Tobias Nicklas' Kommentar zum Zweiten Thessalonicherbrief ergänzt die auf das Jahr 1909 zurückgehende Kommentierung durch Ernst von Dobschütz durch eine aktuelle Bearbeitung. Nicklas versteht den Text als pseudepigraphische Schrift einer unbekannten Figur des frühen Christentums, die mit dem Denken des Paulus vertraut war, dieses aber in entscheidenden Punkten einer neuen Situation anpasste. Der Brief antwortet auf eine Krise: Eine sich prophetisch verstehende Gruppe verkündet, dass »der Tag des Herrn schon daß sei (2Thess 2,2) und beruft sich dabei auf Paulus selbst. Um in dieser Situation das Erbe des Paulus zu retten, wird im Namen des Paulus geantwortet. Dabei entsteht ein Text, der nicht nur aufgrund seiner Aussagen zur Endzeit bedeutsam ist, sondern auch mit seiner Kyrio-Logie, d.h. der Rede vom »Herrn« und seinen Ideen vom Wesen der Gemeinde in einer sich dehnenden Zeit theologisch spannend ist. Gleichzeitig bedürfen Aussagen des Texts zum Ethos des Arbeitens oder zur Rolle des Apostels durchaus der historischen Einordnung und hermeneutischen Distanz. Als besondere Herausforderung erweist sich die Idee, das gegenwärtige Leid der Gemeinde sei »sicheres Indiz« der im endzeitlichen Gericht zu erwartenden Gerechtigkeit Gottes. Vor diesem Hintergrund versteht Nicklas den Grundimpuls der Schrift nicht in der Information über die Zukunft, sondern in ihrer »Neubestimmung der Gegenwart«, was auch für die heutige Kirche noch von großem Nutzen sein kann.
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