Marktplatzangebote
13 Angebote ab € 0,99 €
  • Gebundenes Buch

Im Sommer 1913 verbringt der junge aristokratische Dichter Cecil Valance ein Wochenende bei der Familie seines Cambridge-Kommilitonen George Sawle. Besonders Georges kleine Schwester Daphne ist sofort von dem gut aussehenden Gentleman eingenommen, und Cecil widmet ihr ein Gedicht. Es wird zum lyrischen Symbol einer ganzen Generation. Nach Cecils Tod im Ersten Weltkrieg ranken sich immer neue Mythen und Geheimnisse um die Person und das Werk des Dichters. Cecils Leser und sogar seine Familie stehen vor einem Rätsel. In den folgenden Jahrzehnten werden nicht nur Daphne und George, sondern vor…mehr

Produktbeschreibung
Im Sommer 1913 verbringt der junge aristokratische Dichter Cecil Valance ein Wochenende bei der Familie seines Cambridge-Kommilitonen George Sawle. Besonders Georges kleine Schwester Daphne ist sofort von dem gut aussehenden Gentleman eingenommen, und Cecil widmet ihr ein Gedicht. Es wird zum lyrischen Symbol einer ganzen Generation. Nach Cecils Tod im Ersten Weltkrieg ranken sich immer neue Mythen und Geheimnisse um die Person und das Werk des Dichters. Cecils Leser und sogar seine Familie stehen vor einem Rätsel.
In den folgenden Jahrzehnten werden nicht nur Daphne und George, sondern vor allem Cecils literarischer Nachlass von Öffentlichkeit, Biografen und Wissenschaft instrumentalisiert entsprechend der jeweiligen literarischen und kulturellen Mode der Zeit. Doch dann macht sich ein junger Literaturfreund daran, Cecils Geheimnis zu lüften, und ein Antiquar macht eine überraschende Entdeckung ...
Ein sinfonischer Roman um eine schillernde und geheimnisvolle Figur brillant erzählt in sinnenfreudigen Bildern und kommentiert mit ironischem Witz.
Autorenporträt
Alan Hollinghurst, geboren 1954 in Stroud, Gloucestershire, zählt zu den bedeutendsten Gegenwartsautoren Großbritanniens.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ingo Arend zeigt sich angetan von Alan Hollinghursts fünftem Roman "Des Fremden Kind". Der Autor, "Chronist des schwulen Lebens in Großbritannien", vermittelt hier einmal mehr einen Blick auf die homosexuelle Liebe. Allerdings geht es in vorliegendem Werk nach Ansicht Arends etwas gediegener und subtiler als in vorangegangenen Romanen Hollinghursts zu. Die schwule Erregung scheint ihm weitgehend zu einem Gefühl von "unter der Oberfläche spürbarer Erregung" sublimiert. Das führt seines Erachtens bisweilen zu einem gewissen Spannungsabfall. Andererseits findet er in dem Werk immer wieder psychologisch höchst raffinierte Milieu- und Charakterstudien, die für ihn einmal mehr belegen, dass Hollinghurst zu den besten europäischen Erzählern zu rechnen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2012

Ein Jahrhundert und drei Tage

Alan Hollinghurst entziffert in seinem Roman "Des Fremden Kind" den Aufstieg eines Gedichts und den Niedergang Englands.

Drei Mal waren Gegenwart und Erleben die Leitworte von Alan Hollinghursts Romanen. In "Die Schwimmbadbibliothek" (1988) cruiste William Beckwith in erotischem Dauerrausch durch den Londoner Sommer 1983, den letzten vor Aids. In "Die Verzauberten" (1998) waren die Helden älter und die Schatten länger geworden, es brauchte Ecstasy oder die künstliche Ruhe teurer Landhäuser, um ein fragil gewordenes Gegenwartsglück zu feiern. Im Roman "Die Schönheitslinie", der Hollinghurst 2004 den Man-Booker-Preis eingetragen hat, wurden Aufstieg und Verfall der Thatcher-Jahre so sehr ästhetisch gefeiert und satirisch decouvriert, dass sich über den Glanz der Gegenwart fast schon das Sepia des historischen Romans legte.

