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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.1999

Jeden Tag ein Viertel Rotwein
Ein Buch über Mythos, Realität und Deutsche in der Fremdenlegion

Eckard Michels: Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten. Krieg in der Geschichte, Band 2. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1999. 362 Seiten, Abbildungen, 68,- Mark.

1831 durch eine Verordnung des "Bürgerkönigs" Louis Philippe ins Leben gerufen, wurde die Fremdenlegion ein Auffangbecken für politische, aber auch andere Flüchtende aus allen Teilen Europas. Sie eröffnete den auf Wunsch anonym und unter neuem Namen Eintretenden die Möglichkeit, ihr Vorleben abzustreifen und eine neue Identität anzunehmen. Gerade das hat wohl am meisten zur Entstehung des Mythos um die Fremdenlegion beigetragen, denn die Öffentlichkeit vermutete in der Legion manchmal zu Recht Verbrecher, aber auch andere, die aus vielerlei Gründen mit ihrer Vergangenheit brechen und unter falschem Namen ein neues Leben beginnen wollten. Dafür gibt es, gerade auch aus dem deutschen Raum, zahlreiche Beispiele, etwa den Legionär Nordemann, der 1897 in die Legion eintrat, aber bereits ein Jahr später an Typhus starb. Nach seinem Tode stellte man fest, dass es sich bei ihm um den preußischen Prinzen Albert Friedrich von Hohenzollern handelte, einen Vetter Kaiser Wilhelms II. Andere berühmte Deutsche, die in der Legion Dienst leisteten, waren der Gymnasiast Ernst Jünger, den die Eltern nach wenigen Monaten wieder befreien konnten, und der Porzellanfabrikant Philip Rosenthal, der sich 1939 für die übliche Dauer von fünf Jahren verpflichtete.

Doch geht es dem Verfasser nicht um spektakuläre Legionärsbiographien, sondern um die Geschichte dieser einzigartigen militärischen Institution, die in allen französischen Kolonialkriegen eine entscheidende Rolle spielte, und um den Beitrag, den deutsche Söldner beim Einsatz der Legion leisteten. Denn die Deutschen bildeten seit ihrer nationalen Einigung 1871 den quantitativ wichtigsten Bestandteil der Legion - im gesamten Zeitraum seit 1831 stellten sie ungefähr ein Drittel, in bestimmten Phasen wie nach 1871, als zahlreiche Elsässer in die Legion strebten, und während des Indochina-Krieges sogar mehr als die Hälfte der Legionäre. In den Jahren zwischen 1946 und 1954 erreichte die Legion einen Umfang von etwa 38 000 Mann, üblich waren seit dem Ersten Weltkrieg circa 15 000 bis 20 000 Mann.

Aber auch qualitativ waren die Deutschen das Rückgrat der Legion, sie wurden von französischer Seite als die besten Legionäre betrachtet. Viele Franzosen führten dies auf den "traditionellen Geschmack der Deutschen für alles Militärische" (François-Poncet) zurück, ein völkerpsychologisches Urteil, das der Verfasser zu Recht ablehnt. Er überzeugt mit seinen Argumenten, dass die deutsche Dominanz in der Legion vielmehr ein Resultat der "gesellschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklung in Deutschland selbst" war, also in jenen Jahren besonders spürbar wurde, in denen es für militärisch erfahrene und militärbegeisterte Deutsche nur eine eingeschränkte oder gar keine Möglichkeit gab, in einer deutschen Armee zu dienen, in denen auch die sozialen Verhältnisse in Deutschland so unsicher waren, dass vielen die Fremdenlegion ein sicherer Hort schien. Frankreich hatte dazu nach beiden Weltkriegen die Möglichkeit, in den von ihm besetzten Zonen Deutschlands direkt für seine Legion zu werben. Allerdings bediente es sich dazu niemals spezieller Werber, die etwa Kopfprämien für Söldner bekommen hätten.

Der Autor hat sich intensiv mit dem Bild der Fremdenlegion in der deutschen Öffentlichkeit befasst. Nach seiner Darstellung beruhte ein Großteil der Attraktivität der Fremdenlegion gerade darauf, dass untergeordnete deutsche Verwaltungsstellen, aber auch Kirchen, Parteien, Jugendorganisationen und die Presse vor dem Eintritt warnten, ja mit sensationell aufgemachten Berichten regelrechte Kampagnen veranstalteten, aber eben mit kontraproduktiver Wirkung. "Seitdem die deutschen Zeitungen diese Kampagne gegen die Fremdenlegion begonnen haben, wächst die Zahl der jungen Leute, die eine Verpflichtung unterzeichnen wollen", bemerkte ein französischer Kommandeur schon 1920. Auch das schwermütige Lied des Sängers Freddy Quinn, betitelt "Der Legionär", war 1958 vor allem ein musikalischer und kommerzieller, aber kein propagandistischer Erfolg gegen den Eintritt in die Legion. Erst das Wirtschaftswunder und die Aufstellung der Bundeswehr ließen den hohen deutschen Anteil zurückgehen.

In der Weimarer Republik hatte die Reichsregierung unter Verweis auf das deutsche Strafrecht darauf hingewirkt, die Anwerbung Deutscher für die französische Legion zu unterbinden, allerdings mit geringem Erfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg verhielt sich die Bundesregierung in dieser Frage wesentlich zurückhaltender. Adenauer wollte die deutsch-französische Aussöhnung und die französische Unterstützung für seine Deutschland- und Berlin-Politik nicht durch ausufernde Diskussionen über die französische Fremdenlegion gefährden. Im März 1958 etwa, inmitten des Algerienkrieges, war ein deutscher Legionär wegen eines Gewaltverbrechens zum Tode verurteilt worden. Adenauer bat den französischen Botschafter, das Urteil nicht zu vollstrecken - "aus politischen Gründen", nicht etwa aus humanitären.

Anders dagegen die deutsche Öffentlichkeit. Für sie war die Fremdenlegion neben der Saarfrage nach Auffassung des Autors die "größte Hypothek, die einer deutsch-französischen Verständigung im Wege stand". Erst nach dem Algerienkrieg und dem Rückzug Frankreichs aus seinen Kolonien verschwand das Problem aus dem Geflecht der deutsch-französischen Beziehungen.

War die Fremdenlegion die Hölle auf Erden? Für die meisten Legionäre war sie es nicht, trotz brutaler Kriegseinsätze, geringen Soldes und harter, oft willkürlicher Strafen. Meist drängten Kampfeinsätze Langeweile und Hoffnungslosigkeit in den Hintergrund, und vor allem gab es genug zu essen und jeden Tag ein Viertel Rotwein. Für viele Legionäre war das mehr, als sie außerhalb der Legion erwarten konnten.

VOLKMAR WITTMÜTZ

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