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Knapp nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, sah die Wiener Werkstätte ihre Hauptaufgabe darin, freie und angewandte Kunst, Zweck und Form wieder zu einer Einheit zu verbinden, sämtliche Lebensbereiche mit Kunst zu durchdringen, also auch den "geringsten" Gegenständen des Alltags ästhetische Sorgfalt angedeihen zu lassen. Das Ergebnis war, ein letztes Mal noch, das Gesamtkunstwerk, exemplarisch im erhaltenen Brüsseler Palais Stoclet, der bedeutendsten Gesamtschöpfung des internationalen Jugendstils, ausgewiesen. Das Team Josef Hoffmann und Kolo Moser sowie deren Mitarbeiter ließen…mehr

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Produktbeschreibung
Knapp nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, sah die Wiener Werkstätte ihre Hauptaufgabe darin, freie und angewandte Kunst, Zweck und Form wieder zu einer Einheit zu verbinden, sämtliche Lebensbereiche mit Kunst zu durchdringen, also auch den "geringsten" Gegenständen des Alltags ästhetische Sorgfalt angedeihen zu lassen. Das Ergebnis war, ein letztes Mal noch, das Gesamtkunstwerk, exemplarisch im erhaltenen Brüsseler Palais Stoclet, der bedeutendsten Gesamtschöpfung des internationalen Jugendstils, ausgewiesen. Das Team Josef Hoffmann und Kolo Moser sowie deren Mitarbeiter ließen keinen Design-Bereich aus: Neben Möbeln wurden auch Tischgerät, Metall-, Keramik- und Glasgegenstände, Bücher, Plakate und Postkarten, Tapeten, Briefpapiere und Geschäftsdrucksachen entworfen, aber auch Schmuck, Stoffe und die Haute Couture waren ihr Metier. Auf mehr als 500 Abbildungen wird mustergültiges Design der wesentlichen Mitarbeiter, zu denen neben Carl Otto Czeschka, Egon Schiele und Oskar Kokoschka gehören, repräsentativ aus allen Gestaltungsbereichen vorgestellt.
Autorenporträt
Christian Brandstätter, geboren 1943 in Lambach, OÖ. 1961-1965 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, 1968-1982 leitender Mitarbeiter des Verlags Fritz Molden, ab 1974 Gründer der Molden Edition. 1993-2003 Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik der Universität Wien. Seit 1982 Verleger des Christian Brandstätter Verlages. Autor und Gestalter zahlreicher Bildbände.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2003

Vorgeschmack auf ein geometrisches Jahrhundert
Jugendstil, schnörkellos: Christian Brandstätters Jubiläumsband zum Design der Wiener Werkstätte

Ausgerechnet bei der Eröffnung des Brüsseler Palais Stoclet traf Josef Hoffmann die Dame des Hauses in einer Garderobe an, die seinen ästhetischen Vorstellungen wenig zusagte. Die Gattin des belgischen Bankierssohns Adolphe Stoclet neigte zur Pariser Haute Couture, wogegen der Architekt des mondänen Brüsseler Gesamtkunstwerks aus Design, Baukunst und Gartenbau auf seine eigene Art in Revision zu gehen gedachte. Der führende Kopf der Wiener Werkstätte, die den Privatpalast vom Besteck bis zum Gartenbau komplett projektiert hatte, beschloß, daß sich die von ihm mitbegründete Bewegung fortan stärker auch um die Mode kümmern müsse. Das Korsett wurde abgelegt, und die Reformmode mit ihren wallenden Kleidern trat zunehmend ins öffentliche Leben. Die Dame im bauschigen Kleid, mit Blumenmuster und Zick-Zack-Design eines Dagobert Peche, wurde chic.

Und siehe da: Selbst renommierte Pariser Haute-Couture-Schöpfer wie Paul Poiret fragten in der Werkstatt an der Donau nach Stoffen, die sich sodann in den Geschmack in der Hauptstadt der Kunst einmischen sollten. Die Modeabteilung avancierte zum kommerziell erfolgreichsten Zweig der Wiener Werkstätte - jener 1903 gegründeten Allianz aus Künstlern und Kunsthandwerkern, die bei aller Fragilität fast dreißig Jahre, bis 1932, durchhielt. Sie überlebte den Ersten Weltkrieg und den Zusammenbruch der Monarchie und setzte in Europa frühe Maßstäbe bei der Idee eines korporativen Designs, wobei sie im wesentlichen durch private Aufträge aus der jüdischen Bourgeoisie gestützt und befeuert wurde.

An ihrem hundertsten Geburtstag wird die Wiener Werkstätte naturgemäß noch einmal ausgiebig gerühmt. Die Würdigung gilt der Vorläuferin des Bauhauses, als welche sie der Maler Oskar Kokoschka einmal bezeichnet hat, oder der Erfindung der "Corporate Identity", wie sie heute üblich ist - mit dem wiedererkennbaren Logo auf der Anstecknadel und dem geschäftlichen Briefpapier. Das kannte man zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nur in Ansätzen, etwa von Peter Behrens, der damals der AEG in Berlin eine visuelle Identität gegeben hatte.

Das Jubiläum der Wiener Werkstättehat Christian Brandstätter, langjähriger Kenner der Wiener Bewegung, zum Anlaß für einen Bildband genommen, der sich höchst wohltuend vom üblichen Buch vom Typ "opulenter Prachtband" abhebt, wie er bei solchen Jubiläen ansonsten gleichsam automatisch fällig scheint. Kaum Text, dafür eine Menge wohlplazierter Bilder: Ganz offenkundig versteht Brandstätter sein in Zusammenarbeit mit den Verlagen Thames and Hudson sowie Abrams vorgelegtes Buch als Statement für eine visuelle Präzision, die Zusammenhänge bündelt und anschaulich macht - mit kleinem Format und konzisen Bilddialogen, die noch einmal den Filiationen einer längst bekannten Künstlergemeinschaft nachspürt: Architektur und Möbel, Gebrauchsgraphik und Buchkunst, Glas, Keramik, Metall und schließlich Mode, Schmuck und Accessoires. Entstanden ist ein Musterbuch für das Wiener Design und eine graphische Gestaltung, die bei aller Fülle das Auge nicht überreizt.

Im Zuge seiner Recherche in den Nachlaßdokumenten des ehemaligen Hoffmann-Schülers Philipp Häusler, der die Wiener Werkstätte in den zwanziger Jahren für einige Zeit leitete und später zur Werkschule in Offenbach kam, aber auch in Auktionshäusern und Privatsammlungen stieß Brandstätter auf einiges bislang unbekanntes oder kaum publiziertes Material, das seinem Band Aktualität verleiht. Mustergültig lassen sich häufig Entwürfe, Projektskizzen und Postkarten anhand zeitgenössischer Fotografien mit den architektonischen Resultaten vergleichen, so etwa bei den Illustrationen zum "Cabaret Fledermaus". Der Dichter Peter Altenberg sah darin, wohin er auch blickte, nur "zarte, besondere, mit Liebe ausgeführte Gegenstände" - darunter etwa die metallenen Terrinen und ein Geschirr, dessen Klarheit kaum etwas mit dem Klischee des nur verspielten, verschnörkelten Jugendstil-Ornaments gemein hat. Wohingegen die Programmhefte dieses Kabaretts geradezu euphorisch ebendieses Ornament feiern, etwa die Ankündigung einer Szene unter dem Titel "Die Regieprobe", die Max Reinhardt hier aufführte.

Ein Vergnügen machen die Postkarten, bei denen weithin vergessene Protagonisten wieder auf den Plan treten: beispielsweise Rudolf Kalvach, ein konstruktiv-expressiver Gestalter, der 1916, unter dem Eindruck des Krieges, schizophren wurde. Weniger im Bewußtsein als die berühmten Blumentische, Gitterkörbchen, elliptischen Vasen aus gestanztem Metall, in denen schon das Raster als prägendes Merkmal des geometrischen Jahrhunderts vorgefühlt wird, ist heute ein außergewöhnlicher Blumenhalter von Kolo Moser aus dem Anfangsjahr 1903, architektonisch fast im Geiste eines Le Corbusier aufgefaßt. Von archaischer Klarheit ist dagegen eine Tischuhr von Otto Prutscher aus Messing. Hier erlaubt sich der Gestalter mit der Kannelierung der Rahmung und der kurzen Standbeine, die wie kleine Säulen aussehen, einen Rückgriff auf die Antike.

GEORG IMDAHL

Christian Brandstätter (Hrsg.): "Design der Wiener Werkstätte 1903-1932". Verlag Christian Brandstätter, Wien 2003. 400 S., 450 Farb- und 100 S/W-Abb., geb, 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Georg Imdahl lobt, dass dieses Buch zum hundertsten Jubiläum der Wiener Werkstätte von Christian Brandstätter, einem "langjährigen Kenner der Wiener Bewegung", sich "höchst wohltuend vom üblichen Buch vom Typ 'opulenter Prachtband' abhebt, wie er bei solchen Jubiläen" ansonsten "gleichsam automatisch fällig scheint". "Kaum Text" nämlich finde man hier, "dafür eine Menge wohlplazierter Bilder". Außerdem ist der Herausgeber, erfährt man, bei seinen Recherchen für dieses Buch auf einiges "bislang unbekannte" und noch "kaum publizierte Material" gestoßen, das diesem Band nun zusätzlich Aktualität verleiht. "Mustergültig" ließen sich darüber hinaus hier nun Entwürfe, Projektskizzen und Postkarten anhand zeitgenössischer Fotografien mit den architektonischen Resultaten der Wiener Werkstätte vergleichen, die neben Geschirr etwa, Terrinen, Tischuhren, Blumentischen, Gitterkörbchen, Vasen und Mode auch komplette Interieurs entwarf und realisierte - und in diesem Sinne, wie Imdahl betont, wohl auch als wichtigste Vorläuferin der "Corporate Identity" und der Idee eines "korporativen Designs" gelten darf

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