Nach sieben langen Jahren ist Hollinghurst nun mit "Des Fremden Kind" zurückgekehrt, einem Roman, in dem die Akzente sich ganz und gar verschoben haben. Das Historische, das in der "Schwimmbadbibliothek" und im ephebophilen Solitär "The Folding Star" (1994) in Gestalt einmontierter Dokumente immer schon präsent war, ist in den Vordergrund getreten. Statt der Gegenwart und dem Erleben dominieren nun die Vergangenheit und das Erinnern. Der Niedergang, mit dem Hollinghurst stets geflirtet hat, wird zur Grundmelodie eines Jahrhundertpanoramas. Statt einen Sommer oder ein kurzes Jahrzehnt, wie die früheren Bücher, umspannt der neue Roman fast ein ganzes Säkulum - er spielt zwischen 1913 und 2008 -, aber genau besehen durchlebt dieses Buch seine Zeit vorwiegend in der Erinnerung an wenige legendenumwobene Tage im Sommer 1913. Damals hat der junge, hinreißend schöne aristokratische Dichter Cecil Valance seinen Cambridger Kommilitonen George Sawles auf Three Acres, dem unweit von London gelegenen vergleichsweise bescheidenen Anwesen der Sawles, besucht. Er bezirzte die Mutter, verführte den Sohn, versuchte es mit der Schwester und hielt bei der Abreise in deren Poesiealbum einen Moment der Liebe in einem "Three Acres" benannten, fünfseitigen Gedicht fest. Nach dem Tod Cecils im Ersten Weltkrieg zitiert Churchill in der "Times" einige Zeilen aus dem Gedicht und macht es dadurch erst zu einer Hymne des englischen Patriotismus und dann zu einem Schulbuchklassiker.

Hollinghurst braucht 130 Seiten, um mit einem an "Brideshead Revisited" gemahnenden Zauber dieses Sommerstück zu erzählen. Die restlichen 550 Seiten dienen der Erinnerung an diese Tage und der Entzifferung des Gedichts. An wen ist es gerichtet? An Daphne? An George? An alle Sawles? Welches England beschwört es? Und was ist mit diesem England geschehen?

Das fragen sich im zweiten Teil an zwei festlichen Tagen im April 1926 die Freunde und die Familie Cecils bei einem Treffen auf Corley Court, dem enormen viktorianischen Kasten der Valances (nicht drei, sondern 3000 Morgen!). Cecil ruht in der Familienkapelle, unter seiner eigenen hochgezüchteten Grabplastik. Daphne Sawles ist als Gattin von Cecils Bruder inzwischen Lady Valance, Three Acres ist verkauft und dem Niedergang geweiht, ein konservativer Politiker, der auch in Cecil verliebt war, sammelt Material für eine kleine Biographie von Cecil und interviewt alle Gäste der Reihe nach.

Dieselben Fragen stellen sich im dritten Teil rund um Daphnes siebzigsten Geburtstag 1967 wiederum Familie, Freunde sowie zwei Neuzugänge: Peter, Lehrer und Cecil-Leser auf dem zum Internat abgesunkenen Corley Court, und Paul, junger Bankbeamter, Cecil-Fan und Geliebter Peters. Im vierten Teil befragt im Jahr 1980 Paul, inzwischen Biograph Cecils, auf länglicher Recherchentour sich, die überlebenden Familienmitglieder und die verfallenden Häuser. Und im Schlussteil wispern die Fragen im Jahr 2008 nochmals durch eine Gedenkveranstaltung zu Peters Tod und erhalten neues Leben durch ein auf den letzten Seiten überraschend auftauchendes Briefkonvolut, das uns noch einen Mann zeigt, dem Cecil seinerzeit auf Three Acres den Kopf verdreht hat.

Hier handelt es sich, wie leicht zu bemerken ist, um einen ziemlich speziellen Romankasten. Speziell ist die Wahl seines nostalgisch umsehnten halbviktorianischen Ausgangspunkts: Der Titel "The Strangers Child" stammt aus Tennysons Gedicht "In Memoriam" - das Lieblingsgedicht der Königin Victoria ist auch dasjenige von Cecil. Georges und Daphnes Vater bekam auf der Hochzeitsreise sogar noch von Tennyson persönlich einige herzhaft-derbe Ratschläge. Cecil ist von Hollinghurst nach dem Modell des Dichters Rupert Brooke gearbeitet, der als schönster Mann Englands galt; Cecils Gedicht "Three Acres" erinnert an Brookes "The Soldier", zu Ruhm gekommen durch Churchills Nachruf in der "Times".

Speziell ist der limitierte Umgang mit diesem zarten Versgebilde. Hollinghurst zitiert es nie zur Gänze. Zwei, drei Zeilen hier, und vier, fünf andere dort lassen erahnen, dass es von Liebesszenen zwischen Cecil und George in einer Hängematte und bei einem Waldspaziergang handelt. Limitiert sind auch die Fragen, die an das Gedicht gerichtet werden; sie konzentrieren sich bald recht obsessiv darauf, ob Cecil schwul war (was der Leser von Anfang an weiß) und ob er der Vater von Daphnes erstem Kind ist (was bis zum Schluss offen bleibt).

Man muss schon ein Stilist von Hollinghursts Graden sein, um auf diesem schmalen Grundsteinchen die Funken eines doch lange Zeit brillanten Romanfeuerwerks zu schlagen. Wie schon in der "Schönheitslinie" exzelliert Hollinghurst in der schwebenden Schilderung ausgedehntester Partyszenen. Die Interieurs glänzen dabei so superb und nuanciert wie die bekanntlich überaus fein codierten britischen Klassenverhältnisse. Die in den sukzessiven Zeiten aufgenommenen Gruppenbilder kriegen durch Scheidungen und Neuverheiratung einen aparten Dreh. Kriegstraumata werden ebenso miterzählt wie der lange Weg der Homosexualität vom Heimlichen und Verbotenen zur eingetragenen Partnerschaft. Und alles behält enorme Frische durch eine Erzählweise, die sich gleichsam mit der Handkamera mitten ins Getümmel stürzt und den Leser, statt ihn von oben herab ins Bild zu setzen, erst nach und nach die Zusammenhänge begreifen lässt. Der alt und dusslig werdende George ist sehr komisch. Und die zum Schluss in einem verfallenden Dienerhaus in viktorianischem Möbelchaos in sich hinein dämmernde und trinkende Daphne ist eine große Frauenfigur; die erste, die Hollinghurst geglückt ist. Ob "goodness" dabei zu "ach, Gottchen" , "a frank, convivial way" zu "gönnerhaft" und "very playful" zu "schelmisch" werden muss, kann man sich fragen.

Aber als Hollinghurst sich mit dem vierten Teil von den großen Gruppenszenen abwendet und uns mit Paul durch die Mühen der biographischen Alltagsarbeit schickt, verliert der Roman, wenn nicht gerade George oder Daphne zum Interview sitzen, seinen Charme. Dass hinter dem Gedicht Cecils eine schwule Liebe steckt, ist von Anfang an bekannt. Dass die Familie das nicht wahrhaben will, auch nicht wirklich romanfüllend. Allerhand literarisches Anspielungsgeklingel auf Strachey, Forster, Holroyd, Waugh hilft der Sache nicht auf. Und so geht es einem am Ende mit "Des Fremden Kind" wie mit diesen wunderbaren Geschenken von Hermès, bei denen die luxuriösen zehn Schichten der Verpackung bisweilen mehr Spaß machen als das zuletzt sich zeigende toutpetitrien.

ANDREAS ISENSCHMID

Alan Hollinghurst: "Des Fremden Kind". Roman.

Aus dem Englischen von Thomas Stegers. Blessing Verlag, München 2012. 687 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
"Es ist ein schönes, altmodisches, melancholisches Buch, reich an Anspielungen und hintergründigem Humor." Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung