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Booker Prize 2008
"Klug, provozierend, atemberaubend: ein grandioses Romandebüt über globalisierte Menschen in Indien, der größten Demokratie der Welt." >BR Balram Halwai ist ein ungewöhnlicher Ich-Erzähler: Diener, Philosoph, Unternehmer, Mörder. Im Verlauf von sieben Nächten und in der Form eines Briefes an den chinesischen Ministerpräsidenten erzählt er uns die schreckliche und zugleich faszinierende Geschichte seines Erfolges - der ihm keineswegs in die Wiege gelegt war. Balram - der "weiße Tiger" - kommt aus einem Dorf im Herzen Indiens. Seine düsteren…mehr

Produktbeschreibung
Booker Prize 2008

"Klug, provozierend, atemberaubend: ein grandioses Romandebüt über globalisierte Menschen in Indien, der größten Demokratie der Welt." >BR<
Fiona Ehlers, Kultur Spiegel

Balram Halwai ist ein ungewöhnlicher Ich-Erzähler: Diener, Philosoph, Unternehmer, Mörder. Im Verlauf von sieben Nächten und in der Form eines Briefes an den chinesischen Ministerpräsidenten erzählt er uns die schreckliche und zugleich faszinierende Geschichte seines Erfolges - der ihm keineswegs in die Wiege gelegt war. Balram - der "weiße Tiger" - kommt aus einem Dorf im Herzen Indiens. Seine düsteren Zukunftsaussichten hellen sich auf, als er, der klügste Junge im Dorf, als Fahrer für den reichsten Mann am Ort engagiert wird und mit ihm nach Delhi kommt. Hinter dem Steuer eines Honda City entdeckt Balram - und wir mit ihm - eine neue Welt. Balram sieht, wie seinesgleichen, die Diener, aber auch ihre reichen Herren mit ihrer Jagd nach Alkohol, Geld, Mädchen und Macht den Großen Hühnerkäfig der indischen Gesellschaft in Gang halten. Durch Balrams Augen sehen wir das Indien der Kakerlaken und Call Center, der Prostituierten und Gläubigen, der alten Traditionen und der Internetcafés, der Wasserbüffel und des mysteriösen "weißen Tigers".
Mit seinem ebenso unwiderstehlichen wie unerwarteten Charisma erzählt uns Balram von seiner Flucht aus dem Hühnerkäfig, dem Sklavendasein - eine Flucht, die ohne Blutvergießen nicht möglich ist.

Eine Geschichte voller sprühendem Witz, Spannung und fragwürdiger Moral, erzählt in einem unnachahmlichen und fesselnden Ton. Keine Saris, keine exotischen Düfte und Gewürze, keine Tabla-Musik und Maharadschas - dies ist das Indien von heute. Und mehr als das. In seiner Kritik am Sklavendasein ist es ein Angriff der dritten auf die erste Welt. Amoralisch und respektlos, anrührend und absolut zeitnah.
Autorenporträt
Ingo Herzke lebt als Literaturübersetzer in Hamburg. Studium der klassischen Philologie, Anglistik und Geschichte in Göttingen und Glasgow.

Aravind Adiga, geb. 1974 in Madras, wuchs zeitweise in Sydney, Australien, auf, studierte Englische Literatur an der Columbia University und am Magdalen College in Oxford. Er arbeitete als Korrespondent für die Zeitschrift Time und für die Financial Times. Er lebt in Mumbai, Indien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2008

Sharukh Khan tanzt hier nicht mehr

Die zwei Körper Indiens: Aravind Adigas großartiges Debüt "Der weiße Tiger" zeigt den unwahrscheinlichen Aufstieg eines Dieners zum Unternehmer - und den Preis, den er dafür zahlt.

Von Oliver Jungen

Wie kam die Dichtung in die Welt? Nicht als Göttergeschenk. Weise Männer haben sie erdacht - "aus Mitleid mit den Armen". Eine Waffe also, die es dem Ärmsten erlaubt, "den zehntausend Jahre alten Kampf der Köpfe zu seinen eigenen Bedingungen günstig zu beenden". Zu dieser romantischen Eloge schwingt sich Balram, der höchst gescheite, polizeilich gesuchte Held, gegen Ende von Aravind Adigas fulminantem Roman "Der weiße Tiger" auf. Er gehörte lange selbst zu jenen Armen, und das in einem Land, wo es als himmlische Prädisposition gilt, arm oder reich zu sein. Doch Waffen richten sich schnell auf den Schützen.

Die indische Gesellschaft mit ihrem kaum durchschaubaren Kastensystem fasziniert vielleicht auch deshalb viele Europäer, weil sie uns an die eigene Vormoderne erinnert. Giordano Bruno, nur zum Beispiel, bildet in "Über die Ursache, das Prinzip und das Eine" von 1584 diese Schichtendifferenzierung ab, wenn Elitropio, Brunos Stellvertreter, fragt: "Was verschlägt es jenen, dass sie geistlos und mit Werthlosem beschäftigt sind, wenn sie um so glücklicher sind?" Solange die Ungebildeten ihr Unglück nicht erkennen, scheint alles in Ordnung: "So wohl ist der Sau bei Eicheln und Trank, wie einem Zeus bei Ambrosia und Nektar." Aber dann stellt Elitropio die bange, vorausweisende Frage: "Wollt ihr jene vielleicht aus ihrem süßen Wahne reißen, dass sie euch nachher für eure Bemühung den Hals brechen müssten?" Dialektik der Aufklärung.

