DER ZUG DER 10.000 - EIN GRIECHISCHES SÖLDNERHEER RETTET SICH AUS DEM PERSERREICH
Ein griechisches Söldnerheer - 10000 Mann stark - war eine in der ganzen antiken Welt gefürchtete strategische Waffe. Solch ein Trupp soll im Jahr 401 v.Chr. dem Prinzen Kyros helfen, seinen Bruder, den persischen Großkönig Artaxerxes II., zu stürzen. Die entscheidende Schlacht bei Kunaxa wird gewonnen. Doch der Thronprätendent und die griechischen Befehlshaber fallen. Nun wächst der Kriegsberichterstatter Xenophon, der den politischen Verhältnissen in seiner Vaterstadt Athen überdrüssig war und sich nur deshalb dem Unternehmen angeschlossen hat, in die Rolle des Oberkommandierenden. Wie es ihm gelungen ist, seine Einheit aus dem persischen Reich in Sicherheit zu bringen, was sie dabei gesehen, erlebt und erlitten haben - darüber hat er das in der Antike meistgelesene Buch, die Anabasis, geschrieben. Der Bonner Althistoriker Wolfgang Will hat die Geschichte gründlich erforscht und für die heutige Zeit spannend und informativ neu erzählt.
Zehntausend griechische Söldner werden von dem persischen Prinzen Kyros unter einem Vorwand ins westliche Kleinasien gelockt. Als der Vormarsch beginnt, wird klar, dass das eigentliche Ziel des Unternehmens ist, den Bruder des Prinzen, Großkönig Artaxerxes, zu stürzen und Kyros auf den Thron zu bringen. Alles läuft nach Plan, bis Kyros bei Kunaxa (401 v.Chr.) fällt. Nun gilt es für das griechische Heer, sich aus Feindesland in Sicherheit zu bringen. Der Athener Xenophon (etwa 430 bis etwa 354 v.Chr.), dem wir eine detailreiche Beschreibung der Ereignisse verdanken, war eine Art Kriegsberichterstatter. Doch als die Anführer der Griechen fallen, muss er Verantwortung übernehmen. Er liefert über das militärische Geschehen hinaus Informationen über unbekannte Völker, antike Ruinenstätten, exotische Landschaften, fremdartige Flora und Fauna, aber auch über außergewöhnliche Ess- und Trinkgewohnheiten. Er berichtet über sexuelle Vorlieben, ungewöhnliche Zusammensetzungen von Heeren, über Frauen, Kinder, Hetären, Händler, Ärzte, Diener und Gefangene. Schonungslos legt er die Gräuel des Krieges offen, die ihn, den Sokrates-Schüler, immer wieder mit der Frage nach einem angemessenen moralischen Verhalten konfrontieren. Wolfgang Will hat dessen Anabasis - das in der Antike meistgelesenen Buch - kongenial in ein spannendes modernes Geschichtswerk umgesetzt.
6000 Kilometer durch feindliches Gebiet - ein antikes Söldnerheer rettet sich aus dem persischen Großreich Die Überlieferung eines antiken Kriegsberichterstatters
Ein griechisches Söldnerheer - 10000 Mann stark - war eine in der ganzen antiken Welt gefürchtete strategische Waffe. Solch ein Trupp soll im Jahr 401 v.Chr. dem Prinzen Kyros helfen, seinen Bruder, den persischen Großkönig Artaxerxes II., zu stürzen. Die entscheidende Schlacht bei Kunaxa wird gewonnen. Doch der Thronprätendent und die griechischen Befehlshaber fallen. Nun wächst der Kriegsberichterstatter Xenophon, der den politischen Verhältnissen in seiner Vaterstadt Athen überdrüssig war und sich nur deshalb dem Unternehmen angeschlossen hat, in die Rolle des Oberkommandierenden. Wie es ihm gelungen ist, seine Einheit aus dem persischen Reich in Sicherheit zu bringen, was sie dabei gesehen, erlebt und erlitten haben - darüber hat er das in der Antike meistgelesene Buch, die Anabasis, geschrieben. Der Bonner Althistoriker Wolfgang Will hat die Geschichte gründlich erforscht und für die heutige Zeit spannend und informativ neu erzählt.
