Die Aufnahmen aus dem sogenannten "Westerborkfilm" zählen heute zu den am häufigsten verwendeten Archivaufnahmen im Rahmen der Holocausterinnerung - darunter das Gesicht der Sintizza Settela Steinbach im Deportationszug nach Auschwitz. Im Frühjahr 1944 wird im Auftrag der SS im Judendurchgangslager Westerbork in den besetzten Niederlanden, wo auch Anne Frank inhaftiert war, ein Film gedreht. Auch die Abfertigung eines Zuges, der fast 1000 Personen nach Bergen-Belsen und Auschwitz deportiert, wird aufgezeichnet. 1956 verwendet Alain Resnais Einstellungen dieser Szenen in seinem Film "Nuit et Brouillard". Damit beginnt die Bilderreise des Westerborkfilms, der bald zum festen Bestandteil einer neu entstehenden, empathischen Holocaust-Erinnerung wird und heute zu ihren Bildikonen gehört. Fabian Schmidts Buch erzählt seine Rezeptionsgeschichte auf der Basis empirisch gewonnener Filmdaten, beginnend mit den Kriegsverbrecher-prozessen über die Verwendung in den Kompilationsfilmen der 1960er Jahre und die Wiederentdeckung des Materials als Dokument in den 1990er Jahren bis zu seiner Aufnahme ins UNESCO Weltdokumentenerbe 2017. Im Dialog mit dieser Migration und Transformation wird, anhand von Zeitungsrezensionen sowie Bezugnahmen in Geschichtsbüchern und Dokumentarfilmen, die Bedeutung des Westerborkfilms für die Formierung der Erinnerungskultur rekonstruiert.