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6 Kundenbewertungen

Endlich neue Geschichten von Elke Heidenreich: anrührend, bewegend und oftmals umwerfend komisch. Lebens- und Liebesgeschichten aus unserer, über unsere Zeit. "Aber Boris Becker, dieser rothaarige Junge mit den hellen Augen und den hellen Wimpern, der irgendwann plötzlich im Tennis aufgetaucht war, ein pummeliges Kerlchen, linkisch und scheinbar nicht besonders helle und auch nicht das klassische Reiche-Leute-Tenniskind in weißen Söckchen, dieser Boris Becker hatte uns im Laufe der Jahre alle fasziniert. Wir waren dabei gewesen, als er ein Sieger, ein Mann wurde, attraktiv, selbstbewusst,…mehr

Produktbeschreibung
Endlich neue Geschichten von Elke Heidenreich: anrührend, bewegend und oftmals umwerfend komisch. Lebens- und Liebesgeschichten aus unserer, über unsere Zeit. "Aber Boris Becker, dieser rothaarige Junge mit den hellen Augen und den hellen Wimpern, der irgendwann plötzlich im Tennis aufgetaucht war, ein pummeliges Kerlchen, linkisch und scheinbar nicht besonders helle und auch nicht das klassische Reiche-Leute-Tenniskind in weißen Söckchen, dieser Boris Becker hatte uns im Laufe der Jahre alle fasziniert. Wir waren dabei gewesen, als er ein Sieger, ein Mann wurde, attraktiv, selbstbewusst, elegant und souverän. Wir haben triumphiert, als ausgerechnet er, der Blondeste der Teutonen, eine farbige Frau heiratete. Wir liebten seinen Jubel, und wir litten mit ihm, wenn er den Schläger verzweifelt auf den Rasen schmiss und 'Scheiße!' schrie, und weil er ins Internet ging, gingen wir auch rein."
Autorenporträt
Elke Heidenreich arbeitete zunächst viele Jahre bei Hörfunk und Fernsehen als Autorin und Moderatorin. Deutschlandweit bekannt wurde sie als Kabarettistin durch die Verkörperung der «Else Stratmann» - und durch ihre Kolumnen in der «Brigitte». 1992 erschien mit dem Erzählungsband «Kolonien der Liebe» ihr literarisches Debüt: ein Bestseller, dem viele weitere folgten, zuletzt «Alles kein Zufall» (2016). Von 2003 bis 2008 moderierte sie die ZDF-Literatursendung «Lesen!». Von 2009 an gab sie die «Edition Elke Heidenreich» heraus, bis sie 2012 Mitglied der Kritikerrunde im «Literaturclub» des Schweizer Fernsehsenders SRF wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2001

