Es ist an der Zeit, die Geschichte des deutschen Kolonialismus mitsamt seinen Abenteurern, Schurken, Gewinnern und Verlierern neu zu erzählen.
Die TV-Journalistin Gisela Graichen, nimmt sich zusammen mit dem führenden deutschen Historiker auf diesem Gebiet des lange vergessenen Themas an.
So kurz ein deutsches Kolonialreich auch nur existierte, so mächtig war die Idee - sowohl vor dem Erwerb der ersten deutschen Kolonie 1884 als auch nach dem Verlust aller Annexionen nach dem Ersten Weltkrieg. Der Traum von einem "Größeren Deutschland" bewegte und mobilisierte idealistische Träumer, inspirierte mutige Entdecker und bot rassistischen und menschenverachtenden Eroberern ein oft blutiges Betätigungsfeld.
In dieser ersten populären Gesamtdarstellung des deutschen Kolonialismus können sich die Leser endlich ein eigenes, sachliches Bild machen von diesem verdrängten Kapitel deutscher Geschichte. Zwischen Völkermord und Südseeromantik spannt sich der Bogen dieser faszinierenden und fundie
Die TV-Journalistin Gisela Graichen, nimmt sich zusammen mit dem führenden deutschen Historiker auf diesem Gebiet des lange vergessenen Themas an.
So kurz ein deutsches Kolonialreich auch nur existierte, so mächtig war die Idee - sowohl vor dem Erwerb der ersten deutschen Kolonie 1884 als auch nach dem Verlust aller Annexionen nach dem Ersten Weltkrieg. Der Traum von einem "Größeren Deutschland" bewegte und mobilisierte idealistische Träumer, inspirierte mutige Entdecker und bot rassistischen und menschenverachtenden Eroberern ein oft blutiges Betätigungsfeld.
In dieser ersten populären Gesamtdarstellung des deutschen Kolonialismus können sich die Leser endlich ein eigenes, sachliches Bild machen von diesem verdrängten Kapitel deutscher Geschichte. Zwischen Völkermord und Südseeromantik spannt sich der Bogen dieser faszinierenden und fundie
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein "gelungenes populärwissenschaftliches Werk" hat Jochen Pretsch anzuzeigen, der sich von Gisela Graichen und Horst Gründer gut informiert fühlt über die deutschen Kolonien von 1528 bis zur Auflösung des Kolonialpolitischen Amts der NSDAP 1943. "Scharf gezeichnete Porträts" von Kaufleuten illustrieren den wirtschaftlichen Ursprung der deutschen Außenposten in Afrika, China und dem Pazifik. Die Bekehrungsversuche der Kirchen werden laut Rezensent ebensowenig ausgelassen wie die teilweise drakonischen Repressionen der Verwaltungsbehörden gegenüber den Einheimischen deutlich beschrieben werden. "Amüsant" findet Pretsch den Artikel über Schwarze in der Werbung und die als "Nick-Neger" bezeichnete Spendenbox in den Kirchen. Deutliche Kritik geht aber an die Karten, die ohne Farbe auskommen müssen und deshalb für Pretsch "kaum benutzbar" sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2006Spätes Echo
Koloniale Träume und Schäume
Vier Jahrhunderte umspannt der ansprechend bebilderte und flott geschriebene Begleitband zu einer ZDF-Dokumentation - von 1528, als Karl V. dem Augsburger Handelshaus der Welser zur Tilgung seiner Schulden die Statthalterschaft in Venezuela übertrug, bis zur Auflösung des Kolonialpolitischen Amts der NSDAP im Februar 1943 unter Franz Ritter von Epp, auch Chevalier d'Epp genannt. Erwerb und Verwaltung der Kolonien des Kaiserreiches in Afrika, China und im Pazifik stehen im Mittelpunkt. Scharf gezeichnete Porträts hanseatischer Kaufleute und Reeder bringen in Erinnerung, daß an der Wiege der deutschen Kolonien im 19. Jahrhundert nicht die Interessen des Staates, sondern zunächst wirtschaftliche Zwecke der Außenhandels- und der Schiffahrtsunternehmen standen, die neue Absatzmärkte und Stützpunkte suchten. Landesausbau und missionarische Tätigkeit der Kirchen werden ebenso klar geschildert wie die drastischen Strafmaßnahmen der deutschen Behörden. Der Fortschritt der Technik im Nachrichten- und Verkehrswesen erleichterte die Verwaltung und Beherrschung der Kolonien. Eisenbahnlinien aus dem Landesinneren zu den Seehäfen dienten der Wirtschaft und der schnellen Truppenverlegung. Die drahtlose Telegraphie ermöglichte die Kommunikation mit den Behörden in Berlin, unabhängig von fremden Seekabeln. Der Aufbau von Stationen für die Luftschiffe sollte den Personenverkehr unabhängig gestalten.
Die Begeisterung der Deutschen für ihre neuen Kolonien, tatkräftig gefördert von Wilhelm II., fand nach 1933 ein spätes Echo im Madagaskar-Plan zur Evakuierung der deutschen Juden. Amüsant ist der Beitrag über den Mohr in der Werbung und den Nick-Neger, der bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein in vielen Kirchen stand und für den Münzeinwurf in den Opferstock dankte. Eine Auswahlbibliographie und ein Kartenanhang ergänzen das Buch. Leider sind die Karten nur schwarzweiß gedruckt und kaum benutzbar. Hier hätte ein Griff in den Farbkasten die Anschaulichkeit erhöht. Insgesamt ist es ein gelungenes populärwissenschaftliches Werk, das man zur Kolonialzeit sicher gern der heranwachsenden Jugend auf den Gabentisch gelegt hätte.
HANS JOCHEN PRETSCH
Gisela Graichen/Horst Gründer: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Ullstein Verlag, Berlin 2005. 480 S., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Koloniale Träume und Schäume
Vier Jahrhunderte umspannt der ansprechend bebilderte und flott geschriebene Begleitband zu einer ZDF-Dokumentation - von 1528, als Karl V. dem Augsburger Handelshaus der Welser zur Tilgung seiner Schulden die Statthalterschaft in Venezuela übertrug, bis zur Auflösung des Kolonialpolitischen Amts der NSDAP im Februar 1943 unter Franz Ritter von Epp, auch Chevalier d'Epp genannt. Erwerb und Verwaltung der Kolonien des Kaiserreiches in Afrika, China und im Pazifik stehen im Mittelpunkt. Scharf gezeichnete Porträts hanseatischer Kaufleute und Reeder bringen in Erinnerung, daß an der Wiege der deutschen Kolonien im 19. Jahrhundert nicht die Interessen des Staates, sondern zunächst wirtschaftliche Zwecke der Außenhandels- und der Schiffahrtsunternehmen standen, die neue Absatzmärkte und Stützpunkte suchten. Landesausbau und missionarische Tätigkeit der Kirchen werden ebenso klar geschildert wie die drastischen Strafmaßnahmen der deutschen Behörden. Der Fortschritt der Technik im Nachrichten- und Verkehrswesen erleichterte die Verwaltung und Beherrschung der Kolonien. Eisenbahnlinien aus dem Landesinneren zu den Seehäfen dienten der Wirtschaft und der schnellen Truppenverlegung. Die drahtlose Telegraphie ermöglichte die Kommunikation mit den Behörden in Berlin, unabhängig von fremden Seekabeln. Der Aufbau von Stationen für die Luftschiffe sollte den Personenverkehr unabhängig gestalten.
Die Begeisterung der Deutschen für ihre neuen Kolonien, tatkräftig gefördert von Wilhelm II., fand nach 1933 ein spätes Echo im Madagaskar-Plan zur Evakuierung der deutschen Juden. Amüsant ist der Beitrag über den Mohr in der Werbung und den Nick-Neger, der bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein in vielen Kirchen stand und für den Münzeinwurf in den Opferstock dankte. Eine Auswahlbibliographie und ein Kartenanhang ergänzen das Buch. Leider sind die Karten nur schwarzweiß gedruckt und kaum benutzbar. Hier hätte ein Griff in den Farbkasten die Anschaulichkeit erhöht. Insgesamt ist es ein gelungenes populärwissenschaftliches Werk, das man zur Kolonialzeit sicher gern der heranwachsenden Jugend auf den Gabentisch gelegt hätte.
HANS JOCHEN PRETSCH
Gisela Graichen/Horst Gründer: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Ullstein Verlag, Berlin 2005. 480 S., 22,- [Euro].
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