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Die enge Wechselwirkung zwischen jüdischer und deutscher Literatur gehört zu den faszinierendsten Kapiteln der Literaturgeschichte überhaupt. Der Autor zeichnet den "jüdischen Diskurs" in der deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart nach und zeigt, in welchem Maße jüdische Autoren das "Projekt der Moderne" befördert und kulturelle Horizonte erweitert haben.
Das in jüngster Zeit wiedererwachende Interesse an dem reichen Schatz deutsch-jüdischer Literatur steht auch im Zusammenhang mit der Suche nach einem neuen deutschen Kulturverständnis. Jaspers verdienstvolles Werk ist von bleibendem Gewicht und hoher Aktualität zugleich.
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Produktbeschreibung
Die enge Wechselwirkung zwischen jüdischer und deutscher Literatur gehört zu den faszinierendsten Kapiteln der Literaturgeschichte überhaupt. Der Autor zeichnet den "jüdischen Diskurs" in der deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart nach und zeigt, in welchem Maße jüdische Autoren das "Projekt der Moderne" befördert und kulturelle Horizonte erweitert haben.

Das in jüngster Zeit wiedererwachende Interesse an dem reichen Schatz deutsch-jüdischer Literatur steht auch im Zusammenhang mit der Suche nach einem neuen deutschen Kulturverständnis. Jaspers verdienstvolles Werk ist von bleibendem Gewicht und hoher Aktualität zugleich.
Autorenporträt
Willi Jasper, geboren 1945 in Lavelsloh (Niedersachsen), lebt als Wissenschaftler und Publizist in Berlin. Er ist Professor für Literaturwissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2004

Biographie eines Bindestrichs
Willi Jaspers Literaturgeschichte deutsch-jüdischer Mißverhältnisse

Ein Berg im Niemandsland muß das sein, jener deutsch-jüdische Parnaß, irgendwo zwischen himmlischem Zion und teuflischem Blocksberg. Wo "jüdisches Wesen und deutsche Sprache" zusammentrafen (nach einer Formulierung des Expressionisten Alfred Wolfenstein), ergaben sich immer wieder Zonen besonderer Produktivität, spannungsreiche Konstellationen aus Ost und West, aus Mündlichkeit und Schriftkultur, aus religiöser Tradition und säkularer Moderne. Jede Nachzeichnung deutsch-jüdischer Kulturgeschichte fußt auf dem labilen Fundament eines windschiefen Bindestrichs. Denn wie das Deutsche und Jüdische sinnvoll auseinander- und gegeneinanderzuhalten sind, ist eine keineswegs akademische Frage und führt geradewegs in den Gegenstand selbst.

Die Formulierung vom "deutsch-jüdischen Parnaß" geht auf einen Artikel Moritz Goldsteins zurück, der 1912 in der völkischen Zeitschrift "Kunstwart" erschien, zu deren Abonnenten auch Franz Kafka zählte. Goldsteins Vorstoß wies die Perspektive kultureller Assimilation zurück und forderte statt dessen eine dezidiert "jüdische Literatur" in deutscher Sprache. Auch Max Brod beteiligte sich an der Debatte als vehementer Verfechter einer "jüdischen Nationalliteratur", erntete damit freilich den Widerspruch seines zionistischen Lehrers Martin Buber. Das "konstruktive Prinzip der Literatur", so entgegnete Buber der nationaljüdischen Richtung, sei und bleibe die Sprache: "Eine jüdische Gruppe, eine jüdische Farbe werden Sie innerhalb der deutschen Literatur aufzeigen können, aber nicht mehr."

Sofern und solange sich das Judentum in Deutschland und in der deutschen Sprache zu Wort melden, künstlerisch und intellektuell betätigen konnte, erwies sich die Bindestrich-Beziehung als ein hybrides Gebilde, das weder national noch religiös oder kulturell in eine symmetrische Façon zu bringen war. An die Intensität und historische Wechselhaftigkeit dieser Beziehung zu erinnern, wie es die Literaturgeschichte des Potsdamer Germanisten Willi Jasper nun unternimmt, ist kein müßiges und erst recht kein kleines Unterfangen. Der Autor ist publizistisch hervorgetreten unter anderem durch seine Biographien über Lessing, Börne und Heinrich Mann, allesamt Schlüsselfiguren auch des hier in Rede stehenden Gefüges.

