zeigt, macht sich sofort angreifbar in dieser unerbittlichen Welt. Der traumatische Verlust des Vaters ist Dzsátás Wunde; dort wird ihm das Salz von Hohn und Spott hineingestreut. Als er zwei Arbeitern, die womöglich am Donaukanal gewesen sind, ein kleines Bild des Vermissten zeigt und mit bangender, zitternder Stimme fragt, ob sie vielleicht etwas über ihn wüssten, spielen die Männer eine Verwechslungskomödie mit Dzsátá. Sie geben einen grässlich pockennarbigen Kollegen namens "Spitzhacke" für den Vater aus. Ein Taumel des Glücks und der Scham ergreift den verwirrten Jungen - so dass er am Ende für einen Moment wirklich den von Schwarzpocken entstellten Vater in "Spitzhacke" zu erkennen meint. Eine ergreifende Szene, flankiert vom bösen Gelächter der Umstehenden. Dann dürfen sich die Kinder beim Aufbau des Vaterlandes bewähren und einen Abwasserkanal graben - es ist ein "Donaukanal" im Kleinen, eine Spiegelung des Vater-Schicksals.
Aber die Kinder selbst sind alles andere als harmlose Opfer. Ihre eigenen Spiele sind entstellt von Brutalität. Die Rivalitäten der Jungensbanden entarten zu wahren Kriegszügen, bei denen Messer zum Einsatz kommen, Plastiktüten mit Ziegelsteinen als Schleudergeschosse dienen und halbe Weizenfelder abgefackelt werden. Immer wieder gewärtigt Dzsátá den panischen Moment, in dem das wirkliche Töten beginnt. Die Eltern greifen ihrerseits zu drakonischen Strafen - und schauen doch mit dem geheimen Lächeln des Stolzes auf den schlagkräftigen Nachwuchs.
Die martialisch aufgerüstete Umgangssprache, die umstandslos zur Morddrohung übergeht, lässt den Leser an die Rituale des Hip-Hop denken, wo Gewalt und Vernichtungswillen ähnlich zelebriert werden. Nur dass in Dragománs Welt auch die Väter und Lehrer krass zurückrappen. Einer droht seinem Sohn an, er werde ihm "die Haut vom Leib ziehen". Der Sportlehrer verheißt den Spielern der Schulmannschaft "Roter Hammer", er werde jedem von ihnen "die Knöchel mit der Eisenstange zertrümmern", wenn sie beim Turnier nicht gewinnen. Und in den Tagen nach der Katastrophe von Tschernobyl lässt der Lehrer die Kinder ungerührt auf dem radioaktiv verseuchten Rasen trainieren. Und auch der Geographielehrer trägt seinen Spitznamen "Eisenfaust" nicht zu Unrecht.
Die latente Aggression in den sozialen Verhältnissen agiert der Roman in surrealer Übersteigerung aus. Angst, Wut und der allgegenwärtige Druck der Macht entladen sich in bösartigen Reflexen und raubtierhaften Imponiergebärden. Der Alltag gehört dem Hooligan. Als es im Lebensmittelladen unerwartet Bananen gibt, kommt es zu einem Massenauflauf mit pogromartigen Szenen.
"Der weiße König" ist ein rüder Roman, der aber zugleich auf jeder Seite eine außerordentliche Sensibilität für Nuancen beweist. Einmal scheint sich eine kontrastierende Idylle anzudeuten: eine zarte, frühpubertäre Liebe mit der kleinen Iza. Aber diese Leseerwartung wird gleich doppelt unterlaufen. In solchen Momenten, in denen die Figur Dszátá nicht nur kindlicher Beobachter und Medium des Erleidens ist, sondern selbst Antriebe und Interessen verfolgt, ist sein Handeln sogleich auch schon imprägniert von der großen Niedertracht. Umstandslos wird aus ihm ein kleiner Vergewaltiger. Zugleich erzählen Izas Beine voller blauer Flecken, die Dzsátá schon gar nicht mehr zu irritieren vermögen, eine weitere Geschichte von Misshandlung und Gewalt.
