Im Zentrum der essayistischen Betrachtung stehen die Werke von Künstlern und Schriftstellern, welche die Moderne im Zeitraum von 1870 bis 1950 philosophisch und kunsttheoretisch geprägt haben.
Als intellektuelle Klammer zwischen Cezanne und Mondrian, Kandinsky und Wölfflin, Malewitsch, Loos und Nietzsche macht Wyss die Rezeption des Werkes Arthur Schopenhauers aus, dessen überwältigender Einfluß auf den Begriff des "Schaffens" - eines Schlüsselworts der Jahrhundertwende - von der Kunstgeschichte bisher vernachlässigt wurde. Wyss gelingt ein Drahtseilakt zwischen Literatur, Wissenschaft und polemischem Essay, der Michelangelo, Nietzsche und Heidegger mit den Straßenschluchten Manhattans verbindet.
Als intellektuelle Klammer zwischen Cezanne und Mondrian, Kandinsky und Wölfflin, Malewitsch, Loos und Nietzsche macht Wyss die Rezeption des Werkes Arthur Schopenhauers aus, dessen überwältigender Einfluß auf den Begriff des "Schaffens" - eines Schlüsselworts der Jahrhundertwende - von der Kunstgeschichte bisher vernachlässigt wurde. Wyss gelingt ein Drahtseilakt zwischen Literatur, Wissenschaft und polemischem Essay, der Michelangelo, Nietzsche und Heidegger mit den Straßenschluchten Manhattans verbindet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.1996Holzwege zur Macht
Beat Wyss informiert über die Lüste der Moderne / Von Eduard Beaucamp
Im vergangenen Jahr gab Hans Belting seinen Essay über "Das Ende der Kunstgeschichte" neu heraus und verband die Frage nach dem Schicksal der Kunst mit der nach der Zukunft seines Fachs. Die Rahmenbedingungen der zeitgenössischen Massenkultur haben sich, Belting zufolge, durch die Globalisierung, die neuen Medien und eine gleitende Unverbindlichkeit so drastisch verändert, daß davon die traditionelle Kunst und mit ihr die Kunstgeschichte heute "ausgerahmt" und anachronistisch erscheinen. Der Mentalitätswandel der letzten Jahre habe auch der "Moderne" ihre Grundlagen und Prinzipien entzogen.
In eine ähnliche Kerbe schlägt jetzt der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss mit einer geistesgeschichtlichen Studie, die auf das messianische Vordenkertum, die ideologischen Implikationen, die philosophischen Determinationen und die Opfer-Täter-Verstrickung einer Kunst aufmerksam macht, die uns heute klassisch, stabil und vertraut erscheint und die von sich selbst stets behauptet hat, autonom, zeitlos, aufklärerisch und kritisch zu sein. Während Belting in Spiralen dachte und mit der Verabschiedung eines überholten Kunst-und Kunstgeschichtsbegriffs eine Erneuerung durch die Medienkünste erhoffte, tritt Wyss als Historiker auf, der auf eine brisante, abgeschlossene Epoche skeptisch, bisweilen erleichtert zurückschaut und seine Analysen auch als Therapie vesteht.
Endlich beginnt nun also die akademische Kunstgeschichte, sich die fragende Wahrnehmung und das Theoriebewußtsein der Kunstkritik zu eigen zu machen und die allzu lange Abstinenz gegenüber der Moderne und die darauf folgende, um so emphatischere Apologie zu überwinden. Die Zeit geht zu Ende, da man die Moderne unbesehen als Inbegriff von Freiheit, Fortschritt und Aufklärung, ihre Ideen und Leistungen als Offenbarungen verehrte.
