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Die Geschwister Helen und Edward leben in einem großen Haus mit wildem Garten, den ihre Mutter nie verkaufen wollte. Nach deren Tod gerät das Leben der Geschwister - beide unverheiratet und Anfang Fünfzig - plötzlich in Bewegung: Sie müssen sich gegen Bauunternehmer und Anlageberater wehren, und auch ihre Gefühlswelt gerät ihnen stark durcheinander.

Produktbeschreibung
Die Geschwister Helen und Edward leben in einem großen Haus mit wildem Garten, den ihre Mutter nie verkaufen wollte. Nach deren Tod gerät das Leben der Geschwister - beide unverheiratet und Anfang Fünfzig - plötzlich in Bewegung: Sie müssen sich gegen Bauunternehmer und Anlageberater wehren, und auch ihre Gefühlswelt gerät ihnen stark durcheinander.
Autorenporträt
Penelope Lively wurde 1933 in Kairo geboren und verbrachte dort ihre Kindheit. Seit 1945 lebt sie in England. Sie studierte in Oxford Geschichte und hat zahlreiche Romane und Kinderbücher veröffentlicht. Für ihren Roman Moon Tiger erhielt sie 1987 den Booker-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.1995

Ein alter Backfisch für den Anwalt
Im Garten begraben: Penelope Livelys traurige Landbewohner Von Wolfgang Steuhl

Spätestens seit sie 1987 für den Roman "Moon Tiger" den "Booker Prize" erhielt, ist die 1933 in Kairo geborene Engländerin Penelope Lively, die als Autorin von Kinderbüchern begann, nicht nur im Kulturleben der Britischen Inseln ein Begriff. Eines ihrer Themen, die Macht von Vergangenheit und Erinnerung über das menschliche Handeln, kommt in ihrem hervorragend ins Deutsche übersetzten Roman "Der wilde Garten" abermals zur Sprache.

Daß in der Welt dieses Werkes die heimliche Herrin über das Leben der Hauptfiguren, die despotische Mutter Dorothy, auch nach ihrem Tod weiterherrscht, wird gleich zu Beginn offengelegt: Ihr Sarg klemmt beim Abtransport aus dem angejahrten Häuschen "Greystones", das in einem "Dorf am äußeren Rand der Cotswolds" (also in der tiefsten Provinz) steht. Da sie "keine nette Frau" war, hält sich der Kummer der Trauernden in Grenzen. Ihren Kindern, vor allem der zweiundfünfzigjährigen Bibliotheksangestellten Helen, die unversehens zur alten Jungfer geworden ist, und dem Sohn und Junggesellen Edward, der als "geistesabwesender, wohlmeinender Lehrer" nahe Fünfzig vorgestellt wird, hat Dorothy mit autoritärem Gehabe, philisterhaft prüder Erziehung und gelegentlich auch mit gezielter Bosheit das Lebensglück vergällt. Das dritte Kind, Louise, mittlerweile eine Enddreißigerin, hat sich der mütterlichen Tyrannei frühzeitig entzogen.

Obgleich während des gesamten Romans wenig Spektakuläres geschieht, versteht es die Autorin mit Raffinement, Interesse an ihren Figuren zu wecken und Spannung zu erzeugen. Sie stellt heraus, was der Kritiker Matthew Arnold einmal als das "buried life" bezeichnete - hier in der Form des unauffälligen, banalen Lebens von Provinzgestalten, das gleichsam vibriert vor unerfüllten oder fehlgeleiteten Sehnsüchten. Die alternde Helen verknallt sich wie ein Backfisch in einen ebenso liebedienerischen wie letztlich indifferenten Anwalt und muß sich bei ihren vergeblichen Einfangversuchen von ihrer rechthaberischen Mutter, die als innere Stimme präsent ist, verspotten lassen; der stets verkorkst wirkende Edward, der seine homosexuellen Neigungen zeitlebens unterdrückt und durch fanatische Naturschwärmerei kompensiert hat, kann am Ende von Glück sagen, daß sein Übergriff auf einen Nachbarjungen folgenlos bleibt. Das Kontrastprogramm, das die freiere, in London wohnhafte Tochter Louise bei ihren Besuchen in der Heimat bietet, fällt kaum tröstlicher aus: Sie ist wenig mehr als eine arme, gehetzte, etwas schrille Großstadtperson mit Ehemann, zwei halbwüchsigen Kindern und den heutzutage üblichen Erziehungsproblemen.

Mithin läßt sich aus dieser Konstellation auch nur schwerlich ein Lob des Landlebens konstruieren. Dieses schleppt sich im allgemeinen dröge dahin - der "wilde Garten" hinter Greystones ist seit längerem ein Wunschobjekt von Bodenspekulanten; und seine zumindest vorläufige Erhaltung taugt kaum zum Symbol für bleibende Unversehrtheit, da der blanke Kommerz, so erfährt der Leser, auch in diesem Winkel eigentlich längst gesiegt hat ,Passing On" lautet der Titel des Originals, das 1989 erschien. Er bezeichnet treffend, um was es hier geht: eine besondere, auch durch den ländlichen Schauplatz aufgezwungene Art der Bewältigung persönlicher Katastrophen. Hier, in der ohnmächtigen Beschaulichkeit einer Provinz, aus der sich die Mobilen und Ehrgeizigen bis auf einige besonders unerfreuliche Exemplare beizeiten davongemacht haben, bedeutet "passing on" das eher stille Begraben und Ersticken von Kalamitäten, bevor sie ausbrechen und vernichtende Gewalt entfalten können - durch Weitermachen, durch Übergehen zum nächsten Punkt auf der Alltagsordnung.

Für die Behauptung, es sei unwesentlich, was man erzähle, solange man es nur erzählen könne, eignet sich Penelope Livelys Roman vorzüglich als Beleg. Auch wenn es übertrieben erscheint, daß man diese Autorin unverzüglich in eine literaturgeschichtliche Reihe mit Jane Austen, den Brontë-Schwestern oder George Eliot stellen möchte: Es dürfte kaum ein anderes Erzählwerk geben, das die Lebensängste und vitalen Frustrationen heutiger Zeitgenossen in einer kleinen, nahezu abgeschlossenen Welt auf dem englischen Land so glaubwürdig und klischeearm schildert wie das dieser Schriftstellerin, von deren zahlreichen Veröffentlichungen man sich weitere Übersetzungen für den deutschen Buchmarkt wünscht.

Penelope Lively: "Der wilde Garten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Jörg Toebelmann. Luchterhand Literaturverlag, München 1995. 299 S., geb., 39,80 DM.

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"Ein bemerkenswert kluges Buch." (Eva Leipprand, Süddeutsche Zeitung)