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Kaum eine Beziehung ist so ambivalent wie jene zwischen Wolf und Mensch. Als Wildtiere und als Hunde haben sie unsere kulturelle Entwicklung begleitet, wurden zu unseren sprichwörtlich besten Freunden - aber auch zur Projektionsfläche irrationaler Ängste. Heute ist ihre Rückkehr mit Konflikten und aufgeheizten Debatten über Gefahr und Abschuss verbunden. Kurt Kotrschal, der das Wesen unserer Beziehung zu Wölfen und Hunden erforscht, zeigt: Ohne diese jahrtausendealte Beziehung wären wir nicht die Menschen, die wir sind. Die Probleme mancher mit dem Wolf sind Teil eines problematischen…mehr

Produktbeschreibung
Kaum eine Beziehung ist so ambivalent wie jene zwischen Wolf und Mensch. Als Wildtiere und als Hunde haben sie unsere kulturelle Entwicklung begleitet, wurden zu unseren sprichwörtlich besten Freunden - aber auch zur Projektionsfläche irrationaler Ängste. Heute ist ihre Rückkehr mit Konflikten und aufgeheizten Debatten über Gefahr und Abschuss verbunden. Kurt Kotrschal, der das Wesen unserer Beziehung zu Wölfen und Hunden erforscht, zeigt: Ohne diese jahrtausendealte Beziehung wären wir nicht die Menschen, die wir sind. Die Probleme mancher mit dem Wolf sind Teil eines problematischen Verhältnisses zur Natur. Um die Biodiversitäts- und die Klimakrise zu überwinden, müssen wir Wölfen ihren Platz zugestehen und erkennen, dass sie auch eine Chance für Ökosysteme sind.
Autorenporträt
Kurt Kotrschal gehört zu den weltweit renommiertesten Verhaltensforschern. Er ist emeritierter Professor an der Universität Wien, war Nachfolger von Konrad Lorenz am gleichnamigen Forschungsinstitut, Mitbegründer des Wolf Science Center Ernstbrunn und ist heute neben der Wissenschaft verstärkt im Artenschutz engagiert. Fast zwei Jahrzehnte erforscht er bereits das Wesen von Wölfen und Hunden und ihre Beziehung zu uns Menschen. Als Bestsellerautor teilt er sein Wissen mit uns ¿ und seine Faszination und Liebe zu den Tieren, die uns seit Urzeiten begleiten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2022

Die Jagd ist keine Lösung

Der Wolf breitet sich in Deutschland weiter aus. Darf man das zulassen, oder muss man handeln? Kurt Kotrschal liefert in seinem Buch eine nüchterne Bestandsaufnahme.

Ein Video, auf dem ein sehr nach Wolf aussehendes Tier an einer Bushaltestelle vorbeispaziert, dazu die bange Frage: Läuft er jetzt schon durch Dortmund? Ein Bauernpräsident, der eine Höchstgrenze für Wölfe fordert, weil sonst die Weidehaltung der Vergangenheit angehöre. Von Jägern aufgestellte Schilder, auf denen steht: "Vorsicht! Hier ist ein Wolfsgebiet" und: "Kinder an der Hand führen".

Was vom Wolf in Deutschland in den vergangenen Wochen zu hören war, zeigt: Das Projekt, ein Tier am oberen Ende der Nahrungskette einfach Tier sein zu lassen, ist in den gut zwanzig Jahren seit seinem Bestehen nicht weniger herausfordernd geworden, im Gegenteil. Es ist zu spüren, dass es in eine neue Phase eintritt, in der sich entscheiden wird, ob die alten Ängste und Vorbehalte siegen, der Wolf "böse" bleiben wird - oder ob es gelingt, die Chance zu ergreifen, die in seiner Rückkehr steckt, nämlich das Verhältnis des Menschen zur Natur zu überdenken und neu zu justieren.

Dass der Wolf wieder verstärkt in den Fokus gerät, hat auch damit zu tun, dass er jetzt ganz Deutschland bewohnt. Es gibt kaum ein Bundesland, in dem zuletzt nicht wenigstens ein Einzeltier über einen längeren Zeitraum nachgewiesen wurde. Gekommen war der Wolf aus Polen, und am östlichen Rand des Landes blieb er erst mal: In Sachsen hatte ein Paar im Jahr 2000 zum ersten Mal Nachwuchs, fünf Jahre später kam ein zweites Rudel dazu, dann ging es schnell.

