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Ziel dieses Buches ist es, den Wert des Einzelnen zu verteidigen, aber viele der damit verbundenen Deutungen über Bord zu werfen. Mit Hilfe der analytischen Begriffsdifferenzierung normativ - deskriptiv und Holismus - Individualismus soll der Wert des Einzelnen in einer jeden Einzelnen prinzipiell berücksichtigenden Form erläutert und durch einige Anwendungsüberlegungen expliziert werden. Damit wird ein normativer Individualismus - universalistisch und egalitär verstanden - in Verbindung mit einem deskriptiven Holismus, der natürliche und kulturelle Begrenzungen und Konstitutionsbedingungen des Individuums herausarbeitet, für überzeugend gehalten. …mehr

Produktbeschreibung
Ziel dieses Buches ist es, den Wert des Einzelnen zu verteidigen, aber viele der damit verbundenen Deutungen über Bord zu werfen. Mit Hilfe der analytischen Begriffsdifferenzierung normativ - deskriptiv und Holismus - Individualismus soll der Wert des Einzelnen in einer jeden Einzelnen prinzipiell berücksichtigenden Form erläutert und durch einige Anwendungsüberlegungen expliziert werden. Damit wird ein normativer Individualismus - universalistisch und egalitär verstanden - in Verbindung mit einem deskriptiven Holismus, der natürliche und kulturelle Begrenzungen und Konstitutionsbedingungen des Individuums herausarbeitet, für überzeugend gehalten.
Autorenporträt
Heiner Hastedt lehrt Philosophie an der Universität Rostock. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen angewandte Ethik, Kulturphilosophie und Anthropologie. Seine bisher veröffentlichten Bücher beschäftigen sich unter anderem mit dem Verhältnis von Körper und Geist, der ethischen Einschätzung neuer Technologien und dem modernen Individualismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.1998

Wer nicht arbeitet, soll trotzdem essen
Aber erst wird der Ethikverträglichkeitsprüfungsfragenkatalog konsultiert: Heiner Hastedt lädt die Individuen zur Wertedebatte

Hastedts gut gegliedertes und gut lesbares Buch versucht eine Modernisierung der klassischen Subjektphilosophie, die Kant ausgebaut und Heidegger abgeschlossen hat. Beide zitiert Hastedt auch als Kronzeugen. Die Modernisierung besteht in der bewußten Entscheidung für eine normative und gegen eine beschreibende Betrachtungsweise. "Der Wert des Einzelnen" meint den empirischen Menschen in seiner Würde, als Norm, nicht als Tatsache. Mit der Entscheidung für die Normativität wird Kants Unterscheidung zwischen Erfahrungs- und Vernunftwesen entbehrlich.

Das ermöglicht es Hastedt, die Körperlichkeit und die natürlichen Bedingungen des Menschen als tatsächliche Grenzen ethischer Ansprüche zu beschreiben und zunächst darzustellen, wie sich der Mensch innerhalb dieser Grenzen richtig zu verhalten hat. So verschafft er der Ethik Zutritt zur sozialen Wirklichkeit und kann alle gängigen Gegenstände der öffentlichen Diskussion ethisch thematisieren, von der Erziehung über den Umweltschutz bis zur Abtreibung und zur Euthanasie, übrigens unter besonderer Berücksichtigung ostdeutscher Befindlichkeiten. Hastedt lehrt seit 1992 Philosophie an der Universität Rostock und leidet mit den Ostdeutschen. Er sieht aber, daß bei Systemwechseln die Betroffenen notwendig Orientierungsschwierigkeiten bekommen.

"Der Wert des Einzelnen" wird für mehrere Einzelne zur Gerechtigkeit, die ihrerseits auf soziale Gleichheit hinausläuft, weil die realen Einzelnen im wesentlichen gleich sind. Da der Einzelne der höchste Wert ist, haben Politik, Ökonomie, Technik und Wissenschaft der Gerechtigkeit zu dienen. Für die Technik legt Hastedt einen handfesten Ethikverträglichkeitsprüfungsfragenkatalog vor. An den tatsächlichen Grenzen der Ethik ist existentielle Reflexion gefordert. Dort kommt Heidegger zu verdienten Ehren. Hastedt betrachtet das "Sein zum Tode" aber mit wohltuender Nüchternheit als Anschlußproblem.