Ähnlich funktioniert das Kapitel über Dzsátás zwölften Geburtstag. Die Mutter hat ihm seinen Lieblingskuchen gebacken, einen "Kastanientunnel". Plötzlich steht ein sechsjähriger Hausierer mit Kleiderbügeln vor der Tür. Der Junge will ihn mit harschen Worten fortschicken, aber die Mutter bittet das ausgemergelte Bürschchen herein. Und bietet ihm zu Dzsátás Schrecken vom Kastanientunnel an. Ein Wettessen beginnt: Der Kleine schlingt den Kuchen mit Heißhunger hinunter, Dzsátá hält mit und stopft sich bis zur Übelkeit den Magen voll, weil er dem anderen jeden Bissen missgönnt. Gezielt das Mitleid des Lesers austreibend, mischen sich irritierende, abstoßende Züge ins Bild der Hauptfigur.
Phantasmagorisch entwickelt sich der Bittbesuch mit der Mutter beim "Genossen Botschafter", der in seiner weitläufigen Wohnung ein wahres inneres Afrika beherbergt, eine im Amt zusammengeraffte Riesensammlung von Großwildtrophäen, Waffen und Kultgegenständen - archaischer Exotismus der Macht. Während der Junge in einem entfernten Zimmer mit einem Schachautomaten spielt, der wie ein lebensechter "alter Neger" wirkt, und ihm den weißen König entwendet (fortan wird er sein Talisman sein), dringen die Schreie und das Gelächter der vom Botschafter sadistisch belästigten Mutter herüber. Es ist, bei aller Eigenständigkeit, ein Kapitel wie von Kafka, faszinierend, unheimlich und zugleich von grotesker Komik. Überboten wird es vielleicht noch vom Abschnitt "Goldrausch", einer Totenfeier auf einen verstorbenen Fuselsäufer, wie man sie noch nicht gelesen hat.
Die achtzehn Kapitel bilden einen Zyklus von in sich abgeschlossenen Erzählungen, immer ganz auf ein einzelnes Geschehen konzentriert, der bedrängenden, beklemmenden Macht des Gegenwärtigen ausgeliefert. Diese Technik entspricht dem erlebniszentrierten Bewusstsein eines Elfjährigen, auch wenn die sprachlichen Mittel diesen Horizont weit übersteigen. Dragománs Sätze schwingen weit aus, es sind Geflechte des Verhängniszusammenhangs, atemlose und gleichzeitig kunstvoll organisierte Perioden, die über Seiten gehen und trotzdem kein überflüssiges Wort enthalten - Sätze, die den Leser fest in den Griff nehmen, weil sie gesättigt sind mit Anschaulichkeit. Dank der gelungenen Übersetzung von Laszlo Kornitzer hat man das Gefühl, ein Original zu lesen.
Es könnte allerdings sein, dass hierzulande nicht allzu viele Leser daran interessiert sind, literarische Ceausescu-Bewältigung zu treiben. Deshalb sei gesagt: "Der weiße König" ist große, intensive Literatur, aus dem zeithistorischen Mutterboden weit hinausgewachsen, in der Atmosphäre nahe bei manchen Filmen von Stanley Kubrick oder David Lynch. Auch an Ian McEwans legendären Pubertätsroman "Der Zementgarten" ist zu denken. Dragomán hat den britischen Autor übrigens selbst ins Ungarische übersetzt.
Im Kapitel "Abmachung" besucht Dzsátá "Spitzhacke" in dessen Bauwagen, der zur Überraschung des Jungen einen ganzen Vogelzoo beherbergt. Gemeinsam lauschen die beiden einem überirdischen Konzert der Vögel, und "Spitzhackes" Kommentar dazu liest sich wie die Poetik zu diesem Roman: "Er deutete auf die Käfige und Verschläge und sagte flüsternd, . . . was wir als schöne und herzerwärmende Musik wahrnehmen, sei in Wirklichkeit nur Geschrei, ein Fluchen und Drohen, denn in Wirklichkeit würden die Singvögel einander hassen, so schlimm, wie man es gar nicht für möglich hielt . . ., doch einstweilen könnten wir wenigstens ihren Zorn genießen, denn für unsere Ohren sei es nun mal Gesang, ein wunderschöner Gesang."