Jaspers umfangreiche Abhandlung macht mit einer Fülle von biographischen Miniaturen, Briefauszügen, Kritiken und anderen Fundstellen dreierlei in wünschenswerter Prägnanz deutlich. Zunächst: Jüdisches Denken und Schriftgelehrsamkeit sind genuine Bestandteile deutscher Geistesgeschichte von Moses Mendelssohn über Heinrich Heine, Gershom Scholem bis zu Hannah Arendt. Ferner: Das Deutsche fungierte in Mittel- und Osteuropa als lingua franca und war in multikulturellen Städten wie Prag oder Czernowitz die Sprache der überwiegend jüdischen, bildungsbürgerlichen Eliten. Und schließlich: Wie deutsch-jüdische Schriftsteller sich in einem oft lebenslangen Zwiespalt zwischen Assimilation und Fremdheitsästhetik bewegten, so manövrierten ihre nichtjüdischen Kollegen mal näher, mal weiter entfernt von antisemitischen Stereotypen zwischen militanter Abgrenzung und toleranter Indifferenz.

Die Dynamik solcher Prozesse ist struktureller Art, sie hat indes stets ihre persönliche Seite. Beides versucht Jasper einzufangen, indem er seine Literaturgeschichte als eine Reihe historischer Gruppenbilder anlegt, in deren Zentrum prominente Konstellationen und Paarbildungen stehen. Daraus ergibt sich eine räumlich-szenische Ordnung, einer Suite von Ausstellungskabinetten vergleichbar. Im ersten dieser Kabinette ist die Philosophenfreundschaft zwischen Lessing und Moses Mendelssohn zu besichtigen, beispielhaft für die jüdische Aufklärung (Haskala). Einige Abteilungen später folgt die berühmte Fehde zwischen den nach Paris emigrierten Schriftstellern Heine und Börne, ein Intellektuellenstreit avant la lettre mit erstaunlich feindseligem, ins Private zielendem Argumentationsstil.

Nicht weniger spannungsreich sind auf ihre Art auch die Beziehungen von Rahel Varnhagen und Henriette Herz, Franz Kafka und Max Brod, Thomas und Heinrich Mann oder Walter Benjamin und Gershom Scholem. Paarungen unterschiedlichster Art, deutsch-jüdische ebenso wie jüdisch-jüdische und deutsch-deutsche; kollegiale Partnerschaften sind darunter, aber auch hierarchische Gespanne, entzweite Freundschaften und erbitterte Konkurrenten. Am Ende des Bandes stehen die "Stimmen von draußen" deutsch-jüdischer Exilautoren unter den Bedingungen eines Schreibens nach Auschwitz: Nelly Sachs und Paul Celan, Peter Weiss, Jean Améry, Wolfgang Hildesheimer und Ruth Klüger, schließlich der deutsch-deutsche Sonderfall Jurek Becker. All dies ergibt keinen Kanon, vielmehr ein Klangbild denkbar dissonanter Tonspuren.

Jasper tut gut daran, sich nicht allzu eng einem chronologischen Schema zu unterwerfen. Bei der Lessing- und der Heine-Rezeption verlängert er die Linien sogleich bis ins zwanzigste Jahrhundert: Wurde Lessings "Nathan" in der NS-Zeit als "philosemitisch" ausgemustert, so war Heines Lied von der Loreley aus dem deutschen Volksschatz schlechterdings nicht mehr zu entfernen, durfte aber nur noch ohne Nennung des Verfassers erscheinen. Selten waren sich deutsche und deutsch-jüdische Autoren so ungeteilt nahe wie in den Flammen der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933. Im nachhinein zeige sich, so Jasper, daß die "deutsch-jüdische Symbiose" nicht nur zwiespältig und fragil, sondern immer schon ein harmonisierendes Trugbild, eben ein "Mythos" war.

Das einträchtige Bild von Lessing und Mendelssohn als einem Musterfall geglückten Emanzipations- und Toleranzstrebens werde "zu schön" gezeichnet. Jasper liest diese Konstellation im Lichte der restaurativen und apologetischen Tendenzen in der westdeutschen Nachkriegskultur. Die "idealisierende" Darstellung Mendelssohns als des "deutsch-jüdischen Aufklärers" schlechthin habe "nach dem Holocaust eine politisch-moralische Legitimationsfunktion erfüllt". In ähnlicher Weise kritisiert Jasper die Kanonpflege im Falle von Lessings "Nathan" als Auftragsarbeit für den politischen common sense. Mendelssohn hatte nie eine deutsche Universität besuchen können, Lessing zeitlebens keine Aufführung seines Toleranzdramas erlebt. In der Aufführungsgeschichte des "Nathan" setzte sich das Bestreben durch, befremdende Züge herunterzuspielen. "Alles Scharfe soll vermieden werden, wie auch das rein Jüdische in der Maske in den Hintergrund zu treten hat", heißt es 1929 in einer Schminkanweisung.

