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Produktdetails
  • Verlag: Wien : Holzhausen
  • ISBN-13: 9783854930082
  • ISBN-10: 3854930089
  • Artikelnr.: 20809176
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2000

Bildbände

"Der Wiener Naschmarkt. Die Anatomie des Genießens" von Michael Lynn (Text) und Ingrid Gregor (Fotos). Verlag Holzhausen, Wien 2000. 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 80 Mark. ISBN 3-85493-008-9

Mit der Hofburg und der Hofreitschule, mit Oper und Burgtheater, mit den großen Museen, der Albertina und der Kaisergruft allein ist es nicht getan. Wer in Wien ankommen will, muß zuerst und vor allem auf den "Naschmarkt" gehen, dahin, wo die Wiener ganz bei sich sind, wo sie aus der Fülle des Angebots auswählen, was dem verwöhnten Gaumen zusagt. Die Karpfen aus Böhmen und die Früchte vom Balkan, die Pilze aus Galizien und das Wild aus den Bergen, der feine Essig und der ungarische Paprika, alles ist hier zu haben; ausgebreitet auf den Marktständen liegt das ganze Gemisch, aus dem sich die einzige, die unvergleichliche Wiener Küche ergab, ein Fest der Sinne, das nur gefeiert werden konnte, wo die Welten aufeinanderstießen, wo sich die Kulturen mischten. Osten und Westen, beides zugleich, Feinschmeckeroase und überquellender Basar ist der Naschmarkt seit je gewesen, ungebrochen blieb seine Anziehungskraft, farbenprächtig lockt er bis heute, so farbenprächtig, wie ihn der Journalist Michael Lynn jetzt in seiner "Anatomie des Genießens" beschrieben hat. Passend zum Text und appetitanregend im buchstäblichen Sinn sind auch die Fotos von Ingrid Gregor: Saftige Schinken liegen neben luftgetrockneten Würsten; Frische versprechen die knackigen Salate; knusprige Brote sind hoch aufgestapelt; zu Türmen erheben sich die Schafskäse, Köstlichkeiten, von deren balkanischer Herkunft das Buch ebenso erzählt wie von den Anfängen des Wiener Marktlebens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart spannt sich der Bogen. Viel erfährt man über das neunzehnte Jahrhundert und über das Fin de siècle, in dem der Naschmarkt seine heutige Gestalt annahm, unweit des berühmten Sezessionsgebäudes und gleich neben dem Theater an der Wien, wo Nestroy einmal "von der Bühne weg" verhaftet wurde, weil er seinen Spott mit den allzu kleinen Semmeln der Bäcker getrieben hatte. Aus dem kulturellen Hintergrund erklärt sich die Neigung zum genießerischen Laisser-faire, wie sie der Autor noch in unseren Tagen beobachtet, bei Händlern wie bei den Kunden - bei den Älteren, die sich da seit Jahrzehnten versorgen, ebenso wie bei den Jüngeren, die es schick finden, den Samstagvormittag am Naschmarkt zu verplaudern. Michael Lynn kennt sie alle, die Leute und ihre Adressen. Mit ihm kommt man auf einen "kleinen Braunen" ins "Durchaus" oder in die "Käsehütte". Und von einem Frühstücksgulasch im Café Drechsler kann er erzählen, daß einem das Wasser im Mund zusammenläuft, daß man gleich wieder aufbrechen möchte, um sich am nächsten Samstag auf dem Naschmarkt für einen Bummel durch die Stadt zu stärken. (Th.R.)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bei diesem mit "Th. R." unterzeichnenden Rezensenten ist die 1918 untergegangene k.u.k.-Welt noch in Ordnung. Auf dem Wiener Naschmarkt findet er "Karpfen aus Böhmen" oder "Pilze aus Galizien", sogar ungarischen Paprika hat er da gesichtet. Möglicherweise hat der Anblick der "saftigen Schinken" oder "luftgetrockneten Würstchen" auf den Fotos ihm den Zeitsinn geraubt. Vielleicht ist das Buch aber auch so sinnlich, dass Vergangenheit und Gegenwart ineinander fließen. Zu erfahren ist ja, dass im Buch "vom Mittelalter bis zur Gegenwart" ein Bogen gespannt werde, man viel über das 19. Jahrhundert und das fin de siècle erfahre, in dem der Naschmarkt seine heutige Form angenommen habe. Und unser Rezensent, der sich schon an den Bildern nicht satt sehen konnte, würde wohl zu gerne noch mal mit dem Journalisten Lynn, der den Text zu Ingrid Gregors hochgelobten Bildern schrieb, einen Samstagvormittag auf dem Naschmarkt "verplaudern". Weil Lynn dort alles und jeden kennt, inklusive Kaffeehäuser und Kaffeearten.

© Perlentaucher Medien GmbH