Ebenso liest sich "Der weiße König" - ein Buch voller Hass und Streitsucht, Fluchen und Drohen, und doch eine betörende Sprachmusik, ein Gesang, dem man gebannt zuhört.
- György Dragomán: "Der weiße König". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Laszlo Kornitzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 295 S., geb., 19,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein grandioser Hassgesang, dessen verstörender Schönheit man sich nicht entziehen kann: György Dragománs Roman "Der weiße König" erzählt von den Schrecken einer rumänischen Kindheit unter dem Diktat Ceausescus.
Von Wolfgang Schneider
Donaukanal" - ein Schreckenswort, das Deportation, Zwangsarbeit, Tod bedeutete, damals, im Rumänien der späten Ära Ceausescu. Donaukanal - das ist auch das unheimliche Wort, das dem elfjährigen Dszátá bleibt, wenn er an den Vater denkt. Eines Tages kamen Männer der Sekuritate und nahmen ihn mit auf eine Fahrt ohne Wiederkehr. Der Wissenschaftler hatte eine regimekritische Petition unterschrieben.
Danach wurde die ganze Familie in Sippenhaft genommen. Die Mutter hat ihre Arbeit als Lehrerin verloren, und auch der Großvater, der "Genosse Parteisekretär", ein altgedienter Überzeugungstäter, wurde in vorzeitige Pension geschickt. Das Letzte, was der Vater zu Dzsátá noch sagen konnte: Der Junge solle nun der Mann im Haus sein, solange er fort sei. Der Elfjährige kommt diesem Auftrag, der ihn überfordern muss, mit rührendem Eifer nach und hält in elementarer Solidarität zur Mutter, die von den Großeltern angefeindet wird: Die "jüdische Hure" habe ihren Mann zur Unterschrift getrieben; sie wolle nicht begreifen, "in was für einer guten Welt wir lebten, und meinen Vater habe sie auch verrückt gemacht . . ." Ein Tonfall, der aufhorchen lässt.
György Dragomán wurde 1973 als Angehöriger der ungarischen Minderheit in der "guten Welt" geboren - im rumänischen Siebenbürgen. So prägte gerade das letzte, schlimmste Jahrzehnt der Ceausescu-Diktatur die jungen Jahre des Autors. In seinem Roman "Der weiße König", einer großartigen Entdeckung, gibt er die Schrecken wieder, die er in der rumänischen Pubertät aufgesogen hat.
Wer Gefühle zeigt, macht sich sofort angreifbar in dieser unerbittlichen Welt. Der traumatische Verlust des Vaters ist Dzsátás Wunde; dort wird ihm das Salz von Hohn und Spott hineingestreut. Als er zwei Arbeitern, die womöglich am Donaukanal gewesen sind, ein kleines Bild des Vermissten zeigt und mit bangender, zitternder Stimme fragt, ob sie vielleicht etwas über ihn wüssten, spielen die Männer eine Verwechslungskomödie mit Dzsátá. Sie geben einen grässlich pockennarbigen Kollegen namens "Spitzhacke" für den Vater aus. Ein Taumel des Glücks und der Scham ergreift den verwirrten Jungen - so dass er am Ende für einen Moment wirklich den von Schwarzpocken entstellten Vater in "Spitzhacke" zu erkennen meint. Eine ergreifende Szene, flankiert vom bösen Gelächter der Umstehenden. Dann dürfen sich die Kinder beim Aufbau des Vaterlandes bewähren und einen Abwasserkanal graben - es ist ein "Donaukanal" im Kleinen, eine Spiegelung des Vater-Schicksals.
Aber die Kinder selbst sind alles andere als harmlose Opfer. Ihre eigenen Spiele sind entstellt von Brutalität. Die Rivalitäten der Jungensbanden entarten zu wahren Kriegszügen, bei denen Messer zum Einsatz kommen, Plastiktüten mit Ziegelsteinen als Schleudergeschosse dienen und halbe Weizenfelder abgefackelt werden. Immer wieder gewärtigt Dzsátá den panischen Moment, in dem das wirkliche Töten beginnt. Die Eltern greifen ihrerseits zu drakonischen Strafen - und schauen doch mit dem geheimen Lächeln des Stolzes auf den schlagkräftigen Nachwuchs.