Wurst und Wehmut
Darfs ein bisschen schwerer sein?
Elke Heidenreichs dürre Prosa
Stellen wir uns ihre Stimme dazu vor, dieses sympathisch nölige Reibeisen-Organ, das jede Talkrunde aufmischt. Vergegenwärtigen wir uns ferner die seltsame Magie, die zwischen der Welt des Fernsehens und dem Universum der Literatur wirkt und webt: Kaum einer, der in dem Medium seine Nase herzeigt, kann dem Drang widerstehen, sich schwarz auf weiß zu verewigen. Umgekehrt wirkt nichts so anregend auf das öffentliche Leseverhalten wie die Bildschirmnotorität eines Buchautors. Wenn zu der Nase auch noch eine vertraute Stimme gehört, dürfte es egal sein, was im Buch steht: es wird viele Menschen glücklich machen. Dies alles vor dem inneren Auge und Ohr, kehren wir „Der Welt den Rücken” und vertiefen uns in den gleichnamigen Erzählband von Elke Heidenreich. Und wenden der Welt bald wieder die Frontseite zu, ein Fragezeichen hinter der Stirn: War das nötig?
Jetzt nicht ungerecht sein – zumindest eine der sieben Geschichten hätte sich in anderem Rahmen, etwa in einer Achtundsechziger-Anthologie, hübsch ausgenommen. „Der Tag, als Boris Becker ging”, das Porträt einer Gruppe von Freunden „irgendwo zwischen vierzig und fünfzig”, die nach dem Wimbledon- Abschied des Ex-Idols in ihrer als „Saurierbiotop” bestaunten Stammkneipe melancholisch in die Biere gucken, bringt den kunstlos menschelnden, unbekümmert eindimensionalen Erzählstil der Verfasserin auf charmante Weise zur Geltung. Dass „der Tod immer mit am Tisch sitzt” und der Weltuntergangsdichter Jakob van Hoddis gleich daneben, mutet zwar ein wenig prätentiös an, passt aber gerade noch ins Bild. Nur im letzten Absatz fällt Frau Heidenreichs weibliches Stellvertreter-Ich jenem pädagogisch motivierten Denkfleiß anheim, dessen Niederschlag ein gewissenhafter Lektor jeweils mit einem kleinen Totenkopf und zwei gekreuzten Knöchlein markieren sollte: „Ich bestellte mir noch ein Bier und einen Schnaps und dachte, was für ein Haufen Desperados wir doch waren. Wir warteten darauf, dass sich etwas veränderte, und ich glaube, dass die Veränderung auch schon oft still mitten unter uns gestanden hatte, und wir hatten sie einfach nicht bemerkt, und sie war weitergegangen.”
Vermutlich hat sie sich in den Fernsehsender zurückgezogen, dessen fünfzigster Geburtstag in einer anderen Erzählung gefeiert wird. Dort jedenfalls scheint die Zeit nicht spurlos am Personal vorübergegangen zu sein; die Typen, die der etwas tristen Festivität beiwohnen, tragen unübersehbare Abnutzungsmerkmale, will sagen: Sie sind nicht mehr ganz frisch. Das betrifft leider auch ihre Qualität als literarische Figuren, was um so mehr enttäuscht, als sie einem Milieu entliehen sind, in dem die Autorin sich auskennt. Doch Aufhänger für eine Mediensatire, die allenthalben aus dem Geplänkel ragen, werden nachlässig verschenkt, so etwa die schöne Beobachtung, dass Wörter wie „analog” und „digital” etwas Obszönes an sich haben.
Die übrigen Geschichten sind von einer Art, die Ironie nicht ganz so schmerzlich vermissen lässt, weil es um Liebe geht, beziehungsweise um die Frage: „Wie wird man allein alt und doch nicht allein?” Im Eingangsstück „Die schönsten Jahre” entdeckt eine reife Frau, die sich in eine ebensolche verliebt hat, nach dem Tod ihrer Mutter, dass die auch mal was mit einer Frau . .. Parbleu! In „Wurst und Liebe” erinnert sich die Heldin voller Wehmut an ihren Jugendschwarm, während sie einen Filmregisseur für sein erstes Drehbuch mit selbstverfassten Jungmädchengedichten verproviantiert. Er entlohnt sie mit einer Wurstschneidemaschine, was komisch wäre, hätte die Erzählerin uns ihr Resümee erspart: „...immer, wenn wir damit Schinken, Mortadella oder Salami schnitten, gab es einen leisen Schmerz in meiner Brust, als wäre es mein eigenes Herz, das da von dieser Wurstmaschine in hauchdünne Scheiben geschnitten würde.”
Sahne und Sehnsucht
Auf der „Silberhochzeit” von Ben und Alma wird keine Wurst gesäbelt, dafür eine Kartoffel-Möhren-Sahne-Suppe umgerührt, und nach dem Essen stellt sich heraus, dass einer der Gäste Aids hat, und alle sind traurig. Geweint wird auch in „Karl, Bob Dylan und ich”, aber vor Glück, weil während einer Bob-Dylan-Fernsehnacht, „nach zwanzig Jahren Umweg”, endlich offenbar wird, dass der gute Freund Karl die große Liebe ist. Bleibt noch die Studentin Franka, Anno 1962 neunzehn Jahre alt, genau wie Frau Heidenreich, und Jungfrau wider Willen. Die Titelstory „Der Welt den Rücken” handelt von Frankas Defloration durch einen gewissen Heinrich sowie von ihrem Wiedersehen mit Heinrich nach siebenundzwanzig Jahren. Der Titel bezieht sich darauf, dass das Paar (Achtung, Politik!) beim ersten Anlass vor lauter Vögelei die Kubakrise versäumt und beim zweiten den Fall der Mauer.
Das alles ist nett erzählt und würde diversen Zeitschriften gut anstehen. In Buchform jedoch ruft es, pardon, bisweilen jenen Ennui hervor, der den pensionierten Literaturredakteur Dr. Ernst Gauselmann in der Geschichte „Ein Sender hat Geburtstag” zu dem geknurrten Kommentar hinreißt: „Nicht Elend und Aussatz, die Banalität wird uns umbringen. ” Die Äußerung fällt beim Anblick der Festgäste Ulrich Wickert, Pastor Fliege und Tony Marshall. Wenigstens letzterer hat bislang kein Buch geschrieben. Das sei ihm hoch angerechnet.
KRISTINA MAIDT–ZINKE
ELKE HEIDENREICH: Der Welt den Rücken. Geschichten. Carl Hanser Verlag, München 2001, 192 Seiten, 32 Mark
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