Leider kann man Hastedts persönlich-appellativen Argumentationsstil nicht als Geschmacksfrage ausklammern, weil er Probleme überspielt. So kritisiert der Autor den Rechtsegoismus, der bei der Durchsetzung eigener Interessen nicht nach Gerechtigkeit, sondern nur nach Chancen fragt. Daran ist richtig, daß man Rechtsansprüche - wie fast alles - ethisch betrachten kann. Aber die Spannung zwischen Recht und Ethik schafft man mit Ethik ebensowenig aus der Welt wie die Tatsache, daß Recht eine kühle Einschätzung des Prozeßrisikos verlangt und "ohne Ansehung der Person" gelten will.

Die beiden Grundprobleme der Subjektphilosophie: Wie wird der Einzelne geformt, und wie wird er verallgemeinert?, hat Hastedt nicht gelöst. Daß der Einzelne durch Bildung geformt wird, meint zwar auch Hegel. Nur hält Hastedt den Bildungsbegriff Hartmut von Hentigs - "Bilden ist sich bilden" - wegen dessen Konzentration auf das Individuum für unhintergehbar. Aber Hentigs Bildungsbegriff bezieht den Einzelnen allein auf sich selbst und kann ihm deshalb nicht zur Welt verhelfen. Hastedt fügt denn auch hinzu, ethische Orientierung bedürfe der Kenntnisse und Informationen. Und wie kommt der Einzelne an Kenntnisse und Informationen, wenn "Wissenschaft und Bildungsgüter für sich" nicht bilden können? Die richtige Antwort steht bei Hegel: Arbeit bildet. Hastedt dagegen strebt eine "grundsätzliche Trennung des Wertes jedes Einzelnen vom Arbeitsgedanken" an.

Das Verallgemeinerungsproblem verschärft sich bei ihm noch, weil er mit "dem Einzelnen" ausdrücklich nicht ein abstraktes Subjekt, sondern den, nein, alle real existierenden Menschen meint. Wie orientiere ich mich aber am "Wert des Einzelnen", wenn ich zwischen realen Einzelnen unterscheiden muß, zwischen Verführern und Verführten, Tätern und Opfern, Befreiern und Befreiten? Respektiere ich den Wert des Einzelnen, wenn ich dessen Schläge erwidere oder es die Strafjustiz für mich tun lasse?

Bestechend klar wieder Hegel: Mit der Strafe "wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt". Bei Hastedt gibt es keine Verbrecher, nur Gebildete, Egoisten und Schwache. Aber eine seiner Beispielsfragen deutet die Lösung an: "Finde ich mich mit der ungerechten Formel ,Rückgabe vor Entschädigung' ab, wenn ich schon lange in einem betroffenen Haus wohne, oder welche Mittel der inneren und äußeren Rebellion wähle ich?" Warum ist nur die Rebellion eine Alternative zum Sichabfinden und nicht der Rechtsweg oder die demokratische Mitwirkung? Weil Ungerechtigkeit ethisch gesehen eine tatsächliche Grenze, ein Anschlußproblem ist, wie Geburt, krumme Beine oder Tod. Deshalb wirft mich Ungerechtigkeit auf mich selbst zurück. Sie wird für mich zur Frage von Sein oder Nichtsein, zur Not, die kein Gebot mehr kennt, auch nicht den "Wert des Einzelnen". Denn wenn ich lange genug in einem betroffenen, als willkürlich weggenommenen Haus wohne, darf ich ethisch gesehen den Wert des einzelnen früheren Hausbesitzers vergessen. GERD ROELLECKE

Heiner Hastedt: "Der Wert des Einzelnen". Eine Verteidigung des Individualismus. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 248 S., geb., 48,- DM.

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