Das Buch Deutsche Dinge: Eine Geschichte in 75 Objekten von Andreas Matlé bietet eine originelle Perspektive auf die deutsche Geschichte der letzten 75 Jahre. Statt einer klassischen historischen Abhandlung wählt Matlé einen ungewöhnlichen, aber eindrucksvollen Zugang: Er erzählt die Geschichte der
Bundesrepublik anhand von 75 Alltagsobjekten, die für das Leben, Denken und Fühlen in Deutschland…mehrDas Buch Deutsche Dinge: Eine Geschichte in 75 Objekten von Andreas Matlé bietet eine originelle Perspektive auf die deutsche Geschichte der letzten 75 Jahre. Statt einer klassischen historischen Abhandlung wählt Matlé einen ungewöhnlichen, aber eindrucksvollen Zugang: Er erzählt die Geschichte der Bundesrepublik anhand von 75 Alltagsobjekten, die für das Leben, Denken und Fühlen in Deutschland symbolisch sind. Jedes Objekt repräsentiert ein Jahr seit der Gründung der Bundesrepublik und zeigt, wie sich Gesellschaft und Kultur durch diese vertrauten Dinge widerspiegeln und weiterentwickelt haben.
Ein zentraler Aspekt des Buches ist die gleichberechtigte Betrachtung von Ost- und Westdeutschland. Matlé nimmt sich Zeit, um auf die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Teile Deutschlands einzugehen und dadurch ein umfassendes Bild des geteilten und wiedervereinten Landes zu zeichnen. So findet sich neben der Birkenstock-Sandale, die ein Symbol westdeutscher Freizeitkultur wurde, das „Sternchen“-Transistorradio aus der DDR – ein beliebtes Gerät, das die technischen und kulturellen Eigenheiten des Ostens widerspiegelt.
Durch die Gegenüberstellung von Objekten aus Ost und West zeigt Matlé nicht nur die Unterschiede zwischen den Lebenswelten der Menschen auf beiden Seiten der Mauer, sondern verdeutlicht auch, wie sich ein gesamtdeutsches Lebensgefühl entwickelt hat. So entsteht ein „kulturgeschichtliches Panorama“, das die Geschichte beider Teile Deutschlands auf anschauliche Weise vereint.
Eines der faszinierendsten Elemente des Buches ist, wie bestimmte Objekte zu Symbolen ihrer Zeit wurden und kollektive Erinnerungen wachrufen. Die Pril-Blume, die ab den 1970er Jahren die Küchen der Republik schmückte, oder der gelbe Sack, der für die Umweltbewegung und das wachsende Bewusstsein für Recycling in den 1990er Jahren steht, sind Beispiele dafür, wie Alltagsgegenstände über ihren ursprünglichen Zweck hinaus eine ideelle Bedeutung gewinnen können. Matlé zeigt, dass diese Dinge oft mehr über ihre Epoche und die Denkweisen der Menschen aussagen, als es nüchterne Jahreszahlen und politische Ereignisse könnten.
Matlé beschreibt auch, wie diese Objekte die Sehnsüchte, Sorgen und Hoffnungen der Menschen repräsentieren. So wird der Weber-Grill zum Symbol für das Streben nach einer neuen Art von Freizeitkultur und Genuss, während das Tamagotchi die beginnende Digitalisierung und die damit einhergehende Veränderung in der Lebens- und Spielkultur der Kinder und Jugendlichen widerspiegelt. Durch diese Betrachtung werden scheinbar banale Objekte zu Zeitzeugen, die den Wandel in den Lebensstilen und Werten der deutschen Gesellschaft dokumentieren.
Eine große Stärke des Buches ist, dass es die Geschichte Deutschlands auf eine anschauliche und lebendige Art vermittelt. Andreas Matlé hat eine klare und prägnante Sprache, die auch komplexe kulturelle Entwicklungen und Unterschiede verständlich macht. Durch die pointierten Beschreibungen gelingt es ihm, historische Hintergründe in den Vordergrund zu rücken, ohne dabei belehrend oder trocken zu wirken. Auch die durchgehende Bebilderung verleiht dem Buch eine visuelle Qualität, die das Leseerlebnis bereichert und die beschriebenen Objekte direkt zugänglich macht.
Ein möglicher Kritikpunkt könnte jedoch darin liegen, dass das Konzept der Objektauswahl stellenweise subjektiv wirken mag und vielleicht nicht immer eine vollständige Abbildung der deutschen Geschichte gewährleistet. Auch wenn die Auswahl 75 interessante und abwechslungsreiche Objekte umfasst, könnten einige Leser*innen spezifische Themen oder Objekte vermissen, die ebenfalls ein prägender Teil der bundesdeutschen Kultur waren. Doch gerade diese Subjektivität macht das Buch einzigartig und spiegelt die persönliche Perspektive des Autors wider, die Raum für eigene Interpretationen lässt.
Deutsche Dinge: Eine Geschichte in 75 Objekten von Andreas Matlé ist ein originelles und informatives Buch, das die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland auf eine kreative und zugängliche Weise beleuchtet. Matlé gelingt es, das alltägliche Leben, die kulturellen Eigenheiten und die sozialen Veränderungen Deutschlands anhand bekannter und vergessener Objekte zu veranschaulichen. Die Auswahl der Objekte und die anschaulichen Erklärungen bieten eine spannende Perspektive auf die deutsche Geschichte, die durch ihre Alltagsnähe besonders zugänglich wird.
Das Buch ist für alle geeignet, die an Kulturgeschichte interessiert sind und einen neuen Zugang zur Geschichte Deutschlands suchen. Deutsche Dinge ist eine Hommage an die kleinen Dinge, die oft übersehen werden, aber dennoch das Leben und die Identität einer Nation prägen. Es lädt dazu ein, die eigene Vergangenheit durch die Augen der Dinge zu betrachten, die uns im Alltag begleiten und mehr über uns und unsere Kultur aussagen, als es auf den ersten Blick scheint.
Rezension von: Die Magie der Bücher