Die Herausgeber beschäftigen sich in diesem Buch mit einer emotionsgeladenen Diskussion, die mehr als vier Jahre gedauert hat. Ihr Anlass war der Wunsch der sog. Vereinigten Domstifter, im Naumburger Dom einen Retabelaufsatz auf den Hochaltar des Westchors zu stellen, der aus zwei von Lucas Cranach d. Ä. nach 1517 gemalten Altarflügeln und einer von dem Leipziger Maler Michael Triegel neu geschaffenen Mitteltafel bestehen sollte. Da der Dom zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, wurden die Herausgeber als zuständige Berichterstatter - leider viel zu spät - über das Projekt informiert. In mehreren Ortsterminen sahen sie in Übereinstimmung mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden, dem deutschen Nationalkomitee von ICOMOS und der UNESCO eine erhebliche Störung deseinzigartigen Westchors und lehnten das Retabel an diesem Ort ab. Darauf entfachte sich eine zunehmend sachfremde Polemik, die Manfred Schuller in seinem Aufsatz chronologisch aufführt und kritisch hinterfragt. Darüber hinaus hat sich Achim Hubel intensiv mit grundlegenden, bisher nicht gründlich genug behandelten Fragestellungen zum Westchor beschäftigt: mit der Zelebrationsrichtung, den liturgischen Abläufen, der ikonographischen und ikonologischen Bedeutung der Architektur, den integrierten Reliquien, der Funktion der Stifterfiguren und der Überlegung, ob auf dem Hochaltar jemals ein Retabel gestanden haben kann. Hubel versucht zu erklären, welche Anforderungen das Domkapitel an den Naumburger Meister stellte und wie genial dieser den Chor für den speziellen Gebrauch des Domkapitels gestaltet hatte. Damit eröffneten sich so neue Erkenntnisse zum Gesamtkunstwerk Naumburger Westchor, dass man dieses einzigartige Weltkulturerbe künftig mit noch größerem Verständnis erleben kann.