Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Alfred Kerr der prominenteste und eigenwilligste Theaterkritiker deutscher Sprache. Unverwechselbar (und nicht selten imitiert oder parodiert) Anlage, Stil und Ton seiner Prosa. Dem empfangenen Eindruck entspricht prägnanter Ausdruck, bald subtil, bald ruppig, unter römischen Ziffern reihen sich knappe Abschnitte, manchmal ist es ein Aphorismus oder nur ein einziges Wort. Die Subjektivität ist unverhohlen und stolz. Die Eitelkeit vereitelt nicht, sondern fördert formulierte Erkenntnis. Alfred Kerr verstand die Kritik als gleichberechtigtes Gegenstück zu ihrem Objekt und sich selber als schöpferischen Künstler.
Geborener Schriftsteller, begnügte er sich nicht mit Bühnenkunst als Erfahrung und Thema. Er legitimierte sich mit dem viel zitierten Satz: »War bloß Kritik mein Gebiet? Die Sprache war es.« Erlebte er die Welt als Schauspiel? Seine sinnenfrohe Reisefeuilletons sind Liebeserklärungen an Welt und Leben, ein guter Teil von ihnen, in diesem Band zusammengefaßt, Liebeserklärungen an Deutschland, dessen Landschaften, dessen Menschen ihm vertraut waren. Aus dem Land konnte vertrieben werden, nicht aus der Sprache. Sie bleibt lebendig, mit ihr der Autor Alfred Kerr.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Geborener Schriftsteller, begnügte er sich nicht mit Bühnenkunst als Erfahrung und Thema. Er legitimierte sich mit dem viel zitierten Satz: »War bloß Kritik mein Gebiet? Die Sprache war es.« Erlebte er die Welt als Schauspiel? Seine sinnenfrohe Reisefeuilletons sind Liebeserklärungen an Welt und Leben, ein guter Teil von ihnen, in diesem Band zusammengefaßt, Liebeserklärungen an Deutschland, dessen Landschaften, dessen Menschen ihm vertraut waren. Aus dem Land konnte vertrieben werden, nicht aus der Sprache. Sie bleibt lebendig, mit ihr der Autor Alfred Kerr.
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Frühe Reisen
"Erlebtes" von Alfred Kerr. Herausgegeben von Hermann Haarmann und Günther Rühle, erschienen in der Reihe "Werke in Einzelbänden". S. Fischer Verlag, Frankfurt 1998.
Band I,1: "Deutsche Landschaften, Menschen und Städte", 559 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049504-7.
Band I,2: "Reisen in die Welt", 597 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049505-5.
Natürlich. Ein Theaterstück. An einem Abend in St-Germain. Wie auch sonst sollte ein Buch von Alfred Kerr beginnen, selbst wenn es "Reisen in die Welt" betitelt ist? Dabei erlebt er die Aufführung gar nicht. Die Zuschauer verspäten sich, und Kerr will den letzten Zug nicht verpassen. So berichtet er vom Blumenstrauß für die Darstellerin und dem Rascheln ihres Kleids. Es ist ein wunderschöner Text. Wie beiläufig skizziert. Knappe Beobachtungen. Subtil. Pointiert. Die Gedanken numeriert von I bis VII. "Die Tage fliehen ... es ist wieder am herrlichsten, ganz planlos herumzugehen", beginnt der zweite Text - gleichsam Programm für den Leser der beiden Bände seiner Reiseprosa, Texte, die in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren in Büchern und Zeitschriften erschienen und geprägt sind von einem persönlichen Ton, mit dem man sich sonst nur seinem Tagebuch anvertraut. Deutschland und Frankreich, Italien und Spanien, Nordafrika und Nordamerika sind Kerrs Etappen. Er notiert, was "schwer vergeßbar" ist, entwickelt hier einen Kulturbegriff, erklärt