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Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Alfred Kerr der prominenteste und eigenwilligste Theaterkritiker deutscher Sprache. Unverwechselbar (und nicht selten imitiert oder parodiert) Anlage, Stil und Ton seiner Prosa. Dem empfangenen Eindruck entspricht prägnanter Ausdruck, bald subtil, bald ruppig, unter römischen Ziffern reihen sich knappe Abschnitte, manchmal ist es ein Aphorismus oder nur ein einziges Wort. Die Subjektivität ist unverhohlen und stolz. Die Eitelkeit vereitelt nicht, sondern fördert formulierte Erkenntnis. Alfred Kerr verstand die Kritik als gleichberechtigtes Gegenstück…mehr

Produktbeschreibung
Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Alfred Kerr der prominenteste und eigenwilligste Theaterkritiker deutscher Sprache. Unverwechselbar (und nicht selten imitiert oder parodiert) Anlage, Stil und Ton seiner Prosa. Dem empfangenen Eindruck entspricht prägnanter Ausdruck, bald subtil, bald ruppig, unter römischen Ziffern reihen sich knappe Abschnitte, manchmal ist es ein Aphorismus oder nur ein einziges Wort. Die Subjektivität ist unverhohlen und stolz. Die Eitelkeit vereitelt nicht, sondern fördert formulierte Erkenntnis. Alfred Kerr verstand die Kritik als gleichberechtigtes Gegenstück zu ihrem Objekt und sich selber als schöpferischen Künstler.
Geborener Schriftsteller, begnügte er sich nicht mit Bühnenkunst als Erfahrung und Thema. Er legitimierte sich mit dem viel zitierten Satz: »War bloß Kritik mein Gebiet? Die Sprache war es.« Erlebte er die Welt als Schauspiel? Seine sinnenfrohe Reisefeuilletons sind Liebeserklärungen an Welt und Leben, ein guter Teil von ihnen, in diesem Band zusammengefaßt, Liebeserklärungen an Deutschland, dessen Landschaften, dessen Menschen ihm vertraut waren. Aus dem Land konnte vertrieben werden, nicht aus der Sprache. Sie bleibt lebendig, mit ihr der Autor Alfred Kerr.
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Autorenporträt
Alfred Kerr (ursprünglich Kempner), Deutschlands meistbewunderter und meistgehaßter Theaterkritiker seiner Zeit, wurde 1867 in Breslau geboren und studierte Literaturwissenschaft in Berlin.
Er war Mitarbeiter zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften, unter anderen an der Breslauer Zeitung, am Tag, dem von ihm geleiteten zweiten Pan und am Berliner Tageblatt.
In Buchform veröffentlichte er, neben einer fünfbändigen Sammlung seiner kritischen Arbeiten, vor allem Reiseprosa und Gedichte. 1933 Flucht aus Deutschland. Mühselige Existenz, erst in Paris, später in London.
1948 erlitt er, als Besucher in Hamburg, einen Schlaganfall und nahm sich das Leben.

Günther Rühle, einer der angesehensten deutschen Theaterkritiker und Theaterschriftsteller, wurde 1924 in Gießen geboren. Er war von 1960-1985 Redakteur im Feuilleton der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung', seit 1974 auch dessen Leiter. 1985-1990 übernahm er die Intendanz des Frankfurter Schauspiels, war danach Feuilletonchef des 'Tagesspiegel' in Berlin. Er editierte u. a. die Werke von Marieluise Fleißer und von Alfred Kerr, entdeckte dessen 'Berliner Briefe'. Seine großen Dokumentationen 'Theater für die Republik. 1917-1933' und 'Zeit und Theater 1913-1945', dann seine zusammenfassende Darstellung 'Theater in Deutschland. 1887-1945' wurden grundlegend für Erforschung und Nacherleben des Theaters jener Zeit. Günther Rühle war Ehrenpräsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und Präsident der Alfred Kerr-Stiftung. Er wurde ausgezeichnet mit dem Theodor-Wolff-Preis (1963), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis (2007), dem Hermann-Sinsheimer-Preis (2009), dem Binding-Kulturpreis (2010) und der Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille (2013). Am 10. Dezember 2021 starb Günther Rühle in Bad Soden am Taunus.

Literaturpreise:

Theodor-Wolff-Preis 1963
Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay 2007
Hermann-Sinsheimer-Preis 2009
Binding-Kulturpreis 2010
Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille 2013
Rezensionen
Frühe Reisen

"Erlebtes" von Alfred Kerr. Herausgegeben von Hermann Haarmann und Günther Rühle, erschienen in der Reihe "Werke in Einzelbänden". S. Fischer Verlag, Frankfurt 1998.

Band I,1: "Deutsche Landschaften, Menschen und Städte", 559 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049504-7.

Band I,2: "Reisen in die Welt", 597 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049505-5.

Natürlich. Ein Theaterstück. An einem Abend in St-Germain. Wie auch sonst sollte ein Buch von Alfred Kerr beginnen, selbst wenn es "Reisen in die Welt" betitelt ist? Dabei erlebt er die Aufführung gar nicht. Die Zuschauer verspäten sich, und Kerr will den letzten Zug nicht verpassen. So berichtet er vom Blumenstrauß für die Darstellerin und dem Rascheln ihres Kleids. Es ist ein wunderschöner Text. Wie beiläufig skizziert. Knappe Beobachtungen. Subtil. Pointiert. Die Gedanken numeriert von I bis VII. "Die Tage fliehen ... es ist wieder am herrlichsten, ganz planlos herumzugehen", beginnt der zweite Text - gleichsam Programm für den Leser der beiden Bände seiner Reiseprosa, Texte, die in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren in Büchern und Zeitschriften erschienen und geprägt sind von einem persönlichen Ton, mit dem man sich sonst nur seinem Tagebuch anvertraut. Deutschland und Frankreich, Italien und Spanien, Nordafrika und Nordamerika sind Kerrs Etappen. Er notiert, was "schwer vergeßbar" ist, entwickelt hier einen Kulturbegriff, erklärt dort die Ehrlichkeit der Werbung und entwirft mit gut einem Halbdutzend Wörtern das Bild einer ganzen Stadt: "In Algier auf den Straßen wandeln Umrisse." Die ganze Welt eine Bühne, das Leben nichts als ein Drama? So einfach macht Kerr es sich nicht. Dazu nimmt er die Menschen zu ernst. Dazu gibt es zu viele Anlässe, zu zweifeln und grübeln. Aber bleibt letztlich nicht der Ansatz derselbe, um über Theater zu schreiben und über die Wirklichkeit: Kritik und Analyse, Enttäuschung und Begeisterung - und wann immer es sich ergibt, ein frecher Blick auf hübsche Damen. Ganz nebenbei verrät Kerr seine Leitmotive: "Beobachtungen, die man so macht. Wünsche, die man so hegt. Eindrücke, die man so hat. Fragen, die man so stellt." Überall anwendbar. Jederzeit aktuell. Von ihm auf mehr als elfhundert Seiten beherzigt. Nur gut, daß die beiden Bände so umfangreich sind. Weniger wollte man nicht haben. (F.L.)

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