Zehntausend griechische Söldner werden von dem persischen Prinzen Kyros unter einem Vorwand ins westliche Kleinasien gelockt. Als der Vormarsch beginnt, wird klar, dass das eigentliche Ziel des Unternehmens ist, den Bruder des Prinzen, Großkönig Artaxerxes, zu stürzen und Kyros auf den Thron zu bringen. Alles läuft nach Plan, bis Kyros bei Kunaxa (401 v.Chr.) fällt. Nun gilt es für das griechische Heer, sich aus Feindesland in Sicherheit zu bringen. Der Athener Xenophon (etwa 430 bis etwa 354 v.Chr.), dem wir eine detailreiche Beschreibung der Ereignisse verdanken, war eine Art Kriegsberichterstatter. Doch als die Anführer der Griechen fallen, muss er Verantwortung übernehmen. Er liefert über das militärische Geschehen hinaus Informationen über unbekannte Völker, antike Ruinenstätten, exotische Landschaften, fremdartige Flora und Fauna, aber auch über außergewöhnliche Ess- und Trinkgewohnheiten. Er berichtet über sexuelle Vorlieben, ungewöhnliche Zusammensetzungen von Heeren, über Frauen, Kinder, Hetären, Händler, Ärzte, Diener und Gefangene. Schonungslos legt er die Gräuel des Krieges offen, die ihn, den Sokrates-Schüler, immer wieder mit der Frage nach einem angemessenen moralischen Verhalten konfrontieren. Wolfgang Will hat dessen Anabasis - das in der Antike meistgelesenen Buch - kongenial in ein spannendes modernes Geschichtswerk umgesetzt.
6000 Kilometer durch feindliches Gebiet - ein antikes Söldnerheer rettet sich aus dem persischen Großreich Die Überlieferung eines antiken Kriegsberichterstatters
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Uwe Walter liest Wolfgang Wills Darstellung des marodierenden griechischen Söldnerzuges im Jahr 401 in Anlehnung an Xenophons "Anabasis" mit Spannung. Der historischen wie literarischen Bedeutung von Xenophons Text ist sich der Autor stets bewusst, stellt Walter fest. Dass Will daher "eng" an der Vorlage bleibt, wenn er sich den Motiven und Hintergründen des Ereignisses widmet, findet Walter angemessen. So erfährt er ohne Beschönigungen Wissenswertes über die soziale Zusammensetzung und rituelle Modalitäten des Söldnerheeres, und Wills Bericht und Analyse verbinden sich für ihn zu einem "gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2023Wie Söldner zu kämpfen pflegen
Angeleitet durch das Zeugnis Xenophons: Wolfgang Will folgt einem griechischen Heer nach Asien und wieder zurück
Die Räume, die das griechische Heer seit dem Frühjahr des Jahres 401 durchquerte, sind heutzutage als Zonen von Konflikt und Gewalt geläufig: von der Mittelmeerküste nach Osten das südliche Anatolien, Nordsyrien, Mesopotamien bis nahe Babylon, von dort im Winter nach Norden am Tigris entlang, durch Ostanatolien und Armenien bis zur Südküste des Schwarzen Meeres, wo über einige See- und Landetappen schließlich Byzanz erreicht wurde. Auch die Berufsbezeichnung der Hauptakteure ist nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf aktuell wieder in aller Munde: Söldner.
Bei den Zehntausend, von denen der Bonner Althistoriker Wolfgang Will berichtet, handelte es sich um Kämpfer, die der Dreißigjährige Krieg zwischen Athen und Sparta geradezu ausgespien hatte: professionalisierte Kämpfer, großenteils von der Peloponnes, denen der Krieg nicht nur zum Broterwerb diente, sondern zur zweiten Existenz geworden war, und die selbst dann nur noch schwer in ihre Heimatstädte und Heimatregionen zurückgefunden hätten, wenn diese nicht verarmt gewesen wären. Der Übertritt vom bürgerlichen Leben in den Krieg und zurück, in jeder Milizarmee eine Herausforderung, fand für diese oftmals verrohten Gestalten nicht mehr statt.
