Produktdetails
  • dtv Taschenbücher Bd.59073
  • Verlag: DTV
  • Altersempfehlung: ab 12 Jahren
  • Deutsch
  • Abmessung: 70mm x 136mm x 200mm
  • Gewicht: 975g
  • ISBN-13: 9783423590730
  • ISBN-10: 3423590734
  • Artikelnr.: 12893195
Autorenporträt
William Nicholson wurde am 12. Januar 1948 geboren. Er besuchte die Klosterschule Downside bei Bath. Am Christ's-College, Cambridge, nahm er das Studium der englischen Literatur auf, das er mit Auszeichnung abschloss.

Nicholson begann danach Romane für Erwachsene zu schreiben, die aber unveröffentlicht blieben. Einen Namen machte er sich als Produzent, Regisseur und Autor von über 50 Dokumentarfilmen beim englischen Fernsehsender BBC in den 70er und 80er Jahren. Gleichzeitig schrieb er für Fernsehen, Film und Theater.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2002

Vorstellung des Bösen
„Der Windsänger” von William Nicholson,
eine klassisch erzählte Fantasiegeschichte
Die Landschaft ist einem Science- Fiction-Film entnommen. Draußen vor der Stadt Aramanth war „nichts als die felsige Küste im Süden, wo das große graue Meer toste, und die unfruchtbare, öde Wüste im Norden, die sich bis zu den fernen Bergen erstreckte”. Auch die Stimmung in der mächtigen, von hohen Mauern umgebenen Stadt in William Nicholsons Der Windsänger ist düster. Aramanth ist ringförmig in Bezirke eingeteilt, deren Bewohner jeweils eine eigene Farbe tragen: von Weiß innen, wo der Kaiser wohnt, bis zu Grau außen, wo sich im Schatten der Mauern Hochhäuser auftürmen. Im Zentrum der Stadt steht ein Holzturm, in dessen Spitze sich der Windsänger dreht.
Der Roman spielt in einer Zwischenwelt, die zwar in Elementen an unseren Alltag erinnert, doch letztlich mehr Träumen und Alpträumen verhaftet ist. Die Bewohner werden beobachtet, eingeteilt, überwacht. Ein wenig erinnert das an Orwells 1984. Es ist ein Ort, der den Horror mancher Sektenindoktrination hervorruft. In dieser Atmosphäre von Angst, Neid und Denunziation leben die Zwillinge Kestrel und Bowman zusammen mit den Eltern und der kleinen Schwester. An ihrem Widerstand wird die Diktatur der Unmenschlichkeit zerbrechen.
Nicholsons Windsänger-Saga ist zunächst von Endzeitstimmung geprägt. Der Roman – erster Teil einer Trilogie um das Schicksal der Bewohner von Aramanth – beginnt mit einer eigenartigen Prüfung. Zweijährige werden von zehn Menschen in wehenden scharlachroten Roben begutachtet, nur der oberste Prüfer trägt eine weiße. Gemeinsam mit ihren Eltern sprechen sie ein Gelübde: „Ich gelobe, härter zu arbeiten, mir höhere Ziele zu setzen und in jeder Beziehung danach zu streben, morgen besser zu sein als heute. Aus Liebe zu meinem Kaiser und für die Herrlichkeit von Aramanth!” Die Kinder erhalten Punkte, und von diesem Tag an werden sie in dieser Stadt ständig bewertet, ihr Leben lang.
Neben dieser reglementierten Oberwelt gibt es im Untergrund noch die Welt der Schlammmenschen, der Ausgestoßenen, die im Abfall und Fäkalien der Oberwelt leben: Sinnbild für den Abschaum. Diese verhalten sich darin aber, als sei es die normalste Umgebung der Welt. Während sie etwa Schlammnüsse ernten, singen sie Arbeiterlieder – das ist Sozialromantik pur. Die Zwillinge Kestrel und Bowman, die in Gedanken miteinander kommunizieren können, wollen dieses trostlose Dasein beenden. Kestrel fordert die herrschende Macht heraus, sie will den Windsänger nach Aramanth zurückholen, von dem es heißt, die Menschen seien glücklich gewesen, wenn seine Melodien erklangen.
Eine abenteuerliche Reise beginnt, mit Begegnungen, die an François Place’ Atlas von Orbae erinnern. Und natürlich steckt dahinter der archaische Kampf zwischen Gut und Böse in der Welt. Als die Zwillinge nach Begegnungen mit wundersamen Gestalten, nach einigen Wirren auf ihrem Weg durch verlassene Regionen endlich den Windsänger finden und diesen zurück nach Aramanth bringen wollen, wecken sie gleichzeitig die Saren auf: In Achterreihen marschieren diese von nun an in ihren weißen Uniformen durch das Land. Der Rhythmus ihrer Schritte gibt auch den Takt des Liedes vor, das sie singen: „Töten, töten, töten, töten.”
Die beiden Kinder fliehen, zerstören auf dem Rückweg eine Brücke, die über einen Abgrund führt. Was wie die Rettung wirkt, offenbart erst die Grausamkeit. Die Saren laufen solange in den Abgrund, bis er mit ihren Leichen ausgefüllt ist, marschieren dann weiter. Nicholson schafft in einer direkten, schnörkellosen Sprache eine Vorstellung des Bösen, dass nicht als Inkarnation von Monstern dargestellt wird, sondern als eine Armee singender, schöner junger Menschen. Lächelnd morden die Saren, während strahlend hell und kalt ihre Stimmen erklingen und sie eine Schneise des Todes ins Land schlagen.
Der britische Autor erzählt seine Geschichte zunächst klassisch wie eine Abenteuer-Story. Doch inmitten der Orte, die fern unserer Zeit und unseres Empfindens liegen, erleben wir moderne Figuren, die wie ihrer gewohnten Umgebung entrissen wirken. Nicholson, der auch die Drehbücher zu Kinofilmen wie „Nell” und „Gladiator” geschrieben hat, gelingt mit diesem Buch etwas Ungewöhnliches: Der Roman ist utopisch und realistisch zugleich, denn von Beginn dockt er in der Gefühlswelt der Jetztzeit an. (ab 12 Jahre )
HUBERT FILSER
WILLIAM NICHOLSON: Der Windsänger. Aus dem Englischen von Stefanie Mierswa. dtv junior extra 2001. 336 Seiten, 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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"Nicholson gelingt mit diesem Epos etwas Außergewöhnliches: Das Werk ist utopisch und realistisch zugleich, denn von Beginn dockt es in der Gefühlswelt der Jetztzeit an." (Süddeutsche Zeitung)