Der zweite Roman des Italieners Domenico Dara „Der Zirkus von Girifalco“ spielt erneut in dem kleinen kalabrischen Ort, in dem er aufgewachsen ist. Zeitlich ist die Geschichte einige Jahre nach den Ereignissen im vorigen Buch angesiedelt, dessen Kenntnis zum Leben aber nicht benötigt wird. Es hat
mich gefreut, dass Doktor Vonella, eine der fiktiven Charaktere, noch tätig ist. Die Handlung spielt…mehrDer zweite Roman des Italieners Domenico Dara „Der Zirkus von Girifalco“ spielt erneut in dem kleinen kalabrischen Ort, in dem er aufgewachsen ist. Zeitlich ist die Geschichte einige Jahre nach den Ereignissen im vorigen Buch angesiedelt, dessen Kenntnis zum Leben aber nicht benötigt wird. Es hat mich gefreut, dass Doktor Vonella, eine der fiktiven Charaktere, noch tätig ist. Die Handlung spielt im süditalienischen Hochsommer über wenige Wochen hinweg.
Bevor ein Zirkus sich Mitte August durch Zufall in Girifalco einfindet und für die Einwohner glücklicherweise Ersatz bietet für die erwarteten und ausgebliebenen Kirmesattraktionen zum Patronasfest San Roccos, stellt der Autor dem Leser eine Reihe seiner Figuren vor, die im Folgenden eine größere Rolle einnehmen werden. Es ist ein bunter Reigen von Personen, die Domenico Dara in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehört Luciano, genannt Lulù, der in der Nervenheilanstalt in Girifalco lebt und von einem Schafhirten gelernt hat auf Blättern zu musizieren. Die sanfte Conetta wünscht sich seit Jahren innig, dass sie schwanger wird und der gleichmütige Archidemu hofft darauf, dass er eines Tages seinen deutlich jüngeren Bruder wiederfindet, der als Kind beim Spielen unauffindbar verschwunden ist. Angelo hingegen fällt in der Dorfgemeinschaft durch seine blonden Haare auf und sehnt sich danach, seinen Vater kennenzulernen über den seine alleinstehende Mutter sich nicht äußert. Die verbitterte Mararosa plagt die Eifersucht auf die glückliche Rosaria, die mit dem Händler Sarvatùras verheiratet ist und der alternde Schneider Venanziu bemüht sich darum, seinen Lustgewinn zu maximieren. Jede der Hauptfiguren ist auf ganz besondere Art und Weise vom Einzug des Zirkusses betroffen und findet eine Verbindung zu einem der Artisten.
Durch seine Ortskenntnis vermittelt der Autor ein authentisches Bild des Handlungsorts. Seine Figuren sind liebevoll im Detail beschrieben, aber auch zahlreich, was den Überblick manchmal erschwert, aber eine Dorfgemeinschaft treffend wiedergibt. Zorn, Hass und Neid, Missgunst, Stolz, Vorurteile, Freude, Mitleid, Hilfsbereitschaft und Freundschaft stehen hier nebeneinander und sind wie in jedem Ort der Welt auch hier zu finden. Die Szenen wechseln ständig zwischen den einzelnen Personen, was das Lesen nicht einfach macht. Schon als der Zirkus eintrifft, die Protagonisten die geklebten Werbeplakate in Augenschein nehmen und ihre Gefühle beim Betrachten offengelegt werden, war ich gespannt, welche Geschichte sich dazu jeweils entspinnen wird.
Domenico Dara breitet auf poetische Weise die Lebens- und Denkart seiner Figuren in einem breiten Spektrum vor dem Leser aus. Der Zirkus entfaltet Anziehungskraft auf die Bewohner und gleichzeitig trägt auch die Zurschaustellung von Reliquien zum Patronatsfest dazu bei, dass sich etwas Mysteriöses über den Ort legt, das zum Glauben, Wünschen und Träumen einlädt. Der Autor philosophiert über manche Gesetzmäßigkeiten der Natur, die berühmte Denker aufgeschrieben haben. Das Dorfleben in Girifalco sieht er im Ausgleich zwischen Gut und Böse, zu dem die Einwohner mit ihrem Verhalten beitragen, die aber davon nichts ahnen.
Mit großem Einfühlungsvermögen und Beschreibungen von ironisch bis anzüglich und von rau bis mitfühlend erzählt Domenico Dara in seinem Roman "Der Zirkus von Girifalco" von den Begebenheiten rund um seine gut ausformulierten Charaktere in einem kleinen kalabrischen Dorf, während ein Zirkus über zwei Wochen zu Gast weilt. Ich empfehle den Roman gerne an Leser mit Sinn für Philosophie weiter.