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Joseph O'Connor, einer der bekanntesten jungen irischen Autoren, erzählt eine Familiengeschichte aus Irland. Frank und Eleanor sollen in Nicaragua die Leiche ihres Sohnes identifizieren. Johnny, der Sohn, war mit einer Rockband durch den Busch Nicaraguas getourt und ist dort verschollen. Doch der, der in der Leichenhalle aufgebahrt liegt, ist nicht Johnny. Zusammen mit den übrigen Bandmitgliedern machen sich Frank und Eleanor auf die Suche. Diese Suche wird zugleich eine Reise in die Vergangenheit des sich fremd gewordenen Ehepaares, in das Dublin der 50er und 60er Jahre.

Produktbeschreibung
Joseph O'Connor, einer der bekanntesten jungen irischen Autoren, erzählt eine Familiengeschichte aus Irland. Frank und Eleanor sollen in Nicaragua die Leiche ihres Sohnes identifizieren. Johnny, der Sohn, war mit einer Rockband durch den Busch Nicaraguas getourt und ist dort verschollen. Doch der, der in der Leichenhalle aufgebahrt liegt, ist nicht Johnny. Zusammen mit den übrigen Bandmitgliedern machen sich Frank und Eleanor auf die Suche. Diese Suche wird zugleich eine Reise in die Vergangenheit des sich fremd gewordenen Ehepaares, in das Dublin der 50er und 60er Jahre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.1996

Das trunkene Herz
Joseph O'Connors Nicaragua Von Christoph Bartmann

Eine große Hilfe für die nicaraguanische Revolution ist Johnny Little nicht. Zumindest meint das Capitán Nuñez vom Innenministerium in Managua. Allmählich hat er genug von Freaks aus Dublin oder New York, die, statt Kaffee zu pflücken, wie Johnny mit einer armseligen Rock-'n'-Roll-Band namens "Desperados de Amor" durch die Lande ziehen, die Moral der muchachas untergraben und sich, wenn das Geld alle ist, auch noch als Drogenkurier anheuern lassen.

Der irische Schriftsteller Joseph O'Connor hat in den achtziger Jahren einige Zeit für die "British Nicaragua Solidarity Campaign" gearbeitet. Er kennt Nicaragua, und noch vertrauter dürfte ihm der linke Mythos gleichen Namens sein, zu dem "The Clash" mit ihrem Album "Sandinista" die Musik lieferten. Und was soll uns das heute? Zum Glück hat sich O'Connor den alten Stoff nicht vorgenommen, um von erhöhter Warte die Solidaritätspraktiken jener Jahre zu verspotten. Ebensowenig verklärt er sie. Vielleicht wollte O'Connor ja bloß einen spannenden Roman schreiben, der an einem exotischen Schauplatz spielt: mit Politik und Abenteuern, mit ein bißchen Sex, mit Drogen aller Art und mit sehr viel Rock 'n' Roll. Das allerdings wäre ihm mit "Desperados", seinem zweiten Roman nach der vielgelobten Dubliner Punk-Story "Cowboys und Indianer", vortrefflich gelungen.

Lob verdient O'Connor vor allem für die straffe Handlungsführung, für die treffsicheren, deftigen Dialoge und überhaupt für die lebensnahe Ausstattung seiner Figuren. Man muß sie einfach mögen, den Schlagzeuger Smokes etwa, ein Großmaul aus gutem Hause, das aus Imagegründen seine Biographie gewechselt hat. Oder Lorenzo, den blinden Gitarristen und Bandphilosophen, in dessen Kopf "das Feuer des Herrn" brennt. Zwar wird pausenlos gestritten, aber am Ende ist Herz stets Trumpf in diesem Roman und Solidarität mehr als nur ein Lernziel. Es gibt ja noch Bands wie die "Desperados", und es gibt Familien wie die Littles, zwei weiß Gott brüchige, aber, wenn Not am Mann ist, solidarisch zupackende Sozialverbände. O'Connors Roman zeigt anschaulich, was das Subsidiaritätsprinzip im praktischen Leben bedeuten kann.