Eine profunde Gesamtgeschichte und Strukturanalyse des Söldnerwesens in Hellas auf dem Stand der Forschung fehlt, doch Will hat sicher gut daran getan, seinen Stoff nicht zum Testfall einer solchen Tiefenbohrung zu degradieren. Denn die Darstellung, die der Athener Xenophon im Exil knapp zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen auf der Basis seines Tagebuchs verfasste, ist in literarischer, historischer und nicht zuletzt menschlicher Hinsicht ein einzigartiges Zeugnis, gewiss wert, für sich genommen zum Sprechen gebracht zu werden.
Der Titel "Anabasis" meint den "Hinaufmarsch" ins Kernland des Perserreiches und verweist auf den Zweck des Unternehmens: Im Streit, wer König des Weltreichs werden sollte, hatte der Jüngere Kyros ein Heer mobilisiert, darunter die Söldner, um seinen Bruder Artaxerxes zu stürzen. In einer großen Schlacht bei Kunaxa nahe Babylon erlangten die Angreifer die Oberhand, doch Kyros kam ums Leben. Nach komplizierten Verhandlungen und Machinationen gelang es den Persern überdies, einen großen Teil des Führungspersonals der Griechen zu töten. Die als Truppe intakten, zugleich enthaupteten Söldner mussten sich neu organisieren, um möglichst unbeschadet aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Dabei gelangte auch Xenophon in eine leitende Position, nachdem er zuvor die Operation als Beobachter im Umfeld eines befreundeten Spartaners begleitet hatte - die deutsche Sprache kennt hierfür das treffende Wort Schlachtenbummler.
Will berichtet eng an Xenophon angelehnt den Vormarsch wie die Absetzbewegung, das Erreichen des Meeres - der Ruf "Thalatta, Thalatta!" hat Dichter von Heine bis Joyce inspiriert - und die verwickelten Wendungen danach. Hintergründe, Motive und Handlungsweisen erklärt er in einem klaren Stil, auch darin nahe bei der Vorlage. Während griechische Publizisten und Gelehrte zu dieser Zeit den Antagonismus zwischen Barbaren und Hellenen ideologisch oder "wissenschaftlich" überhöhten (und damit weitreichende Wirkung erzielten), war Xenophon, wie Will mit Recht betont, jede "verlogene Attitüde des Kolonialherrn" fremd; nirgends erhebt er sich über fremde Sitten und Bräuche. Der Autor stilisierte sich selbst vielfach als Person und Anführer, doch auf die Verhältnisse blickte er nüchtern. Seine Akteure gehorchten zugleich Ares und Hermes, Krieg und Erwerb waren in vielfältigen Verschränkungen präsent. Denn nur sehr partiell wurden die Söldner ordentlich mit Geld bezahlt, um sich auf dem Marsch auf lokal bereitgestellten Märkten verpflegen zu können. Öfter sahen sie sich aufs Plündern verwiesen; Gefangene wurden zu Sklaven gemacht und verkauft, um Geld zu generieren.
Jeder, ob Gemeiner oder Offizier, suchte seinen Schnitt zu machen; einmal stellt der Autor fast beiläufig fest, nahezu alle Spartaner, die außerhalb ihrer Heimatstadt hochrangige Ämter bekleideten, seien korrupt gewesen. Nicht selten zahlten die Einheimischen auch Tribut, um die unberechenbaren Gäste rasch wieder loszuwerden, verwiesen sie auf begüterte Nachbarn oder mühten sich um Transportkapazitäten. Ein größerer Söldnerhaufen bedeutete Unruhe in jedwedem Herrschaftsgebiet, wie sich zumal an den Rochaden am Ende des Zuges, in ganz oder teilweise von Griechen besiedelten Regionen zeigte. Die Feldherren konnten allenfalls Exzesse verhindern und Versuche Einzelner, sich zu bereichern, bestrafen.
Selten, so stellt Will klar, beschönige oder verschleiere Xenophon, was die Zehntausend in den Augen der betroffenen Bevölkerungen waren, nämlich "eine Art bewaffneter Heuschreckenschwarm, der gierig über ihre Vorräte herfiel". Wie so oft im Krieg stand die Sicherung der Ernährung weit oben: Mehr als den Feind fürchtete der gewöhnliche Söldner, so eine der trockenen Pointen, den eigenen leeren Magen, fürchtete, "ungefrühstückt" (anaristos) ins Gefecht ziehen zu müssen.
Historisch interessant sind auch die komplexen Gehorsams- und Solidaritätsmodalitäten in dem von Soldaten und Offizieren aus verschiedenen Städten und Gegenden stammenden Heer, das Zusammenspiel zwischen dem Feldherrengremium, den Hauptleuten und der Heeresversammlung, die durchaus "ein demokratisches Element in der hierarchischen Struktur der Söldnerarmee" darstellte - einmal musste sich Xenophon gar für die Schläge rechtfertigen, die er einem Untergebenen verabreicht hatte. Öfter, so scheint es, vermochte der Athener in kritischen Situationen durch geschickte Rhetorik seinen Mangel an Prestige gerade unter den spartanisch geprägten Kadern zu kompensieren. Die Friktionen waren unübersehbar, und bei vielen Söldnern ließ die Gier nicht selten jede Vorsicht vergessen. Sowohl die Truppenteile als auch die rivalisierenden Anführer mussten immer wieder verlustreich lernen, wie viel größer die Chancen auf Überleben und Beute waren, wenn man zusammenblieb und konzertiert operierte.
Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen. Neben Stumpfheit und Gewalt standen Leidens- wie Improvisationsfähigkeit von Arbeitslosen, Verarmten oder Verbannten, die sich als Söldner eine eigene Welt schufen und Grenzen verschoben. Zweifellos haben Philipp der Zweite von Makedonien und sein Sohn Alexander die "Anabasis" aufmerksam gelesen und gelernt, was möglich werden konnte. UWE WALTER
Wolfgang Will: "Der Zug der 10 000". Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres.
C. H. Beck Verlag, München 2022. 314 S., Abb., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Angeleitet durch das Zeugnis Xenophons: Wolfgang Will folgt einem griechischen Heer nach Asien und wieder zurück
Die Räume, die das griechische Heer seit dem Frühjahr des Jahres 401 durchquerte, sind heutzutage als Zonen von Konflikt und Gewalt geläufig: von der Mittelmeerküste nach Osten das südliche Anatolien, Nordsyrien, Mesopotamien bis nahe Babylon, von dort im Winter nach Norden am Tigris entlang, durch Ostanatolien und Armenien bis zur Südküste des Schwarzen Meeres, wo über einige See- und Landetappen schließlich Byzanz erreicht wurde. Auch die Berufsbezeichnung der Hauptakteure ist nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf aktuell wieder in aller Munde: Söldner.
Bei den Zehntausend, von denen der Bonner Althistoriker Wolfgang Will berichtet, handelte es sich um Kämpfer, die der Dreißigjährige Krieg zwischen Athen und Sparta geradezu ausgespien hatte: professionalisierte Kämpfer, großenteils von der Peloponnes, denen der Krieg nicht nur zum Broterwerb diente, sondern zur zweiten Existenz geworden war, und die selbst dann nur noch schwer in ihre Heimatstädte und Heimatregionen zurückgefunden hätten, wenn diese nicht verarmt gewesen wären. Der Übertritt vom bürgerlichen Leben in den Krieg und zurück, in jeder Milizarmee eine Herausforderung, fand für diese oftmals verrohten Gestalten nicht mehr statt.
Eine profunde Gesamtgeschichte und Strukturanalyse des Söldnerwesens in Hellas auf dem Stand der Forschung fehlt, doch Will hat sicher gut daran getan, seinen Stoff nicht zum Testfall einer solchen Tiefenbohrung zu degradieren. Denn die Darstellung, die der Athener Xenophon im Exil knapp zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen auf der Basis seines Tagebuchs verfasste, ist in literarischer, historischer und nicht zuletzt menschlicher Hinsicht ein einzigartiges Zeugnis, gewiss wert, für sich genommen zum Sprechen gebracht zu werden.
Der Titel "Anabasis" meint den "Hinaufmarsch" ins Kernland des Perserreiches und verweist auf den Zweck des Unternehmens: Im Streit, wer König des Weltreichs werden sollte, hatte der Jüngere Kyros ein Heer mobilisiert, darunter die Söldner, um seinen Bruder Artaxerxes zu stürzen. In einer großen Schlacht bei Kunaxa nahe Babylon erlangten die Angreifer die Oberhand, doch Kyros kam ums Leben. Nach komplizierten Verhandlungen und Machinationen gelang es den Persern überdies, einen großen Teil des Führungspersonals der Griechen zu töten. Die als Truppe intakten, zugleich enthaupteten Söldner mussten sich neu organisieren, um möglichst unbeschadet aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Dabei gelangte auch Xenophon in eine leitende Position, nachdem er zuvor die Operation als Beobachter im Umfeld eines befreundeten Spartaners begleitet hatte - die deutsche Sprache kennt hierfür das treffende Wort Schlachtenbummler.
Will berichtet eng an Xenophon angelehnt den Vormarsch wie die Absetzbewegung, das Erreichen des Meeres - der Ruf "Thalatta, Thalatta!" hat Dichter von Heine bis Joyce inspiriert - und die verwickelten Wendungen danach. Hintergründe, Motive und Handlungsweisen erklärt er in einem klaren Stil, auch darin nahe bei der Vorlage. Während griechische Publizisten und Gelehrte zu dieser Zeit den Antagonismus zwischen Barbaren und Hellenen ideologisch oder "wissenschaftlich" überhöhten (und damit weitreichende Wirkung erzielten), war Xenophon, wie Will mit Recht betont, jede "verlogene Attitüde des Kolonialherrn" fremd; nirgends erhebt er sich über fremde Sitten und Bräuche. Der Autor stilisierte sich selbst vielfach als Person und Anführer, doch auf die Verhältnisse blickte er nüchtern. Seine Akteure gehorchten zugleich Ares und Hermes, Krieg und Erwerb waren in vielfältigen Verschränkungen präsent. Denn nur sehr partiell wurden die Söldner ordentlich mit Geld bezahlt, um sich auf dem Marsch auf lokal bereitgestellten Märkten verpflegen zu können. Öfter sahen sie sich aufs Plündern verwiesen; Gefangene wurden zu Sklaven gemacht und verkauft, um Geld zu generieren.
Jeder, ob Gemeiner oder Offizier, suchte seinen Schnitt zu machen; einmal stellt der Autor fast beiläufig fest, nahezu alle Spartaner, die außerhalb ihrer Heimatstadt hochrangige Ämter bekleideten, seien korrupt gewesen. Nicht selten zahlten die Einheimischen auch Tribut, um die unberechenbaren Gäste rasch wieder loszuwerden, verwiesen sie auf begüterte Nachbarn oder mühten sich um Transportkapazitäten. Ein größerer Söldnerhaufen bedeutete Unruhe in jedwedem Herrschaftsgebiet, wie sich zumal an den Rochaden am Ende des Zuges, in ganz oder teilweise von Griechen besiedelten Regionen zeigte. Die Feldherren konnten allenfalls Exzesse verhindern und Versuche Einzelner, sich zu bereichern, bestrafen.