Für eine systematische Befragung des zu Ende gehenden Jahrhunderts scheint die Zeit jedoch noch nicht gekommen. Wyss wählt akrobatische Methoden und Umwege, um das Ideengeflecht der Epoche in den Griff zu bekommen. Seine Begleitfiguren durch die Himmel und Höllen, die lichten und abgründigen Landschaften der Neuzeit sind Schopenhauer und Nietzsche. Wyss verankert die Moderne in der Renaissance und befragt eingangs zwei Schlüsselwerke: Michelangelos Fresko des "Jüngsten Gerichts" und die "Transfiguration" Raffaels. In beiden Werken sieht er eine Verklammerung von Apollinischem und Dionysischem; in beiden durchdringen sich religiöse und ästhetische Auffassungen. Das "Weltgericht" Michelangelos sei gleichzeitig ein Kunstprozeß. Der Künstler verbünde sich mit Gott und schaffe ein Erlösungswerk: "Die Erlösung des Menschen ist . . . präfiguriert im gelungenen Kunstwerk." Theologische und künstlerische Konzeptionen fließen in der modernen Kunstreligion zusammen. Während die dogmatischen Glaubensinhalte dabei "verdampfen", bleiben die religiösen Topoi "in den Kunsttheorien der Moderne als säkulare Metaphysik" erhalten.
Wyss liebt feuilletonistische Pointen, literarische Einfälle und Stilisierungen. Er nennt das historische Vorspiel seines Buches "Prolog im Himmel". Den Einstieg ins zwanzigste Jahrhundert verschafft ihm vor allem Schopenhauers berühmte Lehre von der "Welt als Wille und Vorstellung", deren Sinnfälligkeit die moderne Künstlermentalität tief geprägt hat. Der skeptische Philosoph erklärte die Wirklichkeit zur Projektion und Sinnestäuschung, sah dahinter als umfasssenden Motor den Willen, den der mündige Mensch (beziehungsweise der Künstler) bejahen und weiterbewegen oder, weiser, verneinen und überwinden kann.
Vor diese Entscheidung sieht Wyss die Kunst unseres Jahrhunderts gestellt und gewinnt daraus zwei Kapitel seines Buches. So teilt er die Moderne ein in eine dezisionistische oder "aktionistische" Schule, eine Ästhetik des Ausdrucks-, Veränderungs-und Stilwollens und auf der anderen Seite in ein Lager der Abtötung des Lebenswillens, der Wirklichkeitsverleugnung und Weltüberwindung. Wer mit den beiden Fraktionen gemeint ist, liegt auf der Hand: die Expressionisten, Futuristen, ästhetischen Faschisten und Funktionalisten auf der einen, die Weltverneiner, Aussteiger und Astronauten im Kosmos der reinen Ideen auf der anderen Seite. Exemplarisch vorgeführt wird hier vor allem Malewitsch, der getreue Jünger Schopenhauers, der mittels Kunst vom Alltag der Erscheinungen ins Reich der Willenlosigkeit und Gegenstandslosigkeit, zum reinen Sein und unendlichen Frieden vorstoßen wollte.
Wyss, der das sprunghafte und phantasievolle dem strengen Denken vorzieht, räumt erst auf der viertletzten Seite seines Buches ein, daß diesseits bizarrer Gedankenkunst und Programmalerei das Hauptterrain liegt, das er zum Schluß kurzerhand als Domäne einer "nominalistischen Moderne" ausweist. Hier sind die Künstler zwischen Matisse, Picasso, den Dadaisten und Surrealisten angesiedelt, die an der bildnerischen Bezeichnung und Bearbeitung des Dings festhalten. Der Autor gibt hier freilich Durchblicke, die auf fundamentale Unkenntnis dieses Feldes schließen lassen: "Die surrealistische Biomorphie von Joan Miró, Yves Tanguy, Mark Rothko, Alexander Calder sind zur reinen Form erkaltete Urphänomene nach Klee und Kandinsky."
Der Reiz des stilistisch brillanten Buches liegt in den Abschweifungen. Wyss liefert keine systematische Epochenanalyse, sondern einen Essay, und dessen Form erlaubt Seitensprünge. So treibt er Stollen durch ein vielschichtiges Epochengebirge, verengt damit den Blick und verkürzt die Phänomene, um zum ideologischen Kern moderner Ästhetik vorzustoßen. Ein ausführliches Kapitel widmet sich dem Vergleich von Mondrian und Heidegger. Beide scheinen zunächst unvereinbar. Der Autor sieht die Verwandtschaft im Drang nach Ursprung und Neuanfang, in der Abstreifung des historischen Bewußtseins, nicht zuletzt in einem offenen Kunstbegriff, der sich nicht im Werk, sondern im "Hergang" des Machens vollendet. Doch die Unvergleichbarkeit der beiden bleibt evident, wenn man sich Mondrians Bilder vergegenwärtigt: Sie lassen die manieristischen Denk- und "Holzwege" der Theorie hinter sich und repräsentieren schlackenloses modernes "Sein".