So beredt das zitierte Material, so enttäuschend bleibt über weite Strecken seine Auswertung. Der kritische Gestus einer Entmythologisierung des "deutsch-jüdischen Parnaß" läuft ins Leere, da ein historisch durchgeführtes Argument ebenso fehlt wie eine systematische Klärung des Geflechtes literarischer, kultureller, religionssoziologischer und politischer Determinanten. Was Jasper zusammengestellt hat, ist in der Summe quantitativ durchaus beachtlich, ruht aber im Detail auf einer kompilatorischen Tätigkeit, die leicht zu Verzerrungen, zu Unklarheiten und willkürlichen Gewichtungen führt.

Um des großen Bogens willen wird manches nur hingetupft bis hin zum bloßen Name-dropping. Bekannte Zitate werden, mal in Paraphrase, mal wörtlich, gleich an drei, vier verschiedenen Textstellen eingestreut. Das Bloch-Kapitel ist durchweg aus der Biographie Arno Münsters zusammengetragen. Ausdrücklich bezieht sich Jasper auf die Forschungen der Literaturhistorikerin Barbara Hahn zur deutsch-jüdischen Salonkultur, ohne einen bibliographischen Nachweis zu liefern. Aus Hannah Arendts Essay "Aufklärung und Judentum" läßt Jasper den Gedanken einfließen, das "Toleranzangebot für das Judentum" sei im 18. Jahrhundert gebunden gewesen an die "Trennung von absoluter Vernunft- und relativer Geschichtswahrheit". Aber was das heißen soll und welche Konsequenzen damit verbunden sind, wird nirgends erläutert.

In der Text- und Autorenreihe klafft zwischen Heine und Kafka eine beachtliche Lücke. Zu Wagner und Nietzsche finden sich ein paar lapidare Sätze, für die Geschichte des Antisemitismus so aufschlußreiche Werke wie Gustav Freytags "Soll und Haben" oder Fritz Mauthners Roman "Der neue Ahasver" werden nicht erwähnt. Über judenfeindliche Klischees wäre anhand der Gesellschaftsromane Theodor Fontanes kaum weniger materialreich zu räsonieren, als es der Autor im Falle Thomas Manns unternimmt. Wenig erfreulich ist schließlich die oft hölzern wirkende Sprache eines bürokratischen Verlautbarungsstils. Über die kulturelle Stellung jüdischer Autoren in der Weimarer Republik bemerkt Jasper, es sei "unbestreitbar", daß "ihrer Akzeptanz auch in der ersten deutschen Republik stets Grenzen gesetzt waren". So klingt Politikerdeutsch, das nirgends anecken möchte. Jaspers Buch berührt Vorgänge und Umstände, die einer anderen Sprache bedürften, um (was sonst wäre vornehmstes Ziel einer Literaturgeschichte?) heutigen Lesern nahegebracht zu werden.

ALEXANDER HONOLD

Willi Jasper: "Deutsch-jüdischer Parnaß". Literaturgeschichte eines Mythos. Propyläen Verlag, Berlin 2004. 525 S., geb., 28,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dieser Geschichte der deutsch-jüdischen Literatur von Willi Jasper spendet Harro Zimmermann höchstes Lob. Der Autor geht darin dem "Mythos" der kulturellen Symbiose zwischen Juden und Deutschen nach, die im 18. Jahrhundert als "gewagte Hoffnung" dastand und mit den Nationalsozialisten seine schreckliche Negierung erlebte, wobei er als Schwerpunkte seiner Studie die "Krise der Assimilation, das Exil und den Holocaust" gewählt hat, wie der Rezensent zusammenfasst. Jasper mache darin deutlich, dass es auch im Nachkriegsdeutschland nicht zu einer "Symbiose" des jüdischen und deutschen Diskurses kam, vielmehr Autoren wie Wolf Biermann, Günter Kunert oder Ilse Aichinger "fremd im eigenen Land" blieben, so Zimmermann weiter. Der Rezensent zeigt sich beeindruckt von der "großen Kennerschaft", mit der der Autor seine Befunde zur deutsch-jüdischen Literatur vorstellt. Insbesondere bei der Analyse der Werke von Ludwig Börne und Heinrich Heine und dem sich darin ausdrückenden "Leiden an Deutschland" rühmt er die "eindrucksvolle Akribie", mit der Jasper den "ungeheuren Judenschmerz" dieser "sprachvirtuosen Republikaner" nachvollzieht. Insgesamt ist dieser Band sowohl in seinem "souveränen Überblick" als auch in seinen Detailbeobachtungen von "präziser Kenntnis und Analyse" geprägt, lobt Zimmermann.

© Perlentaucher Medien GmbH
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