Deutschlands Funktionseliten haben in siebzig Jahren (1919 bis 1989) sieben verschiedene politische Systeme erlebt: Jedes neue System verlangte von den Führungsstäben in Staat und Gesellschaft die Zustimmung zu der neuen, oft entgegengesetzten Staatsideologie und zu neuen "Grundwerten". Das bedeutete für die Anhänger der alten Ordnung individuelle und kollektive Existenzkrisen. Die Beamten mussten mehrfach neue Amtseide leisten. Wer in staatsnahen Berufen seine Karriere fortsetzen wollte, musste geeignet und bereit sein, sich den "Idealen" der neuen Regierungsform unterzuordnen. Diese Frage wurde von beiden Seiten, je nach den Systemideologien, sehr verschieden behandelt oder auch - in liberalen Systemen - einvernehmlich beschwiegen. Die übernommenen Führungskräfte brachten zudem oft ihre Denkweisen und "Netzwerke" in den neuen Staat ein - mit dauerhaften Folgen. Das ist das Kernthema dieses Essays. Die Erinnerung an diese Zusammenhänge ist nicht nur für unser Geschichtsbild notwendig: Wer sich nicht oder falsch erinnert, den bestraft die Zukunft.
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