Die Zeit zwischen 1928 und 1937 brachte für die beiden Verlierer von Versailles bedeutsame politische Veränderungen mit sich. China wurde durch die Machtübernahme der nationalrevolutionären Regierung Jiang Jieshis zumindest nominell geeint. Aufbau und Modernisierung waren die primären Ziele der neuen Regierung. In Deutschland kamen nach dem Zusammenbruch der Weimarer Republik 1933 die Nationalsozialisten an die Macht. Aufrüstung und Kriegsvorbereitung waren ihre Ziele. In der Folge wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern - bisher hauptsächlich eine Domäne der Kaufleute - in den Rang einer zwischenstaatlichen Angelegenheit erhoben. Der Abschluß des Austauschvertrages 1934 zwischen dem rohstoffreichen China und dem devisenschwachen Deutschland ermöglichte beiden Partnern die von militärischen Kreisen forciert vorangetriebene militärische Modernisierung beziehungsweise Aufrüstung. Daneben kam es auch auf ideologischem Gebiet zu einer Annäherung, denn die chinesischen Machthaber waren auf der Suche nach einem Modell für die gesellschaftliche Modernisierung des Landes. Die autortär-militaristische, auf den Führer konzentrierte Ordnung und das Ideal der deutschen Volksgemeinschaft boten sich hierfür ebenso an wie das auf Elitenbildung ausgerichtete deutsche Erziehungssystem. Erst mit dem Abschluß des Antikominternpaktes 1936 wandte sich Deutschland allmählich Japan zu und von China ab.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2004Nur eine Zweckgemeinschaft
China und das Deutsche Reich in den Jahren 1928 bis 1937
Bernd Martin (Herausgeber): Deutsch-chinesische Beziehungen 1928-1937. "Gleiche" Partner unter "ungleichen" Bedingungen. Eine Quellensammlung. Bearbeitet von Susanne Kuß (Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897-1995. Herausgegeben von Mechthild Leutner). Akademie-Verlag, Berlin 2003. 522 Seiten, 118,- [Euro].
Die Außenpolitik der Weimarer Republik wie die des "Dritten Reiches" konzentrierte sich auf Europa und die europäischen Nachbarstaaten, allenfalls die Vereinigten Staaten als Siegermacht des Ersten Weltkriegs und möglicher Herausforderer eines nationalsozialistischen Deutschland spielten hierbei eine gewichtige Rolle. Die außereuropäische Staatenwelt wurde dagegen eher funktional im Sinne einer Ergänzung, einer Ablenkung oder eines Kontrapunktes zu den europäischen Mächtebeziehungen gesehen. Dies gilt - wie die vorliegende Quellensammlung deutlich macht - auch für die Beziehungen zu China. Die deutsche China-Politik sah das Reich der Mitte als einen außenpolitischen Partner, der ebenfalls ein "outcast" des internationalen Staatensystems war, von harten "Unrechtsverträgen" betroffen und in Abhängigkeit von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs gehalten. Die chinesische Deutschland-Politik entsprach dem spiegelbildlich; auch für sie bildete die bilaterale Kooperation mit Deutschland einen Rahmen, um die eigenen außenpolitischen Aktionsmöglichkeiten gegenüber den Großmächten zu verbessern. Die sich aus dieser Situation ergebende Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, im militärischen Bereich oder auch auf dem Feld der Kulturpolitik wird breit dokumentiert. Die Bearbeiterin spricht von einer deutsch-chinesischen Zweckgemeinschaft, in deren Rahmen sich in diesen Jahren ein reger Austausch entwickelt habe, der beiden Seiten zum Vorteil gereichte.
Allerdings beschränkt sich die Dokumentation nicht auf diesen Bereich, sondern nimmt auch gesellschaftliche Interaktionen, nichtstaatliche Akteure und innenpolitische Konstellationen in den Blick. In dieser Hinsicht ist einer der interessantesten Abschnitte der Quellensammlung derjenige über den "Faschismus à la Chine", also über einen Vergleich zwischen der Hitler-Bewegung und der Kuomintang. Die nationalen Mobilisierungsstrategien, die Volksgemeinschaftsidee, der Führergedanke, die Schaffung einer Parteielite in braunen beziehungsweise blauen Hemden - all dies sprach für eine solche Parallelisierung, wie sie von vielen Zeitgenossen konstatiert wurde. Dennoch lassen die Dokumente erkennen, daß diese Gleichsetzung allzu oberflächlich ist, die Kuomintang-Bewegung tief in der nationalen Tradition und Geschichte Chinas verwurzelt war und somit weder - wie dies ein Mitglied der Militärkommission in Nanking formulierte - deren Führer, Marschall Jiang Jieshi, "der Hitler des Ostens" noch die Chinesen "die Deutschen des Ostens" sein konnten.
Daß diese Parallelisierung falsch war, zeigte nicht zuletzt auch die Abwendung der nationalsozialistischen Ostasienpolitik von China und deren Hinwendung zu Japan. Allen Vorteilen auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet zum Trotz schwenkte Hitler Mitte der dreißiger Jahre aus ideologisch-machtstrategischen Gründen auf ein Bündnis mit Chinas Gegner ein und beendete damit ein Jahrzehnt pragmatischer, zum beiderseitigen Vorteil geratener Beziehungen zwischen Berlin und Nanking. Diese breit gestreuten Kontakte aus einer Vielzahl von Archiven und anderem Material dokumentiert zu haben ist das Verdienst des vorliegenden Bandes.
