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Der Antisemitismus bedroht unser Leben
Der brutale Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober ist zu einer Nagelprobe politischer und moralischer Haltung in Deutschland geworden. Das Schweigen der Linken und der Jubel muslimischer Einwanderer, die Unterstützung der Palästinenser durch die Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die abgerissenen Plakate der Entführten in London, das Entsetzen der Politiker, die die Aufnahmen der Täter gesehen haben - viele Gewissheiten hat der 7. Oktober erledigt. In Deutschland - selbst in Deutschland - zeigt sich der Antisemitismus wieder so offen, dass man vermuten…mehr

Produktbeschreibung
Der Antisemitismus bedroht unser Leben

Der brutale Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober ist zu einer Nagelprobe politischer und moralischer Haltung in Deutschland geworden. Das Schweigen der Linken und der Jubel muslimischer Einwanderer, die Unterstützung der Palästinenser durch die Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die abgerissenen Plakate der Entführten in London, das Entsetzen der Politiker, die die Aufnahmen der Täter gesehen haben - viele Gewissheiten hat der 7. Oktober erledigt. In Deutschland - selbst in Deutschland - zeigt sich der Antisemitismus wieder so offen, dass man vermuten könnte, er wäre nie weg gewesen.

Der deutsche Jude Philipp Peyman Engel ist schockiert, dass die Empörung in Deutschland so zögerlich zum Ausdruck kommt - aber nicht überrascht. Seit Jahren verfolgt der Chefredakteur der »Jüdischen Allgemeinen« die Anbiederung der deutschen Politik an die Feinde Israels und den alltäglichen Antisemitismus aus allen Ecken der Gesellschaft - von Rechten, von Linken, von muslimischen Migranten. Der 7. Oktober hat endgültig gezeigt, sagt Engel, dass es in Deutschland so nicht weitergehen kann.

Philipp Peyman Engel begibt sich auf die Straßen von Neukölln und er begleitet Bundespräsident Steinmeier nach Israel, er schreibt über die Verlogenheit der deutschen Debatte und erzählt von seiner Jugend als Sohn einer persischen Jüdin in Nordrhein-Westfalen. Sein Buch ist auf der einen Seite eine Abrechnung mit denen, die zum Terror schweigen und eine Aufforderung, Haltung zu zeigen. Auf der anderen Seite ist es die schonungslose Beschreibung der moralischen Krise dieses Landes.
Autorenporträt
Philipp Peyman Engel, geboren 1983 in Herdecke, ist als Sohn einer persischen Jüdin und eines deutschen Vaters im Ruhrgebiet aufgewachsen. Er studierte Philosophie, Pädagogik und Literatur und Medienpraxis in Bochum sowie Essen. Der Journalist ist Chefredakteur der Wochenzeitung 'Jüdische Allgemeine'. Das 'Medium Magazin' zeichnete ihn 2023 mit dem renommierten Medienpreis 'Chefredakteur des Jahres' aus. Texte von Engel zum jüdischen Leben, Antisemitismus und Israel erscheinen regelmäßig im 'Spiegel', 'FAZ' und 'Deutschlandfunk'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch über die Kontinuität der verschiedenen Antisemitismen in Deutschland hat Philipp Peyman Engel laut Rezensentin Theresa Weiß geschrieben. Der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen wendet sich darin, lesen wir, unter anderem gegen die Ansicht, dass Antisemitismus immer zwingend rechts ist. Das teilweise von eigenem Erleben ausgehende, diese aber stets argumentativ und mithilfe von statistischem Material kontextualisierende Buch greift laut Kritikerin diverse Themen auf, von TikTok-Koranauslegungen über die AfD, das Documenta 15-Debakel und den Einfluss diverser Autokraten. Kritisiert wird von Engel insbesondere, dass Linke nicht über muslimischen Antisemitismus sprechen wollen, wodurch auch Phänomene wie historische Nazipropaganda in der arabischen Welt nicht in den Blick kommen, liest die Rezensentin. Nicht zuletzt ist das Schweigen der Linken zu diesem Thema Wasser auf den Mühlen der AfD, erfährt sie von dem Autor.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2024

Auf dem linken Auge blind
Der Hass bricht sich Bahn / Der 7. Oktober und die Folgen für die Juden in Deutschland

Auf den ersten Seiten liest sich "Deutsche Lebenslügen" fast wie eine Autobiographie, wie ein Einblick in die Seelenwelt von Philipp Peyman Engel, dem Chefredakteur der Wochenzeitung "Jüdische Allgemeine". Es geht um seine Mutter, die aus Iran stammt und nach Deutschland floh, weil sie sich dort sicher wähnte, als die Mullahs die Macht in ihrer Heimat übernahmen. Es geht um Tahdig, die Leibspeise Engels, um sein Aufwachsen im Ruhrgebiet als persischer Jude.

Schon in der Kindheit erlebte Engel, dass sein Jüdisch-Sein ein Anders-Sein ist, und bei Bedarf gegen ihn verwendet wird - sowohl von migrantischen Mitschülern in Witten als auch von einem Nachhilfelehrer. Jetzt, vor dem Hintergrund des 7. Oktobers und der Folgen des Massakers der Hamas in Israel, scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Denn, so schreibt Engel, mit dem Massaker der Hamas in Israel seien antisemitische Einstellungen und Hass hervorgebrochen, auch in Deutschland. Und die verschiedensten Gruppen seien sich in einer Sache unheimlich einig: dass Juden ein Problem sind. Ja, es ist ein sehr persönliches Buch. Aber zugleich ein höchst politisches.

In zehn Kapiteln erzählt Engel von seinen Erlebnissen, ordnet sie jedoch stets in einen historischen Kontext ein und belegt seine Thesen anhand von Fakten und Statistiken. "Deutsche Lebenslügen" ist kein Befindlichkeitsbericht. Es geht um das große Ganze, um die Entwicklung Europas, um autokratische Herrscher und Aspiranten, die AfD, um einen Nazi-Radiosender, der im Nahen Osten Hitlers Judenhass verbreitete, und die Auslegung des Korans auf Tiktok. Nach und nach entwickelt Engel so ein aktuelles Bild des Antisemitismus in Deutschland, Europa, den Vereinigten Staaten und dem Nahen Osten. Es ist eine Analyse - das ist ihm das wichtigste Anliegen in diesem Buch -, die nicht auf dem linken Auge blind ist. Dazu passt eine der "Lebenslügen", mit denen er aufräumen will: "Antisemitismus gab es nach 1945 nur von rechts."

Gerade von linken Kräften sei es tabuisiert, über den Judenhass von Muslimen zu sprechen, kritisiert Engel. Er zeichnet darum Kontinuitäten und Verbindungen zwischen verschiedenen Formen des Antisemitismus nach. Besonders erhellend ist das Kapitel, das darstellt, wie ein Propagandasender der Nationalsozialisten Einfluss auf antisemitische Einstellungen in Nordafrika und der arabischen Welt nahm: Eine Studie belegt, dass in diesen Gebieten, wo der Kurzwellensender empfangen wurde, 75 Prozent der Muslime antisemitischen Aussagen zustimmen. In Asien dagegen, wohin der Sender nicht funkte, stimmen nur 37 Prozent der Muslime diesen Aussagen zu. "Folgt man der These von Jeffrey Herf, haben die Deutschen den muslimischen Antisemitismus in dieser Form überhaupt erschaffen - und er kehrt nun über Einwanderer und Migranten aus vielen arabischen und muslimischen Staaten zu uns zurück", schreibt Engel. "In ihm verbindet sich das antijudaistische Element des Korans mit dem rassistisch-mörderischen des Nationalsozialismus."

Dass nun Linke diesen Hass nicht verurteilen wollen oder die Muslime, die ihn pflegen, als Opfer in Schutz nehmen, wirkt vor diesem Hintergrund nur noch unaufgeklärt. Engel verwahrt sich gegen den Vorwurf, so nur Wasser auf die Mühlen der AfD und anderer rechtsextremer Kräfte zu gießen. "Aus Angst, als ,rechts' dazustehen, wurde das Problem lieber verschwiegen. Eine deutsche Lebenslüge, die zynischerweise die rechtsextreme AfD gestärkt hat, weil sie lange Zeit als einzige Partei dieses Problem thematisiert hat."

Überraschend kommt einem der aufwallende Judenhass in den Berliner Hörsälen oder auf Frankfurter Straßen nicht mehr vor, wenn man "Deutsche Lebenslügen" liest: Das Phänomen gibt es schon lange. Da sind der Israelhass der 68er oder die Flugzeugentführung von Entebbe, aber auch in der jüngeren Vergangenheit die zögerlichen Reaktionen auf Eklats wie um die Documenta 15 von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen), die Engel ebenso wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier scharf kritisiert. Auch die zunehmenden verbalen Eskalationen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bildet Engel ab. Dagegen schneidet er immer wieder Straftaten und Statistiken, die den muslimisch motivierten Antisemitismus in Deutschland belegen und so dem "Irren vom Bosporus" Einfluss auf die türkische Minderheit hierzulande zuschreiben.

Letztlich fragt Engel, ob es den Deutschen wirklich gelungen ist, ihr Versprechen "Nie wieder" nach dem beispiellosen Zivilisationsbruch der Schoa einzulösen. Die knappe Antwort lautet: nein. "Die Deutschen haben nach Krieg und Schoah nur gelernt, die Klappe zu halten." THERESA WEISS

Philipp Peyman Engel: Deutsche Lebenslügen. Der Antisemitismus, wieder und immer noch.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2024. 192 S., 18,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eine präzise Analyse deutscher Wirklichkeit aus der Sicht eines Juden, der seit 41 Jahren in Deutschland lebt und den das Schweigen der Mehrheit irritiert. ZDF Morgenmagazin 20240322