dort die Ehrlichkeit der Werbung und entwirft mit gut einem Halbdutzend Wörtern das Bild einer ganzen Stadt: "In Algier auf den Straßen wandeln Umrisse." Die ganze Welt eine Bühne, das Leben nichts als ein Drama? So einfach macht Kerr es sich nicht. Dazu nimmt er die Menschen zu ernst. Dazu gibt es zu viele Anlässe, zu zweifeln und grübeln. Aber bleibt letztlich nicht der Ansatz derselbe, um über Theater zu schreiben und über die Wirklichkeit: Kritik und Analyse, Enttäuschung und Begeisterung - und wann immer es sich ergibt, ein frecher Blick auf hübsche Damen. Ganz nebenbei verrät Kerr seine Leitmotive: "Beobachtungen, die man so macht. Wünsche, die man so hegt. Eindrücke, die man so hat. Fragen, die man so stellt." Überall anwendbar. Jederzeit aktuell. Von ihm auf mehr als elfhundert Seiten beherzigt. Nur gut, daß die beiden Bände so umfangreich sind. Weniger wollte man nicht haben. (F.L.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Erlebtes" von Alfred Kerr. Herausgegeben von Hermann Haarmann und Günther Rühle, erschienen in der Reihe "Werke in Einzelbänden". S. Fischer Verlag, Frankfurt 1998.
Band I,1: "Deutsche Landschaften, Menschen und Städte", 559 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049504-7.
Band I,2: "Reisen in die Welt", 597 Seiten, eine Abbildung. Gebunden, 88 Mark. ISBN 3-10-049505-5.
Natürlich. Ein Theaterstück. An einem Abend in St-Germain. Wie auch sonst sollte ein Buch von Alfred Kerr beginnen, selbst wenn es "Reisen in die Welt" betitelt ist? Dabei erlebt er die Aufführung gar nicht. Die Zuschauer verspäten sich, und Kerr will den letzten Zug nicht verpassen. So berichtet er vom Blumenstrauß für die Darstellerin und dem Rascheln ihres Kleids. Es ist ein wunderschöner Text. Wie beiläufig skizziert. Knappe Beobachtungen. Subtil. Pointiert. Die Gedanken numeriert von I bis VII. "Die Tage fliehen ... es ist wieder am herrlichsten, ganz planlos herumzugehen", beginnt der zweite Text - gleichsam Programm für den Leser der beiden Bände seiner Reiseprosa, Texte, die in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren in Büchern und Zeitschriften erschienen und geprägt sind von einem persönlichen Ton, mit dem man sich sonst nur seinem Tagebuch anvertraut. Deutschland und Frankreich, Italien und Spanien, Nordafrika und Nordamerika sind Kerrs Etappen. Er notiert, was "schwer vergeßbar" ist, entwickelt hier einen Kulturbegriff, erklärt dort die Ehrlichkeit der Werbung und entwirft mit gut einem Halbdutzend Wörtern das Bild einer ganzen Stadt: "In Algier auf den Straßen wandeln Umrisse." Die ganze Welt eine Bühne, das Leben nichts als ein Drama? So einfach macht Kerr es sich nicht. Dazu nimmt er die Menschen zu ernst. Dazu gibt es zu viele Anlässe, zu zweifeln und grübeln. Aber bleibt letztlich nicht der Ansatz derselbe, um über Theater zu schreiben und über die Wirklichkeit: Kritik und Analyse, Enttäuschung und Begeisterung - und wann immer es sich ergibt, ein frecher Blick auf hübsche Damen. Ganz nebenbei verrät Kerr seine Leitmotive: "Beobachtungen, die man so macht. Wünsche, die man so hegt. Eindrücke, die man so hat. Fragen, die man so stellt." Überall anwendbar. Jederzeit aktuell. Von ihm auf mehr als elfhundert Seiten beherzigt. Nur gut, daß die beiden Bände so umfangreich sind. Weniger wollte man nicht haben. (F.L.)
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