Dabei fängt das Buch traurig an. "Was mache ich hier eigentlich, verdammt?" fragt sich Frank Little, Taxifahrer aus Dublin, bei der Ankunft auf dem Sandino-Gedächtnis-Flughafen in Managua am 1. Juli 1985. Die Antwort auf diese Kardinalfrage der englischsprachigen Reiseliteratur ist in diesem Fall eindeutig: Johnny Littles seit langem geschiedene Eltern sind aus Dublin herbeigerufen worden, um in der Leichenhalle ihren Sohn zu identifizieren, ein Opfer, wie es heißt, im Bürgerkrieg zwischen Contras und Sandinisten. Wenn aber der Tote im Leichenschauhaus gar nicht Johnny ist, wie seine Mutter zweifelsfrei feststellt, wo steckt er dann? Mit den verbliebenen Bandmitgliedern und ohne Erlaubnis von Capitán Nuñez machen sich die Littles auf ins Bürgerkriegsgebiet, den Sohn zu finden. Wobei sich Frank Littles irischer Menschenverstand auch in der Fremdkultur glänzend bewähren wird.

Die eine Hälfte des Romans schildert die Reise durchs wüste Nicaragua ins Herz der Finsternis, an einen tristen Küstenort namens Corinto. Die zweite befaßt sich mit einer anderen Reise, zurück nach Dublin und in die Familiengeschichte der Littles, "ins Herz einer Ehe", wie O'Connor dies etwas pathetisch nennt. In einer Folge von Rückblenden rekonstruiert er das kleine Unglück einer durchschnittlichen irischen Familie. Alkohol spielt darin mehr als bloß eine Nebenrolle. Der herzkranke Frank erweist sich auch in den Tropen als standfester Vieltrinker von Spirituosen aller Art.

Während aber sein Alkoholismus eher als Teil männlichen Brauchtums beschrieben wird, liefert die inzwischen behobene Trunksucht der Mutter den Schlüssel zur familiären Pathologie. Im Alkohol ertränkte sie einst ihr Schuldgefühl über ein angebliches Versäumnis, das, wie sie glaubt, zum Tod ihrer kleinen Tochter beigetragen habe. Johnny, das zweitgeborene Kind, büßt diese Schuldgefühle mit Prügeln, die ihm die Mutter im Vollrausch regelmäßig verabreichte. Die Suche des notgedrungen wiedervereinigten Ehepaares nach dem verlorenen Sohn ruft die Akte des Familiendramas schmerzhaft in Erinnerung. Manchmal freilich forciert O'Connor das Kathartische der Reise ein wenig zu stark. Fast scheint es, als habe er die Nicaragua-Geschichte allein für zu dünn gehalten und deshalb zwei Romane ineinander komponiert. Man wünscht sich dann, die Littles möchten sich für den Moment darauf beschränken, ihren Sohn ausfindig zu machen, und die familientherapeutische Sitzung auf später verschieben. Alles wird gut in diesem Roman. Nicht wunderbar gut, sondern vernünftig gut. Auch der Ärger mit den Behörden hält sich in Grenzen. Frank und Eleanor Little kommen mit einer 1000-Dollar-Spende für das "Hospital Karl Marx" in Managua davon, ehe sie mit Aeroflot in Richtung Dublin entschwinden dürfen. Und für Johnny tun sich in Nicaragua ganz neue Möglichkeiten auf. Er wird Vater und vielleicht schon bald Mitinhaber der Elvis-Presley-Eisdiele unweit von Corinto. Erst muß er allerdings noch für ein Jahr ins Gefängnis. "Laß die alte Fahne weiterflattern, Pfadfinder", möchte man ihm mit Vater Frank zurufen. "Du wirst uns fehlen."

Joseph O'Connor: "Desperados". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gabriele Haefs. Ammann Verlag, Zürich 1996. 458 S., geb., 49,80 DM.

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