Nicht mehr Wolferwartungsland

Inzwischen ist die offizielle Karte des Wolfsvorkommens im Nordosten des Landes teils flächendeckend eingefärbt, im Süden und Westen dünn gesprenkelt. Die insgesamt 157 Rudel sind höchst ungleich verteilt, aber wo erstmalig eine Familiengründung registriert wird, wie im Sommer 2021 in Hessen, macht das Schlagzeilen. Man ist nicht mehr Wolferwartungsland, sondern Wolfsterritorium.

Kurt Kotrschals Buch "Der Wolf und wir" (Brandstätter Verlag) kommt da gerade richtig. Der Wolf betrifft jetzt irgendwie alle, und der Wolfskenner und ehemalige Leiter der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Ethologie liefert eine nüchterne Bestandsaufnahme. Kurt Kotrschal hat in Ernstbrunn bei Wien vor 13 Jahren das Wolf Science Center gegründet, das vergleichende Forschung an Hunden und Wölfen betreibt, fraglos sieht er die Rückkehr der Wölfe mit Freude.

Die Probleme, die sie machen, und mögliche Ansätze zu ihrer Lösung seziert er aber mit einer Sachlichkeit, an der es bei dem Thema meistens mangelt. Er stellt auch eine Zahl in den Raum, deren Fehlen Wolfsgegner gern kritisieren, weil sie der reinen Angabe lokalisierter Rudel Verschleierung unterstellen. Kotrschal findet seine Schätzung selbst nicht ganz seriös, da ein Rudel drei bis zwölf Tiere umfassen kann. Zählt man die Paare und allein umherstreifenden Tiere dazu, hält er es aber für realistisch, dass zurzeit 2000 Wölfe in Deutschland leben, dem Land mit der weltweit am schnellsten wachsenden Wolfspopulation. Er spricht etwas dräuend vom "großen deutschen Experiment" - zwar ist der Wolf in allen europäischen Ländern geschützt, doch etwa in Österreich, Südtirol und der Schweiz ist die Zahl der illegalen Abschüsse hoch.

Kotrschal lobt Geduld und Disziplin der Deutschen, nur in Bayern dürfte der Grund für die auffällig langsame Ausbreitung des Wolfes darin liegen, dass man es nicht so genau nimmt mit dem Gesetz. Das deutsche Experiment hat für Kotrschal wichtige Ergebnisse gebracht: Dass Nutztiere die Ausnahme im Speiseplan der Rudel sind. Dass Wölfe von sich aus scheu bleiben und lokale Wolfsdichten nicht über einen bestimmten Wert ansteigen, also niemand befürchten muss, dass sie sich unbegrenzt vermehren. Und dass Herdenschutz wirkt: Es stimmt, dass die Anzahl der getöteten Nutztiere steigt. Es stimmt aber auch, dass die dann meistens nicht hinter elektrischen, mindestens 1,40 Meter hohen Zäunen standen.

Gemäß dem Präventionsparadox wird alles, was nicht passiert, jedoch selten als Erfolg gesehen. Stattdessen nimmt das Raunen zu, das den Wolf seit jeher umgibt, und wurde auch in der Politik in den vergangenen Jahren das unterschwellige Gefühl befördert, dass im Grunde immer Gefahr lauert, wo er ist. Die FDP hat im Bundestag Anträge gestellt mit Titeln wie "Gefahr Wolf - unkontrollierbare Population stoppen". Die ehemalige CDU-Agrarministerin Julia Klöckner wollte wolfsfreie Zonen, eine Forderung, die schon die weiten Wanderungsbewegungen dieses Tiers unerfüllbar machen.

Dass die AfD den Wolf als Gegner entdeckt hat, überrascht nicht, lässt er sich doch prima für eine Weltsicht instrumentalisieren, die mit Ängsten und einem Konzept von Zugehörigkeit und Ausschluss arbeitet. Der Eindringling, der die Ordnung stört - das wiederholt nicht nur bekannte Argumentationsmuster der Partei gegenüber anderen Neuankömmlingen, sondern schließt auch an die jahrhundertealten Projektionen an, von denen sich der Wolf bis heute nicht befreien konnte. Immer musste er für eine Grenzziehung herhalten, die das gesellschaftlich Konforme vom Unerwünschten trennte.

Abschüsse sind möglich

Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien steht, man habe das Ziel, "das Zusammenleben von Weidetieren, Mensch und Wolf so gut zu gestalten, dass trotz noch steigender Wolfspopulation möglichst wenige Konflikte auftreten", und wolle "europarechtskonform ein regional differenziertes Bestandsmanagement" ermöglichen. Das ist floskelhaft bis kryptisch und wohl Ausdruck der Uneinigkeit der Parteien beim Thema Wolf. "Bestandsmanagement" klingt nach Abschüssen - die sind bereits jetzt möglich, wenn einzelne Wölfe auffällig werden. Abschussquoten, wie sie die FDP oder Jagdverbände fordern, würden der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie widersprechen, die in allen EU-Ländern gilt und den Wolf als streng geschützte Art einstuft. Aus Brüssel kommt das Signal, dass das auf absehbare Zeit so bleiben wird.

Kurt Kotrschal legt dar, warum die so pragmatisch klingenden Abschüsse eine Scheinlösung sind, die Weidetierhaltern nicht helfen würde. Eine Studie aus den US-Bundesstaaten Idaho, Montana und Wyoming hat gezeigt, dass Farmer umso mehr Schafe und Rinder verloren, je mehr die Wölfe im Jahr zuvor bejagt worden waren. Die in ihrer Sozialstruktur gestörten Rudel vermehrten sich im Übermaß, ihr Nahrungsbedarf wurde größer, ihr natürliches Jagdverhalten, das Wildtiere vorzieht, pendelte sich nicht ein. Es gibt, so lässt sich Kotrschals unaufgeregte Argumentation zusammenfassen, zwei Möglichkeiten: den Wolf wieder ausrotten oder die Weidetiere schützen. Das allerdings brauche Veränderungsbereitschaft und Geld, denn mit dem Aufstellen von Zäunen ist es in einigen Landschaften nicht getan: In bergigen Gebieten lassen sich Tiere nur schützen, wenn sie in großen, von Hirten und Hunden geführten Herden leben.

Ein Leben im Familienverbund

Soll das Experiment, mit einem Beutegreifer zusammenzuleben, nicht auf unbestimmte Zeit eines bleiben, dürfen Nutztierhalter sich vom Wolf nicht mehr bedroht fühlen. Der Rest der Gesellschaft scheint weiterhin offen für dieses Miteinander. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Nabu vom Herbst 2021 finden drei Viertel der Menschen, der Wolf solle in Deutschland leben, auch wenn es zu Problemen kommt - und zwar unabhängig davon, ob die Befragten auf dem Land wohnen oder in der Stadt.

Das ist eine vielversprechende Grundlage für eine neue Erzählung vom Wolf, die allein die immer noch wirksamen Geschichten vom gefährlichen Tier, ohne das man besser dran wäre, überschreiben kann. Dazu braucht es Wissen wie das, dass Kinder in einem Wolfsgebiet natürlich nicht an der Hand gehalten werden müssen, der Mensch nicht zum Beutespektrum des Wolfs gehört und sich das nur unter speziellen Umständen ändert - in der Vergangenheit etwa an Orten und in Zeiten, in denen zu wenig Nahrung zur Verfügung stand. Diese neue Erzählung hat aber auch eine wichtige Rolle für den Wolf parat: als jenes Lebewesen, das uns daran erinnert, dass das Existenzrecht von Natur nicht von ihrer Gefälligkeit und unmittelbar erkennbarem Nutzen für den Menschen abhängt.

Kurt Kotrschal sieht einen Helfer beim Vorhaben, die verlorene Verbindung zum Wolf und damit zur Natur wiederherzustellen: den Hund. Der Wolfsabkömmling hat den Menschen auf dem ganzen langen Weg begleitet, an dessen Ende wir nun feststellen, dass wir uns unserer eigenen Lebensgrundlagen berauben. Der Hund konnte vor etwa 30 000 Jahren entstehen, weil der Wolf nicht als Feind gesehen wurde, sondern in ihm Vertrautes aufschien. Das Leben im Familienverbund, die starke Bindung nach innen, die Wehrhaftigkeit nach außen: Kein Tier, schreibt Kotrschal, sei dem Menschen da ähnlicher als der Wolf. PETRA AHNE

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Das Buch liest sich spannend und ist dabei aufklärend und lehrreich. Wer sich für den Wolf interessiert oder sich vielleicht (noch) fürchtet, sollte diesen Buch lesen. Christine Leiner Bücherschau 20220601