"Designer" ist ein Beruf der sich aus Handwerk, Kunst und Wissenschaft gleichermaßen speist, sich aber nie auf eines der Elemente festlegen lässt. Dennoch hält er sich nun schon seit etlichen Jahrzehnten und wird mit großem Eifer an Hochschulen unterrichtet. Doch auf welcher Grundlage? 100 Jahre nach Gründung der "Großherzoglichen Lehr-Ateliers für angewandte Kunst zu Darmstadt" begeben sich die Autoren Justus Theinert und Kai Buchholz auf Spurensuche. Ihr Buch eröffnet eine Gesamtschau deutscher Design-Ausbildung. Vom Münchener Jugendstil zur Einrichtung von Lehrwerkstätten, von Ittens Grundlehre zum Grundlagenunterricht. Welche Lehrvorstellungen bewegten Peter Behrens, Walter Gropius, Max Bill und Nick Roericht? Was wollte die HfG Ulm? Mit dieser ersten fundierten Übersicht zur Designlehre an deutschen Hochschulen schließen die Autoren eine bedeutende Lücke in der Design-Geschichtsschreibung der letzten 100 Jahre. Sie entdecken in der Wechselhaftigkeit und Mehrgleisigkeit der Ausbildungsmethoden eine "Geschichte des (Ver)suchens", die bis heute nicht abgeschlossen ist und wichtige Fragen zur Ausbildungspraxis in Gegenwart und Zukunft aufwirft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2008Mehr Tiefgang in der Dunkelheit
Darmstädter Hochschullehrer schreiben eine Geschichte der Design-Ausbildung
DARMSTADT. Wenn sich zwei Hochschullehrer für Design mit der Geschichte der deutschen Gestaltungsausbildung befassen, ist es Ehrensache, etwas in Form und Funktion Außergewöhnliches zu produzieren. "Vorbildliches Gestalten" gehörte im deutschen Design zu den Schlüsselwörtern, und an diesem Maßstab orientieren sich auch Schrift, Bild und Aufmachung des Bandes "Designlehren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung".
Getreu der Prämisse des Fachs, Gestaltung gebe es nun mal, wenn etwas getan werde, haben Justus Theinert, Dekan am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Darmstadt, und sein Mitarbeiter Kai Buchholz ein Handbuch über hundert Jahre deutsche Designausbildung verfasst. Anlass ist die Gründung der ersten Lehrateliers 1907 auf der Mathildenhöhe.
Das zweibändige Werk greift ein hochaktuelles Forschungsthema auf und ist damit das erste am Markt: "Ein erster Versuch", sagt Theinert bescheiden; anderthalb Jahre seien eine recht kurze Entstehungszeit. Band eins enthält mit vielen Fotos und Zeitzeugen-Interviews die Geschichte mit thematischen Schwerpunkten. Für die ostdeutsche Entwicklung war Silke Ihden-Rothkirch zuständig. Band zwei haftet auf originelle Weise per Magnet am ersten und ist mit Fußnoten, Grafiken, Bio- und Bibliographien gefüllt. Diese Trennung und die Sprache seien so gewählt, dass auch Laien den Band gut lesen könnten, erklärt der Philosophiedozent Buchholz.
Zwiefaltig wie sein Buch ist nach Theinerts Ansicht auch das Wesen des Designs: In ihm verbinden sich Ratio und Kreativität. Dem Letzteren durch Theorie auf die Spur zu kommen ist dem Professor, der seit Jahren auf diesem Feld forscht und lehrt, ein besonderes Anliegen. Es gebe noch sehr viele "blinde Flecken in der Kreativitätsforschung", meint er. Obgleich die Hochschule Darmstadt als Ausbildungsstätte mit hohem Theorieanteil gilt, wünscht sich der Dekan auch dort noch "mehr Tiefe". "Was braucht man für die gelungene Gestaltung eines Lebenszusammenhanges?" Das sei die Frage, die mit unterschiedlichen Gewichtungen für Theorie und Praxis stets neu gestellt werde. Dies wolle das Buch zeigen. Und auch für die heutigen Studenten gelte: "Jeder Gestalter ist anders." Die Antwort darauf sei die Vielfalt der Mittel. In der Lehre kann es bei Theinert vorkommen, dass er seine Studenten ins völlige Dunkel setzt, um ihnen einen Anreiz für theoretischen Tiefgang zu geben. Anreize, über die Zukunft der Gestalterausbildung zu diskutieren, erhoffen sich die Autoren von ihrer Darstellung der Geschichte. Auch da erscheint das Unternehmen zeitlich passend, denn ihr eigener Fachbereich ist im Wandel begriffen. Von den 20 Professuren und den Stellen zur Betreuung der rund 430 Studenten sind seit 2000 zwei Drittel neu besetzt worden - ein Generationswechsel. Vielleicht würden die modularisierten Studiengänge dafür sorgen, dass mehr aufeinander aufbauend gelehrt werde, sagt Theinert. Die Vielfalt an der Hochschule sei groß, es gebe "widersprüchliche Lehrhaltungen". Was der Professor gut findet: "Wenn Studenten acht Semester lang nur bei mir studieren würden, wäre das entsetzlich."
EVA-MARIA MAGEL
Justus Theinert, Kai Buchholz und Silke Ihden-Rothkirch: "Designlehren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung", erscheint im Februar bei Arnoldsche Art Publisher, Stuttgart. Informationen im Internet unter www.fbg.h-da.de.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Darmstädter Hochschullehrer schreiben eine Geschichte der Design-Ausbildung
DARMSTADT. Wenn sich zwei Hochschullehrer für Design mit der Geschichte der deutschen Gestaltungsausbildung befassen, ist es Ehrensache, etwas in Form und Funktion Außergewöhnliches zu produzieren. "Vorbildliches Gestalten" gehörte im deutschen Design zu den Schlüsselwörtern, und an diesem Maßstab orientieren sich auch Schrift, Bild und Aufmachung des Bandes "Designlehren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung".
Getreu der Prämisse des Fachs, Gestaltung gebe es nun mal, wenn etwas getan werde, haben Justus Theinert, Dekan am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Darmstadt, und sein Mitarbeiter Kai Buchholz ein Handbuch über hundert Jahre deutsche Designausbildung verfasst. Anlass ist die Gründung der ersten Lehrateliers 1907 auf der Mathildenhöhe.
Das zweibändige Werk greift ein hochaktuelles Forschungsthema auf und ist damit das erste am Markt: "Ein erster Versuch", sagt Theinert bescheiden; anderthalb Jahre seien eine recht kurze Entstehungszeit. Band eins enthält mit vielen Fotos und Zeitzeugen-Interviews die Geschichte mit thematischen Schwerpunkten. Für die ostdeutsche Entwicklung war Silke Ihden-Rothkirch zuständig. Band zwei haftet auf originelle Weise per Magnet am ersten und ist mit Fußnoten, Grafiken, Bio- und Bibliographien gefüllt. Diese Trennung und die Sprache seien so gewählt, dass auch Laien den Band gut lesen könnten, erklärt der Philosophiedozent Buchholz.
Zwiefaltig wie sein Buch ist nach Theinerts Ansicht auch das Wesen des Designs: In ihm verbinden sich Ratio und Kreativität. Dem Letzteren durch Theorie auf die Spur zu kommen ist dem Professor, der seit Jahren auf diesem Feld forscht und lehrt, ein besonderes Anliegen. Es gebe noch sehr viele "blinde Flecken in der Kreativitätsforschung", meint er. Obgleich die Hochschule Darmstadt als Ausbildungsstätte mit hohem Theorieanteil gilt, wünscht sich der Dekan auch dort noch "mehr Tiefe". "Was braucht man für die gelungene Gestaltung eines Lebenszusammenhanges?" Das sei die Frage, die mit unterschiedlichen Gewichtungen für Theorie und Praxis stets neu gestellt werde. Dies wolle das Buch zeigen. Und auch für die heutigen Studenten gelte: "Jeder Gestalter ist anders." Die Antwort darauf sei die Vielfalt der Mittel. In der Lehre kann es bei Theinert vorkommen, dass er seine Studenten ins völlige Dunkel setzt, um ihnen einen Anreiz für theoretischen Tiefgang zu geben. Anreize, über die Zukunft der Gestalterausbildung zu diskutieren, erhoffen sich die Autoren von ihrer Darstellung der Geschichte. Auch da erscheint das Unternehmen zeitlich passend, denn ihr eigener Fachbereich ist im Wandel begriffen. Von den 20 Professuren und den Stellen zur Betreuung der rund 430 Studenten sind seit 2000 zwei Drittel neu besetzt worden - ein Generationswechsel. Vielleicht würden die modularisierten Studiengänge dafür sorgen, dass mehr aufeinander aufbauend gelehrt werde, sagt Theinert. Die Vielfalt an der Hochschule sei groß, es gebe "widersprüchliche Lehrhaltungen". Was der Professor gut findet: "Wenn Studenten acht Semester lang nur bei mir studieren würden, wäre das entsetzlich."
EVA-MARIA MAGEL
Justus Theinert, Kai Buchholz und Silke Ihden-Rothkirch: "Designlehren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung", erscheint im Februar bei Arnoldsche Art Publisher, Stuttgart. Informationen im Internet unter www.fbg.h-da.de.
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