Ausgedehnte Exkurse gelten, wiederum in den Fußstapfen Beltings, dem "Kunstwollen der Kunsthistorik". Das akademische Fach, das sich vor der Herausforderung der Moderne lange demonstrativ verschloß und sich auf historische Fragen zurückzog, wird hier mit lobbyistischem Eifer auf die Höhe avantgardistischer Mentalität gehoben. Methodische Parallelen zur zeitgenössischen Kunst finden sich vor allem bei Wölfflin in der Überwindung des Entwicklungsdenken sowie in der Suche nach kunstgeschichtlichen Prinzipien und Urphänomenen. Ungleich bedeutender aber war der Beitrag der Kunsttheorie und Kunstkritik zur ästhetischen "Mentalität" der Moderne, doch der bleibt ausgeblendet.
Intensive Studien verschreiben sich einzelnen Manifestationen modernen Kunstwollens: dem Esoteriker Rudolf Steiner, dem, wie Wyss meint, "spirituellen Faschismus" des Blauen Reiter, dem Tugend-, Ordnungs- und Reinheitsterror Le Corbusiers, schließlich den Gesamtkunstwerken des italienischen Faschismus, der Neugestaltung des Forum Romanum und der Via dell'Impero und dem gebauten Epos von Terragnis "Danteum"-Projekt. Schon die Aufzählung bezeugt die ebenso markante wie befremdliche Heterogenität des Buches, das in Einzeltexte zerfällt und etwas zwanghaft durch seine philosophischen Leitideen zusammengehalten wird. Wyss enttarnt mit Vorliebe die spiritistischen Irrlehren und Wahnsysteme. Im ideengeschichtlichen Kontext wird vieles miteinander vergleichbar. Die spezifische Sprache und damit die eigentliche Modernität der Kunst wird davon kaum erreicht. So bleibt zuletzt am armen, törichten Romantiker Franz Marc, der mit seiner Schöpfungsmystik dem Krieg entgegenfieberte, darin zugrunde ging und aus seinem monströsen Traum nicht mehr erwachen durfte, das Etikett des "spirituellen Faschisten" und des Willens zur "Schaffung eines herrendeutschen Europa" hängen.
Beat Wyss: "Der Wille zur Kunst. Zur ästhetischen Mentalität der Moderne". DuMont Verlag, Köln 1996. 272 S., Abb., br., 49,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beat Wyss informiert über die Lüste der Moderne / Von Eduard Beaucamp
Im vergangenen Jahr gab Hans Belting seinen Essay über "Das Ende der Kunstgeschichte" neu heraus und verband die Frage nach dem Schicksal der Kunst mit der nach der Zukunft seines Fachs. Die Rahmenbedingungen der zeitgenössischen Massenkultur haben sich, Belting zufolge, durch die Globalisierung, die neuen Medien und eine gleitende Unverbindlichkeit so drastisch verändert, daß davon die traditionelle Kunst und mit ihr die Kunstgeschichte heute "ausgerahmt" und anachronistisch erscheinen. Der Mentalitätswandel der letzten Jahre habe auch der "Moderne" ihre Grundlagen und Prinzipien entzogen.
In eine ähnliche Kerbe schlägt jetzt der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss mit einer geistesgeschichtlichen Studie, die auf das messianische Vordenkertum, die ideologischen Implikationen, die philosophischen Determinationen und die Opfer-Täter-Verstrickung einer Kunst aufmerksam macht, die uns heute klassisch, stabil und vertraut erscheint und die von sich selbst stets behauptet hat, autonom, zeitlos, aufklärerisch und kritisch zu sein. Während Belting in Spiralen dachte und mit der Verabschiedung eines überholten Kunst-und Kunstgeschichtsbegriffs eine Erneuerung durch die Medienkünste erhoffte, tritt Wyss als Historiker auf, der auf eine brisante, abgeschlossene Epoche skeptisch, bisweilen erleichtert zurückschaut und seine Analysen auch als Therapie vesteht.
Endlich beginnt nun also die akademische Kunstgeschichte, sich die fragende Wahrnehmung und das Theoriebewußtsein der Kunstkritik zu eigen zu machen und die allzu lange Abstinenz gegenüber der Moderne und die darauf folgende, um so emphatischere Apologie zu überwinden. Die Zeit geht zu Ende, da man die Moderne unbesehen als Inbegriff von Freiheit, Fortschritt und Aufklärung, ihre Ideen und Leistungen als Offenbarungen verehrte.
Für eine systematische Befragung des zu Ende gehenden Jahrhunderts scheint die Zeit jedoch noch nicht gekommen. Wyss wählt akrobatische Methoden und Umwege, um das Ideengeflecht der Epoche in den Griff zu bekommen. Seine Begleitfiguren durch die Himmel und Höllen, die lichten und abgründigen Landschaften der Neuzeit sind Schopenhauer und Nietzsche. Wyss verankert die Moderne in der Renaissance und befragt eingangs zwei Schlüsselwerke: Michelangelos Fresko des "Jüngsten Gerichts" und die "Transfiguration" Raffaels. In beiden Werken sieht er eine Verklammerung von Apollinischem und Dionysischem; in beiden durchdringen sich religiöse und ästhetische Auffassungen. Das "Weltgericht" Michelangelos sei gleichzeitig ein Kunstprozeß. Der Künstler verbünde sich mit Gott und schaffe ein Erlösungswerk: "Die Erlösung des Menschen ist . . . präfiguriert im gelungenen Kunstwerk." Theologische und künstlerische Konzeptionen fließen in der modernen Kunstreligion zusammen. Während die dogmatischen Glaubensinhalte dabei "verdampfen", bleiben die religiösen Topoi "in den Kunsttheorien der Moderne als säkulare Metaphysik" erhalten.
Wyss liebt feuilletonistische Pointen, literarische Einfälle und Stilisierungen. Er nennt das historische Vorspiel seines Buches "Prolog im Himmel". Den Einstieg ins zwanzigste Jahrhundert verschafft ihm vor allem Schopenhauers berühmte Lehre von der "Welt als Wille und Vorstellung", deren Sinnfälligkeit die moderne Künstlermentalität tief geprägt hat. Der skeptische Philosoph erklärte die Wirklichkeit zur Projektion und Sinnestäuschung, sah dahinter als umfasssenden Motor den Willen, den der mündige Mensch (beziehungsweise der Künstler) bejahen und weiterbewegen oder, weiser, verneinen und überwinden kann.
Vor diese Entscheidung sieht Wyss die Kunst unseres Jahrhunderts gestellt und gewinnt daraus zwei Kapitel seines Buches. So teilt er die Moderne ein in eine dezisionistische oder "aktionistische" Schule, eine Ästhetik des Ausdrucks-, Veränderungs-und Stilwollens und auf der anderen Seite in ein Lager der Abtötung des Lebenswillens, der Wirklichkeitsverleugnung und Weltüberwindung. Wer mit den beiden Fraktionen gemeint ist, liegt auf der Hand: die Expressionisten, Futuristen, ästhetischen Faschisten und Funktionalisten auf der einen, die Weltverneiner, Aussteiger und Astronauten im Kosmos der reinen Ideen auf der anderen Seite. Exemplarisch vorgeführt wird hier vor allem Malewitsch, der getreue Jünger Schopenhauers, der mittels Kunst vom Alltag der Erscheinungen ins Reich der Willenlosigkeit und Gegenstandslosigkeit, zum reinen Sein und unendlichen Frieden vorstoßen wollte.