Die martialisch aufgerüstete Umgangssprache, die umstandslos zur Morddrohung übergeht, lässt den Leser an die Rituale des Hip-Hop denken, wo Gewalt und Vernichtungswillen ähnlich zelebriert werden. Nur dass in Dragománs Welt auch die Väter und Lehrer krass zurückrappen. Einer droht seinem Sohn an, er werde ihm "die Haut vom Leib ziehen". Der Sportlehrer verheißt den Spielern der Schulmannschaft "Roter Hammer", er werde jedem von ihnen "die Knöchel mit der Eisenstange zertrümmern", wenn sie beim Turnier nicht gewinnen. Und in den Tagen nach der Katastrophe von Tschernobyl lässt der Lehrer die Kinder ungerührt auf dem radioaktiv verseuchten Rasen trainieren. Und auch der Geographielehrer trägt seinen Spitznamen "Eisenfaust" nicht zu Unrecht.
Die latente Aggression in den sozialen Verhältnissen agiert der Roman in surrealer Übersteigerung aus. Angst, Wut und der allgegenwärtige Druck der Macht entladen sich in bösartigen Reflexen und raubtierhaften Imponiergebärden. Der Alltag gehört dem Hooligan. Als es im Lebensmittelladen unerwartet Bananen gibt, kommt es zu einem Massenauflauf mit pogromartigen Szenen.
"Der weiße König" ist ein rüder Roman, der aber zugleich auf jeder Seite eine außerordentliche Sensibilität für Nuancen beweist. Einmal scheint sich eine kontrastierende Idylle anzudeuten: eine zarte, frühpubertäre Liebe mit der kleinen Iza. Aber diese Leseerwartung wird gleich doppelt unterlaufen. In solchen Momenten, in denen die Figur Dszátá nicht nur kindlicher Beobachter und Medium des Erleidens ist, sondern selbst Antriebe und Interessen verfolgt, ist sein Handeln sogleich auch schon imprägniert von der großen Niedertracht. Umstandslos wird aus ihm ein kleiner Vergewaltiger. Zugleich erzählen Izas Beine voller blauer Flecken, die Dzsátá schon gar nicht mehr zu irritieren vermögen, eine weitere Geschichte von Misshandlung und Gewalt.
Ähnlich funktioniert das Kapitel über Dzsátás zwölften Geburtstag. Die Mutter hat ihm seinen Lieblingskuchen gebacken, einen "Kastanientunnel". Plötzlich steht ein sechsjähriger Hausierer mit Kleiderbügeln vor der Tür. Der Junge will ihn mit harschen Worten fortschicken, aber die Mutter bittet das ausgemergelte Bürschchen herein. Und bietet ihm zu Dzsátás Schrecken vom Kastanientunnel an. Ein Wettessen beginnt: Der Kleine schlingt den Kuchen mit Heißhunger hinunter, Dzsátá hält mit und stopft sich bis zur Übelkeit den Magen voll, weil er dem anderen jeden Bissen missgönnt. Gezielt das Mitleid des Lesers austreibend, mischen sich irritierende, abstoßende Züge ins Bild der Hauptfigur.
Phantasmagorisch entwickelt sich der Bittbesuch mit der Mutter beim "Genossen Botschafter", der in seiner weitläufigen Wohnung ein wahres inneres Afrika beherbergt, eine im Amt zusammengeraffte Riesensammlung von Großwildtrophäen, Waffen und Kultgegenständen - archaischer Exotismus der Macht. Während der Junge in einem entfernten Zimmer mit einem Schachautomaten spielt, der wie ein lebensechter "alter Neger" wirkt, und ihm den weißen König entwendet (fortan wird er sein Talisman sein), dringen die Schreie und das Gelächter der vom Botschafter sadistisch belästigten Mutter herüber. Es ist, bei aller Eigenständigkeit, ein Kapitel wie von Kafka, faszinierend, unheimlich und zugleich von grotesker Komik. Überboten wird es vielleicht noch vom Abschnitt "Goldrausch", einer Totenfeier auf einen verstorbenen Fuselsäufer, wie man sie noch nicht gelesen hat.
Die achtzehn Kapitel bilden einen Zyklus von in sich abgeschlossenen Erzählungen, immer ganz auf ein einzelnes Geschehen konzentriert, der bedrängenden, beklemmenden Macht des Gegenwärtigen ausgeliefert. Diese Technik entspricht dem erlebniszentrierten Bewusstsein eines Elfjährigen, auch wenn die sprachlichen Mittel diesen Horizont weit übersteigen. Dragománs Sätze schwingen weit aus, es sind Geflechte des Verhängniszusammenhangs, atemlose und gleichzeitig kunstvoll organisierte Perioden, die über Seiten gehen und trotzdem kein überflüssiges Wort enthalten - Sätze, die den Leser fest in den Griff nehmen, weil sie gesättigt sind mit Anschaulichkeit. Dank der gelungenen Übersetzung von Laszlo Kornitzer hat man das Gefühl, ein Original zu lesen.
Es könnte allerdings sein, dass hierzulande nicht allzu viele Leser daran interessiert sind, literarische Ceausescu-Bewältigung zu treiben. Deshalb sei gesagt: "Der weiße König" ist große, intensive Literatur, aus dem zeithistorischen Mutterboden weit hinausgewachsen, in der Atmosphäre nahe bei manchen Filmen von Stanley Kubrick oder David Lynch. Auch an Ian McEwans legendären Pubertätsroman "Der Zementgarten" ist zu denken. Dragomán hat den britischen Autor übrigens selbst ins Ungarische übersetzt.
Im Kapitel "Abmachung" besucht Dzsátá "Spitzhacke" in dessen Bauwagen, der zur Überraschung des Jungen einen ganzen Vogelzoo beherbergt. Gemeinsam lauschen die beiden einem überirdischen Konzert der Vögel, und "Spitzhackes" Kommentar dazu liest sich wie die Poetik zu diesem Roman: "Er deutete auf die Käfige und Verschläge und sagte flüsternd, . . . was wir als schöne und herzerwärmende Musik wahrnehmen, sei in Wirklichkeit nur Geschrei, ein Fluchen und Drohen, denn in Wirklichkeit würden die Singvögel einander hassen, so schlimm, wie man es gar nicht für möglich hielt . . ., doch einstweilen könnten wir wenigstens ihren Zorn genießen, denn für unsere Ohren sei es nun mal Gesang, ein wunderschöner Gesang."
Ebenso liest sich "Der weiße König" - ein Buch voller Hass und Streitsucht, Fluchen und Drohen, und doch eine betörende Sprachmusik, ein Gesang, dem man gebannt zuhört.
- György Dragomán: "Der weiße König". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Laszlo Kornitzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 295 S., geb., 19,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Andreas Breitenstein feiert György Dragomans Roman "Der weiße König" als herausragendes Meisterwerk und ist gleichzeitig offenkundig zutiefst erschüttert von den Erlebnissen, die der 11-jährige Held Dzsata in locker aneinander gefügten Episoden schildert. Das Buch spielt in der rumänischen Provinz im Jahr 1986 und der Vater des Ich-Erzählers ist von der Securitate abgeholt und in ein Arbeitslager gesteckt worden. In unerhört dichter Sprache und mit genauem Blick wird die düstere Wirklichkeit in Ceausescus Rumänien mit ihren alltäglichen Grausamkeiten und "Gemeinheiten", die man nicht zuletzt den Kindern angedeihen ließ, geschildert und bilden ein Szenario, das in seiner feinen Überzeichnung einem Bruno Schulz gleichkommt, konstatiert der Rezensent beeindruckt. Auch wenn die Sprache das kindliche Vermögen eines Elfjährigen deutlich übersteige, zeigten die langen, komplexen Sätze bei allen Schrecknissen der Schilderungen auch eine "Anmut", die so etwas wie Hoffnung vermittelten, preist Breitenstein, der hier auch den Übersetzer Laszlo Kornitzer mit Lob bedenkt. Nicht zuletzt in Zeiten, in denen die Verbrechen der kommunistischen Regimes von nicht wenigen als "lässlich" empfunden werden, sind Bücher wie dieses meisterhafte Debüt des 1973 im rumänischen Siebenbürgen geborenen Autors wichtig, betont der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH