"Denn welcher deutschsprachige Roman bringt so viele so genau recherchierte Details, wie man das sonst nur von amerikanischen Großmeistern kennt?", schrieb Willi Winkler im SPIEGEL über GROVERS ERFINDUNG (1990). Mit diesem Buch begann die Zusammenarbeit zwischen Andreas Mand und dem Maroverlag. DAS ROTE SCHIFF (1994) war "wieder ein wunderbar leichtes Buch über das Erwachsenwerden in Deutschland" (Helmut Schödel, DIE ZEIT). In Romanen wie KLEINSTADTHELDEN und VATERKIND, die in anderen Verlagen erschienen, setzte er seine "einzigartige private Geschichtsschreibung" (Peter Henning) fort, wurde als "äußerst sensibler Chronist der letzten 30 Jahre" (Tilman Spreckelsen, FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG) gerühmt, wenngleich die Bände nicht in chronologischer Reihenfolge erschienen. Mit den "vielen guten Szenen" (Wilhelm Genazino) von PAUL UND DIE BEATMASCHINE (2006) endete die Serie vorerst. Es folgten Theaterstücke und eine CD.Fünf Jahre hat Andreas Mand an seinem neuen Roman gearbeitet, hier ist er.
Langsam verwandelt: Andreas Mands neuer Roman
Es ist lange her, dass Andreas Mand, geboren 1959 in Duisburg, in seinen autobiographisch grundierten Romanen das Leben eines Paul Schade geschildert hatte und dabei, besonders in dem meisterlichen "Das rote Schiff", immer wieder nach den Ursachen gegenwärtiger Zustände suchte und dafür Schicht um Schicht von der Gegenwart des Erzählers abtrug. Mand wurde dafür als Popliterat avant la lettre gefeiert, es folgten einige Romane, zwei Theaterstücke und eine CD mit Musik von den Demobändern, über deren Entstehung sein Alter Ego berichtet hatte. Mand erzählte vom Aufwachsen eines eigenwilligen Kindes, das sich an den Autoritäten rieb und als Student mehr mit dem Schreiben und mit seiner Gitarre beschäftigt war als mit dem Anhäufen akademischen Wissens, der eine jahrelange unglückliche Liebe pflegte und bei aller Selbstbeobachtung nie den wachen Sinn für die Anpassung der anderen verlor.
Nun ist ein Band erschienen, der im Duktus eines für den Druck eingerichteten Tagebuchs einen Schriftsteller schildert, dessen Frau als Lehrerin für den Unterhalt der Familie sorgt, während der Autor seine Existenz als Hausmann oft verflucht, meist hinnimmt und manchmal sogar zu lieben scheint.
"Ich bin ein schmaler, grauer Mann geworden mit unklaren Beschwerden und bewege mich, wenn es stimmt, was ich heute fühle, auf ein umfassendes Scheitern zu", heißt es einmal, hinzu kommen gelegentliche Sorgen um die beiden Söhne, um die Beziehung zu seiner Frau oder ums Haus. Wie aus all dem aber noch eine andere, größere Geschichte erwächst, zeigt Mand auf der Höhe seiner Kunst: Er schildert die schleichende, permanente Verwandlung eines Menschen unter dem Einfluss der Notwendigkeiten und der vergehenden Zeit ebenso effizient wie elegant.
spre.
Andreas Mand: "Der zweite Garten". Roman.
Maro Verlag, Augsburg 2015. 366 S., br., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Andreas Mand müsste eigentlich der "Kultautor" seiner Generation sein, die Stimme seiner Zeit, die gerade das Ende aller Utopien erlebt, denkt Rezensent Helmut Schödel. Mand schafft es, das spießige Leben einer mittelalten Generation, die mit ihren alternativen Lebensentwürfen gescheitert ist, in seiner ganzen Banalität zu beschreiben, lobt der Rezensent: genau und überraschend spannend. Hauptfiguren sind eine Familie im kleinbürgerlichen Minden - die Mutter, Grundschullehrerin Anfang 50, würde gern weg, ist aber schon viel zu festgefahren in ihrer Routine. Dito der Vater, Hausmann und erfolgloser Schriftsteller, den die Einsamkeit plagt. Selbsterkenntnis gibt es, aber keine Ironie mehr. Die ist diesem Paar in seinem ganzen "Banalismus" wohl gründlich vergangen. Der Rezensent kann's verstehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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