Selten, so stellt Will klar, beschönige oder verschleiere Xenophon, was die Zehntausend in den Augen der betroffenen Bevölkerungen waren, nämlich "eine Art bewaffneter Heuschreckenschwarm, der gierig über ihre Vorräte herfiel". Wie so oft im Krieg stand die Sicherung der Ernährung weit oben: Mehr als den Feind fürchtete der gewöhnliche Söldner, so eine der trockenen Pointen, den eigenen leeren Magen, fürchtete, "ungefrühstückt" (anaristos) ins Gefecht ziehen zu müssen.
Historisch interessant sind auch die komplexen Gehorsams- und Solidaritätsmodalitäten in dem von Soldaten und Offizieren aus verschiedenen Städten und Gegenden stammenden Heer, das Zusammenspiel zwischen dem Feldherrengremium, den Hauptleuten und der Heeresversammlung, die durchaus "ein demokratisches Element in der hierarchischen Struktur der Söldnerarmee" darstellte - einmal musste sich Xenophon gar für die Schläge rechtfertigen, die er einem Untergebenen verabreicht hatte. Öfter, so scheint es, vermochte der Athener in kritischen Situationen durch geschickte Rhetorik seinen Mangel an Prestige gerade unter den spartanisch geprägten Kadern zu kompensieren. Die Friktionen waren unübersehbar, und bei vielen Söldnern ließ die Gier nicht selten jede Vorsicht vergessen. Sowohl die Truppenteile als auch die rivalisierenden Anführer mussten immer wieder verlustreich lernen, wie viel größer die Chancen auf Überleben und Beute waren, wenn man zusammenblieb und konzertiert operierte.
Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen. Neben Stumpfheit und Gewalt standen Leidens- wie Improvisationsfähigkeit von Arbeitslosen, Verarmten oder Verbannten, die sich als Söldner eine eigene Welt schufen und Grenzen verschoben. Zweifellos haben Philipp der Zweite von Makedonien und sein Sohn Alexander die "Anabasis" aufmerksam gelesen und gelernt, was möglich werden konnte. UWE WALTER
Wolfgang Will: "Der Zug der 10 000". Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres.
C. H. Beck Verlag, München 2022. 314 S., Abb., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Wolfgang Will entwirrt all die Fäden der historischen Überlieferung auf meisterliche Weise"
Süddeutsche Zeitung, Joachim Käppner
"Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Uwe Walter
"Will zeigt, wie modern die «Anabasis» ist und wie der Autor durch das Schreiben zum Bewusstsein seiner selbst und zu den großen Fragen seiner Zeit gelangt."
Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann
"Eine luzide Revision eines der am meisten gelesenen Bücher der Antike."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Es ist hochspannend, wie sich die Mannen organisieren, sogar demokratische Strukturen aufbauen, um mit Hilfe von Wahlen die Befehlsstruktur aufrecht zu erhalten."
Ärzte Woche, Raoul Mazhar
"Durch die von Will ausführlich nachgezeichnete 'Anabasis' wird die antike Kriegsgeschichte letztlich heroischer Verehrung entzogen sowie der militärische Alltag als sinnloser, riskanter Gelderwerb entlarvt."
Damals, Prof. Dr. Lukas Thommen
Süddeutsche Zeitung, Joachim Käppner
"Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Uwe Walter
"Will zeigt, wie modern die «Anabasis» ist und wie der Autor durch das Schreiben zum Bewusstsein seiner selbst und zu den großen Fragen seiner Zeit gelangt."
Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann
"Eine luzide Revision eines der am meisten gelesenen Bücher der Antike."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Es ist hochspannend, wie sich die Mannen organisieren, sogar demokratische Strukturen aufbauen, um mit Hilfe von Wahlen die Befehlsstruktur aufrecht zu erhalten."
Ärzte Woche, Raoul Mazhar
"Durch die von Will ausführlich nachgezeichnete 'Anabasis' wird die antike Kriegsgeschichte letztlich heroischer Verehrung entzogen sowie der militärische Alltag als sinnloser, riskanter Gelderwerb entlarvt."
Damals, Prof. Dr. Lukas Thommen