Die Sprache ist das Handwerkszeug des Juristen. Gesetze und Urteile sind mit Worten geformt, das Recht wird mittels Sprache transportiert. Fatal nur, dass die Sprache der Juristen beim Versuch realer Kommunikation oft kläglich scheitert: Mandanten verstehen den Anwalt nicht, der Anwalt redet an seinem Kollegen vorbei; Zeugen missverstehen Fragen des Richters. Vieles in der Juristerei könnte schneller und besser funktionieren, wenn die Beteiligten sich verstünden. In vielen Unternehmen arbeiten Juristen an Unternehmenstexten, Rundschreiben, Arbeitsanleitungen und sogar Kundenbriefen mit - und machen sich mit kryptischen Formulierungen unbeliebt. In nunmehr dritter Auflage fast schon ein Klassiker, bietet der "Schmuck" dem Juristen beim (Wieder)erlernen einer klaren Sprache wertvolle Hilfestellungen. Besonderes Highlight: Mit der Neuauflage erhält der Leser wertvolle Tipps zum Thema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Anwaltskanzlei.
Neu: Wertvolle Tipps für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Neu: Wertvolle Tipps für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2011Der Rat der großen Schwester
Sprach-Ratgeber für Anwälte
Wer im Zug unter seinen Mitreisenden wissende Blicke oder höhnisches Schnauben auslösen möchte, sollte sich gut sichtbar das Buch "Klartext für Anwälte" von Eva Engelken vors Gesicht halten. Schnell erntet man Zuspruch der Art, dass ja das "Juristenkauderwelsch" tatsächlich eine Zumutung sei - immerhin, sogar Anwälte erkennen das inzwischen. Denn ihre Texte müssen den Gegner, das Gericht oder zumindest doch den Mandanten überzeugen. In der zunehmend mediatisierten Welt kommt noch die ungeduldige Presse hinzu.
Hier setzt Engelken an, und sie überrascht: Statt lediglich die Deutsch-Grundschule für Journalisten - kurze Sätze, Verb statt Substantiv, Aktiv statt Passiv - abermals mit Süffisanz und dem Attribut "für Juristen" auf den Markt für Ratgeber zu werfen, überzeugt sie mit Substanz. Verständlichkeit ist nicht nur Krücke für die schlichten Leser, sondern hilft genauso den gebildeten, wie die Journalistin und Juristin mit Studien belegt. Von ihrem Bemühen, echten Mehrwert zu produzieren, zeugt auch ihre - freilich anekdotische - Umfrage in 30 Unternehmen zum Thema Verständlichkeit: Wie wichtig ist sie im Vergleich zu üblichen anwaltlichen Berühmungen wie Fachkompetenz, Internationalität und Erreichbarkeit?
Engelken gibt Beispiele aus der Praxis, macht konkrete Verbesserungsvorschläge und vermittelt kenntnisreich zwischen den Welten mit Hinweisen auf Trends, Literatur und Personen. Wie viele Advokaten wissen schon, dass Paragraph 923 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Hexameter formuliert ist? In Kästen hervorgehobene Listen, Regeln und Formulierungsbeispiele lockern die Lektüre auf. Sie spricht nicht nur Wortwahl und Formulierung, sondern auch rhetorische und dramaturgische Aspekte der Textarbeit an. Davon profitieren auch jene Juristen, die bereits gut und verständlich schreiben.
Die Verständlichkeit als roten Faden spinnt Engelken durch ein etwas breites Themenfeld: Von der juristischen Textarbeit gelangt sie, noch naheliegend, zur richtigen Ansprache von Pressevertretern. Es schließt sich ein Kapitel über das Sprech- und Stimmtraining an. Im Kapitel über Neuro-Marketing und "Social Media Gedöns" (Engelken) entschwebt das Buch leider kurz seinem Sujet und findet schließlich in einem Abschnitt über PR und Ghostwriter einen wieder stimmigen, aber etwas unübersichtlichen Abschluss.
Engelkens Tonfall fällt auf und gefällt. Man darf ihn vielleicht "großschwesterlich" nennen: Streng in der Sache, klug und dennoch verständnisvoll. Sie führt die Advokaten nicht anhand deren sprachlichen Freveleien vor, sondern beschreibt das hochgestochene Rechtsgepolter schlicht als das "sprachliche Pendant zu marmorgetäfelten Eingangsbereichen und Magahonischreibtischen". Behutsam rät sie den Juristen, ihren "Floskelpanzer" schrittweise abzulegen. Die große Schwester neigt aber auch zu kleinen Albernheiten, etwa wenn es um das Laienverständnis für juristische Termini geht: "Verjährung", ulkt Engelken, "bezeichnet für kölsche Jung und Mädche den Prozess der Umwandlung von Gerste und Malz zu Kölsch, einem obergärigen Bier".
Wem 200 Seiten zu viel Text für einen vermeintlichen Randaspekt der Anwaltsarbeit sind, kann auf die kürzlich erschienene dritte Auflage von Michael Schmucks "Deutsch für Juristen" zurückgreifen. Es ist schnell gelesen, flott geschrieben, enthält praktische Übungen und die üblichen Negativbeispiele. Schmuck ist aber weniger vorsichtig: "Unstreitig" sollte man etwa zumindest im Schriftsatz nicht mit "steht fest" übersetzen, da es sich insoweit um einen Terminus handelt, der das Lesen und Auffinden im Text für Fachleute erleichtert. Leider wurde das Büchlein um ein paar eher lieblose Seiten zur Pressearbeit erweitert. Dass der Rechtsanwalt und Journalist Schmuck dort in einem achtzeiligen Abschnitt nebulös zu "Pfiff und Humor" rät, ist - auch sprachlich - mäßig "pfiffig".