Wyss, der das sprunghafte und phantasievolle dem strengen Denken vorzieht, räumt erst auf der viertletzten Seite seines Buches ein, daß diesseits bizarrer Gedankenkunst und Programmalerei das Hauptterrain liegt, das er zum Schluß kurzerhand als Domäne einer "nominalistischen Moderne" ausweist. Hier sind die Künstler zwischen Matisse, Picasso, den Dadaisten und Surrealisten angesiedelt, die an der bildnerischen Bezeichnung und Bearbeitung des Dings festhalten. Der Autor gibt hier freilich Durchblicke, die auf fundamentale Unkenntnis dieses Feldes schließen lassen: "Die surrealistische Biomorphie von Joan Miró, Yves Tanguy, Mark Rothko, Alexander Calder sind zur reinen Form erkaltete Urphänomene nach Klee und Kandinsky."
Der Reiz des stilistisch brillanten Buches liegt in den Abschweifungen. Wyss liefert keine systematische Epochenanalyse, sondern einen Essay, und dessen Form erlaubt Seitensprünge. So treibt er Stollen durch ein vielschichtiges Epochengebirge, verengt damit den Blick und verkürzt die Phänomene, um zum ideologischen Kern moderner Ästhetik vorzustoßen. Ein ausführliches Kapitel widmet sich dem Vergleich von Mondrian und Heidegger. Beide scheinen zunächst unvereinbar. Der Autor sieht die Verwandtschaft im Drang nach Ursprung und Neuanfang, in der Abstreifung des historischen Bewußtseins, nicht zuletzt in einem offenen Kunstbegriff, der sich nicht im Werk, sondern im "Hergang" des Machens vollendet. Doch die Unvergleichbarkeit der beiden bleibt evident, wenn man sich Mondrians Bilder vergegenwärtigt: Sie lassen die manieristischen Denk- und "Holzwege" der Theorie hinter sich und repräsentieren schlackenloses modernes "Sein".
Ausgedehnte Exkurse gelten, wiederum in den Fußstapfen Beltings, dem "Kunstwollen der Kunsthistorik". Das akademische Fach, das sich vor der Herausforderung der Moderne lange demonstrativ verschloß und sich auf historische Fragen zurückzog, wird hier mit lobbyistischem Eifer auf die Höhe avantgardistischer Mentalität gehoben. Methodische Parallelen zur zeitgenössischen Kunst finden sich vor allem bei Wölfflin in der Überwindung des Entwicklungsdenken sowie in der Suche nach kunstgeschichtlichen Prinzipien und Urphänomenen. Ungleich bedeutender aber war der Beitrag der Kunsttheorie und Kunstkritik zur ästhetischen "Mentalität" der Moderne, doch der bleibt ausgeblendet.
Intensive Studien verschreiben sich einzelnen Manifestationen modernen Kunstwollens: dem Esoteriker Rudolf Steiner, dem, wie Wyss meint, "spirituellen Faschismus" des Blauen Reiter, dem Tugend-, Ordnungs- und Reinheitsterror Le Corbusiers, schließlich den Gesamtkunstwerken des italienischen Faschismus, der Neugestaltung des Forum Romanum und der Via dell'Impero und dem gebauten Epos von Terragnis "Danteum"-Projekt. Schon die Aufzählung bezeugt die ebenso markante wie befremdliche Heterogenität des Buches, das in Einzeltexte zerfällt und etwas zwanghaft durch seine philosophischen Leitideen zusammengehalten wird. Wyss enttarnt mit Vorliebe die spiritistischen Irrlehren und Wahnsysteme. Im ideengeschichtlichen Kontext wird vieles miteinander vergleichbar. Die spezifische Sprache und damit die eigentliche Modernität der Kunst wird davon kaum erreicht. So bleibt zuletzt am armen, törichten Romantiker Franz Marc, der mit seiner Schöpfungsmystik dem Krieg entgegenfieberte, darin zugrunde ging und aus seinem monströsen Traum nicht mehr erwachen durfte, das Etikett des "spirituellen Faschisten" und des Willens zur "Schaffung eines herrendeutschen Europa" hängen.
Beat Wyss: "Der Wille zur Kunst. Zur ästhetischen Mentalität der Moderne". DuMont Verlag, Köln 1996. 272 S., Abb., br., 49,90 DM.
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