MARIE-LUISE RECKER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
China und das Deutsche Reich in den Jahren 1928 bis 1937
Bernd Martin (Herausgeber): Deutsch-chinesische Beziehungen 1928-1937. "Gleiche" Partner unter "ungleichen" Bedingungen. Eine Quellensammlung. Bearbeitet von Susanne Kuß (Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen 1897-1995. Herausgegeben von Mechthild Leutner). Akademie-Verlag, Berlin 2003. 522 Seiten, 118,- [Euro].
Die Außenpolitik der Weimarer Republik wie die des "Dritten Reiches" konzentrierte sich auf Europa und die europäischen Nachbarstaaten, allenfalls die Vereinigten Staaten als Siegermacht des Ersten Weltkriegs und möglicher Herausforderer eines nationalsozialistischen Deutschland spielten hierbei eine gewichtige Rolle. Die außereuropäische Staatenwelt wurde dagegen eher funktional im Sinne einer Ergänzung, einer Ablenkung oder eines Kontrapunktes zu den europäischen Mächtebeziehungen gesehen. Dies gilt - wie die vorliegende Quellensammlung deutlich macht - auch für die Beziehungen zu China. Die deutsche China-Politik sah das Reich der Mitte als einen außenpolitischen Partner, der ebenfalls ein "outcast" des internationalen Staatensystems war, von harten "Unrechtsverträgen" betroffen und in Abhängigkeit von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs gehalten. Die chinesische Deutschland-Politik entsprach dem spiegelbildlich; auch für sie bildete die bilaterale Kooperation mit Deutschland einen Rahmen, um die eigenen außenpolitischen Aktionsmöglichkeiten gegenüber den Großmächten zu verbessern. Die sich aus dieser Situation ergebende Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet, im militärischen Bereich oder auch auf dem Feld der Kulturpolitik wird breit dokumentiert. Die Bearbeiterin spricht von einer deutsch-chinesischen Zweckgemeinschaft, in deren Rahmen sich in diesen Jahren ein reger Austausch entwickelt habe, der beiden Seiten zum Vorteil gereichte.
Allerdings beschränkt sich die Dokumentation nicht auf diesen Bereich, sondern nimmt auch gesellschaftliche Interaktionen, nichtstaatliche Akteure und innenpolitische Konstellationen in den Blick. In dieser Hinsicht ist einer der interessantesten Abschnitte der Quellensammlung derjenige über den "Faschismus à la Chine", also über einen Vergleich zwischen der Hitler-Bewegung und der Kuomintang. Die nationalen Mobilisierungsstrategien, die Volksgemeinschaftsidee, der Führergedanke, die Schaffung einer Parteielite in braunen beziehungsweise blauen Hemden - all dies sprach für eine solche Parallelisierung, wie sie von vielen Zeitgenossen konstatiert wurde. Dennoch lassen die Dokumente erkennen, daß diese Gleichsetzung allzu oberflächlich ist, die Kuomintang-Bewegung tief in der nationalen Tradition und Geschichte Chinas verwurzelt war und somit weder - wie dies ein Mitglied der Militärkommission in Nanking formulierte - deren Führer, Marschall Jiang Jieshi, "der Hitler des Ostens" noch die Chinesen "die Deutschen des Ostens" sein konnten.
Daß diese Parallelisierung falsch war, zeigte nicht zuletzt auch die Abwendung der nationalsozialistischen Ostasienpolitik von China und deren Hinwendung zu Japan. Allen Vorteilen auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet zum Trotz schwenkte Hitler Mitte der dreißiger Jahre aus ideologisch-machtstrategischen Gründen auf ein Bündnis mit Chinas Gegner ein und beendete damit ein Jahrzehnt pragmatischer, zum beiderseitigen Vorteil geratener Beziehungen zwischen Berlin und Nanking. Diese breit gestreuten Kontakte aus einer Vielzahl von Archiven und anderem Material dokumentiert zu haben ist das Verdienst des vorliegenden Bandes.
MARIE-LUISE RECKER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Marie-Luise Recker berichtet zunächst, die Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und China müssten als die zweier "outcasts" des damaligen internationalen Staatensystems betrachtet werden, was auch heißt: vor dem Hintergrund des beiderseitigen Interesses daran, den eigenen außenpolitischen Aktionsradius gegenüber den Groß- beziehungsweise Siegermächten zu erweitern. Dem besprochenen, von Bernd Martin herausgegebenen Band, lobt Recker dann, komme das Verdienst zu, die entsprechend breit gestreuten deutsch-chinesischen Kontakte zwischen 1928-1937 aus einer Vielzahl von Archiven und anderem Material darzustellen. "Breit dokumentiert", so erfährt man, sind so etwa die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet ebenso wie die auf dem Feld der Kulturpolitik. Einen der interessantesten Abschnitte der Quellensammlung stellt für Recker derjenige zu einem Vergleich der nationalsozialistischen Bewegung mit der chinesischen Kuomintang dar, der zeige, dass deren Gleichsetzung "allzu oberflächlich" wäre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die Verfasser haben dankenswerterweise ein wichtiges Werk geschaffen, das eine wesentliche Grundlage für die weitere Forschung sein wird. Vor allem aber macht der Band die Bedeutung globaler Interaktionen und Vernetzungen sowohl für chinesische als auch für die deutsche Geschichte deutlich." H-Soz-u-Kult "Die Zusammenstellung der Quellen ist mit Umsicht vorgenommen worden und das Werk bildet ausgewählte Schwerpunkte mit interessantem Material ab." Asien "Mit dieser wertvollen Dokumentation legt der Herausgeber das Ergebnis seiner jahzehntelangen Beschäftigung mit den chinesisch-deutschen Beziehungen in der Zwischenkriegszeit vor." Militärgeschichtliche Zeitschrift