Adigas Roman stellt diese Frage erneut. Den Hintergrund bildet die inzwischen in soziale Aporien führende Kollision des Kastenwesens mit der profanen Binäropposition des Raubtierkapitalismus: Fressen und Gefressenwerden. Über die ästhetisch bereitliegende Form der Rollenanmaßung, den Schelmenroman, geht "Der weiße Tiger" hinaus. Soviel hier an "Felix Krull" gemahnt: ein Diener aus der Kaste der Zuckerbäcker steigt unter Opferung von Karma und Familie zum Unternehmer auf - dieser Roman zielt auf die Gesellschaft, ist insofern eher an Ralph Ellisons "Der unsichtbare Mann" orientiert.

Adiga ist ein großartiger Erzähler, der bei aller Detailfreude nie die Gesamtkomposition aus den Augen verliert. Obwohl gebürtiger Inder, ist Adigas Blick auf Indien, über das man hier viel lernen kann, ein distanzierter, beinahe ethnologischer: Der Autor studierte in Oxford und arbeitet als Journalist unter anderem für das "Time Magazine". Höchst souverän scheint schon die Erzählsituation: Der gesamte in Ich-Perspektive verfasste Roman, unterteilt in sieben Tagewerke, ist - als stolzes Geständnis im lakonischen Ton - an den chinesischen Premierminister Wen Jiabao adressiert. Einen Erzähler wie Balram Halwai aus dem Dorf Laxmangarh hat man noch nicht gesehen: Sympathie und Antipathie verdient er gleichermaßen, er betrügt nicht nur seinen Herrn, sondern auch sich selbst, seine Familie, den Leser und den chinesischen Premier - und ist dabei doch auch wieder grundehrlich. Stets wirken seine Handlungen unterwürfiger, als die erzählerische Haltung suggeriert, bis sich das Verhältnis genau umkehrt.

"Halb gar" fühlt sich dieser Balram, weil er kaum Schulbildung genossen hat. Der Grund war nicht mangelnde Eignung, im Gegenteil: "Weißer Tiger" nannte ihn, den klügsten Jungen im Dorf, einst ein Schulinspektor - nach dem seltensten Tier im Dschungel. Es nutzte ihm wenig. Zum ersten Mal rebelliert Balram nun gegen das Schicksal, lehnt sich auf gegen seine angeborene Teehaustätigkeit. Zum Fahrer will er ausgebildet werden, was ihm gelingt. Von einem der reichsten Männer des Ortes als Diener engagiert, begleitet er schließlich dessen Sohn Ashok als Fahrer nach Delhi, nachdem er sich im Machtkampf innerhalb der Dienerschaft durchgesetzt hat. Sein ganzer Ehrgeiz ist darauf gerichtet, den etwas unbeholfenen "Mr Ashok", dessen launische Frau "Pinky Madam" sowie Ashoks gerissenen Bruder "Mukesh Sir" auszuspionieren und zugleich als guter, einfältiger Diener zu erscheinen. Alle Erniedrigungen lässt er über sich ergehen. Als Pinky Madam betrunken ein Kind überfährt, wird erwartet, dass Balram die Verantwortung übernimmt: Nur ein Zufall rettet ihn.

Zu den stärksten Szenen des Romans gehören jene über den Tod der Eltern. Der Vater stirbt auf einem Krankenhausflur an Tuberkulose, ohne dass sich ein Arzt sehen lässt. Am Ufer des Ganges wohnt Balram der Verbrennung der Mutter bei, ohne dass er dem Ritus etwas abzugewinnen vermag: "Hier wurde nichts befreit." Ein Fuß zuckte aus den Flammen. Die Großmutter schob ihn zurück, doch er weigerte sich zu brennen, als würde er dem "schwarzen Schlamm" des Todes, der zu einem "mächtigen, schleimigen Hügel" am Flussufer angewachsen war, zu entkommen suchen.

Der eher gemütliche Plauderton vom Anfang des Romans weicht allmählich einer Steigerung von Intensität und Tempo: Es staut sich etwas an, ein Unmut, eine Wut, ein lauter werdendes Grummeln unter der Oberfläche, das aufzubrechen, sich zum Beben zu weiten droht. Mit Mr Ashok, der ihn gleichwohl nicht als "echten Menschen" sieht, verbindet Balram - den idealen Diener - derweil eine besondere, intensive Beziehung: "Im geschlossenen Raum des Wagens waren mein Herr und ich irgendwie zu einem Körper verschmolzen." Balram rebelliert gegen seine eigene Untertanenmentalität. "Mr Jiabao. Sir. Wenn Sie zu uns kommen, wird man Ihnen erzählen, wir Inder hätten alles erfunden, vom Internet über hartgekochte Eier bis hin zur bemannten Raumfahrt, nur hätten die Briten uns alle Ideen geklaut. Quatsch. Das Größte, was dieses Land in seiner zehntausendjährigen Geschichte hervorgebracht hat, ist der Hühnerkäfig." Der Hühnerkäfig, ein auf indischen Märkten omnipräsentes Drahtgebilde voller paralysierter Tiere, wird zur großen Metapher für das auf Duldsamkeit errichtete, sich heute als Demokratie tarnende System, aus dem es auszubrechen gilt - und sei es auf die chinesische Art.

Der die Flammen zurückweisende Fuß kehrt als Vision wieder: Im Lotossitz macht Balram eine Konversion durch, taumelt durch den Untergrund dieser absurden Stadt, begegnet einem Büffel, der einen Wagen voller Büffelköpfe zieht, trifft einen Buchverkäufer, der ihm die Bedeutung der Dichtung offenbart. Der Erwachte scheut das Pathos von Anrufungen nicht: "Erzähl mir vom Bürgerkrieg, sagte ich zu Delhi. Das will ich, antwortete sie." "Erzähl mir vom Blut auf den Straßen."

Es wird Balram, mit Bruno gesprochen, plötzlich klar, dass es keinen anderen Weg gibt, als seinem Herrn den Hals zu brechen. Doch dann verpufft der revolutionäre Impetus. Adiga gibt seinen Helden, gibt die Hoffnung endgültig verloren, opfert beides für sein Fazit. Denn nun steht da ein überheblicher ("Ich sehe nämlich immer schon ,Morgen', wenn andere noch im ,Heute' sind"), ein größenwahnsinniger ("In zwanzig Jahren gibt es bloß noch Gelbe und Braune", durch Sodomie und Handystrahlen sterbe der Westen aus), ein reueloser ("So werde ich doch nie sagen, dass ich in jener Nacht einen Fehler gemacht habe, als ich meinem Herrn die Kehle durchschnitt") Aufsteiger, der selbst das Problem darstellt, gegen welches dieses packende Debüt, die Inversion eines Sozialromans, mit Verve anschreibt.

- Aravind Adiga: "Der weiße Tiger". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Ingo Herzke. C. H. Beck Verlag, München 2008. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als ”Mordsgeschichte”, ”finstere Satire” und ”Umkehrung eines Bildungsromans” hat Rezensentin Susanne Mayer diesen Booker-preisgekrönten Debütroman gelesen, der ihren Informationen zufolge die Geschichte eines Dorfjungen aus ärmsten Verhältnissen erzählt, der sich in der Stadt eine Existenz aufbaut: ein Weg aus der Unschuld in die Amoralität, wie die Rezensentin schreibt, und zwar so ”unverschämt, finster” wie ”schreiend komisch”. Die Geschichte werde in sieben E-Mails erzählt, die der Protagonist an den chinesischen Premierminister schreibt und in denen die Rezensentin eine ”ausufernde Lebensgeschichte” sich entfalten sieht. Auch ließt sie, gelegentlich mit schaudernder Faszination, die komischen, manchmal quälenden Szenen, die Aravind Adiga seinen Protagonisten aus der ”Froschperspektive des Dieners” aus der Welt der Herrschenden beschreiben lässt, dessen Underdog-Sein ihn schließlich seinen Herren ermorden lässt: für die Rezensentin wohl auch eine Parabel auf das Verhältnis der Dritten Welt zur Ersten.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Klug, provozierend, atemberaubend: ein grandioses Romandebüt."
Kultur SPIEGEL, Fiona Ehlers

"...ein großartiger Erzähler."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Oliver Jungen

"Global brutal: Der Roman Der weiße Tiger ist das hinreißend böse Porträt eines indischen Aufsteigers."
Die WELT, Wieland Freund

"Aravind Adiga spielt auf einer Klaviatur, die vom Slapstick über die harsche Sozialreportage bis zu Hegels Philosophie reicht."
Die ZEIT, Susanne Mayer

"So simpel dieses Buch konstruiert ist, so mitreißend schildert der Simplicissimus Balram den Witz und Wahnwitz einer geldgeil durchgeknallten Welt, und das ist Botschaft, Kunst und aktuelle Wahrheit zugleich."
Der SPIEGEL, Wolfgang Höbel

"Dieser Roman ist ein Bastard, Satire und Schelmenroman, Gebrauchsanweisung für Indien (...)."
Süddeutsche Zeitung, Alex Rühle

"Der Roman zehrt nicht zuletzt von den krassen Gegensätzen,die er freimütig umkreist: Herren und Diener, Weiße und Braune, Reiche und Arme, Westen und Osten, New Delhi und Old Delhi, Macht und Ohnmacht, Licht und Finsternis."
die tageszeitung, Shirin Sojitrawalla

"Aravind Adiga nimmt den Leser mit auf eine unglaubliche Reise ins stinkende, schillernde und pochende Herz Indiens."
Stern, Tanja Beuthien

"Wer nach Indien reist, muss das Buch im Koffer haben."
BRIGITTE, Anke-Maren Koester