HENDRIK WIEDUWILT.
Michael Schmuck: Deutsch für Juristen.
Dr. Otto Schmidt, Köln 2011, 86 Seiten, 19,80 Euro.
Eva Engelken: Klartext für Anwälte.
Linde Verlag, Wien 2010, 216 Seiten, 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sprach-Ratgeber für Anwälte
Wer im Zug unter seinen Mitreisenden wissende Blicke oder höhnisches Schnauben auslösen möchte, sollte sich gut sichtbar das Buch "Klartext für Anwälte" von Eva Engelken vors Gesicht halten. Schnell erntet man Zuspruch der Art, dass ja das "Juristenkauderwelsch" tatsächlich eine Zumutung sei - immerhin, sogar Anwälte erkennen das inzwischen. Denn ihre Texte müssen den Gegner, das Gericht oder zumindest doch den Mandanten überzeugen. In der zunehmend mediatisierten Welt kommt noch die ungeduldige Presse hinzu.
Hier setzt Engelken an, und sie überrascht: Statt lediglich die Deutsch-Grundschule für Journalisten - kurze Sätze, Verb statt Substantiv, Aktiv statt Passiv - abermals mit Süffisanz und dem Attribut "für Juristen" auf den Markt für Ratgeber zu werfen, überzeugt sie mit Substanz. Verständlichkeit ist nicht nur Krücke für die schlichten Leser, sondern hilft genauso den gebildeten, wie die Journalistin und Juristin mit Studien belegt. Von ihrem Bemühen, echten Mehrwert zu produzieren, zeugt auch ihre - freilich anekdotische - Umfrage in 30 Unternehmen zum Thema Verständlichkeit: Wie wichtig ist sie im Vergleich zu üblichen anwaltlichen Berühmungen wie Fachkompetenz, Internationalität und Erreichbarkeit?
Engelken gibt Beispiele aus der Praxis, macht konkrete Verbesserungsvorschläge und vermittelt kenntnisreich zwischen den Welten mit Hinweisen auf Trends, Literatur und Personen. Wie viele Advokaten wissen schon, dass Paragraph 923 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Hexameter formuliert ist? In Kästen hervorgehobene Listen, Regeln und Formulierungsbeispiele lockern die Lektüre auf. Sie spricht nicht nur Wortwahl und Formulierung, sondern auch rhetorische und dramaturgische Aspekte der Textarbeit an. Davon profitieren auch jene Juristen, die bereits gut und verständlich schreiben.
Die Verständlichkeit als roten Faden spinnt Engelken durch ein etwas breites Themenfeld: Von der juristischen Textarbeit gelangt sie, noch naheliegend, zur richtigen Ansprache von Pressevertretern. Es schließt sich ein Kapitel über das Sprech- und Stimmtraining an. Im Kapitel über Neuro-Marketing und "Social Media Gedöns" (Engelken) entschwebt das Buch leider kurz seinem Sujet und findet schließlich in einem Abschnitt über PR und Ghostwriter einen wieder stimmigen, aber etwas unübersichtlichen Abschluss.
Engelkens Tonfall fällt auf und gefällt. Man darf ihn vielleicht "großschwesterlich" nennen: Streng in der Sache, klug und dennoch verständnisvoll. Sie führt die Advokaten nicht anhand deren sprachlichen Freveleien vor, sondern beschreibt das hochgestochene Rechtsgepolter schlicht als das "sprachliche Pendant zu marmorgetäfelten Eingangsbereichen und Magahonischreibtischen". Behutsam rät sie den Juristen, ihren "Floskelpanzer" schrittweise abzulegen. Die große Schwester neigt aber auch zu kleinen Albernheiten, etwa wenn es um das Laienverständnis für juristische Termini geht: "Verjährung", ulkt Engelken, "bezeichnet für kölsche Jung und Mädche den Prozess der Umwandlung von Gerste und Malz zu Kölsch, einem obergärigen Bier".
Wem 200 Seiten zu viel Text für einen vermeintlichen Randaspekt der Anwaltsarbeit sind, kann auf die kürzlich erschienene dritte Auflage von Michael Schmucks "Deutsch für Juristen" zurückgreifen. Es ist schnell gelesen, flott geschrieben, enthält praktische Übungen und die üblichen Negativbeispiele. Schmuck ist aber weniger vorsichtig: "Unstreitig" sollte man etwa zumindest im Schriftsatz nicht mit "steht fest" übersetzen, da es sich insoweit um einen Terminus handelt, der das Lesen und Auffinden im Text für Fachleute erleichtert. Leider wurde das Büchlein um ein paar eher lieblose Seiten zur Pressearbeit erweitert. Dass der Rechtsanwalt und Journalist Schmuck dort in einem achtzeiligen Abschnitt nebulös zu "Pfiff und Humor" rät, ist - auch sprachlich - mäßig "pfiffig".
HENDRIK WIEDUWILT.
Michael Schmuck: Deutsch für Juristen.
Dr. Otto Schmidt, Köln 2011, 86 Seiten, 19,80 Euro.
Eva Engelken: Klartext für Anwälte.
Linde Verlag, Wien 2010, 216 Seiten, 24,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main