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Eine deutsch-deutsche Militärgeschichte
Die Streitkräfte spielten im Kalten Krieg eine Schlüsselrolle. Doch selbst neuere Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte zwischen 1945 und 1990 blenden sie weitgehend aus. In diesem Band nehmen renommierte Fachleute aus Europa und den USA erstmals die DDR und die Bundesrepublik gemeinsam in den Blick. Wie waren Nationale Volksarmee und Bundeswehr organisiert? Auf welche Weise nutzten sie die "geteilte" Vergangenheit zur Traditionsstiftung? Wie stellten sich die beiden Seiten dar, und wie wurden sie wahrgenommen? Vergleich und Verflechtung…mehr

Produktbeschreibung
Eine deutsch-deutsche Militärgeschichte

Die Streitkräfte spielten im Kalten Krieg eine Schlüsselrolle. Doch selbst neuere Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte zwischen 1945 und 1990 blenden sie weitgehend aus. In diesem Band nehmen renommierte Fachleute aus Europa und den USA erstmals die DDR und die Bundesrepublik gemeinsam in den Blick. Wie waren Nationale Volksarmee und Bundeswehr organisiert? Auf welche Weise nutzten sie die "geteilte" Vergangenheit zur Traditionsstiftung? Wie stellten sich die beiden Seiten dar, und wie wurden sie wahrgenommen? Vergleich und Verflechtung einerseits, internationale Einordnung andererseits - dieses Vorgehen eint die 20 Beiträge. Thema und Methode sorgen für einen innovativen Beitrag zur deutschen Zeitgeschichte im Ost-West-Konflikt.

Mit Beiträgen von Jan-Hinnerk Antons, Heiko Biehl und Timo Graf, Jens Boysen, Jörg Echternkamp, Dominik Geppert, Jan Hansen und Lukas Mengelkamp, Mark Kramer, Thorsten Loch, Kathleen J. Nawyn, Christoph Nübel, Michael Olsansky, Sari Autio-Sarasmo, Rudolf J. Schlaffer, Klaus Schroeder, Bastian Matteo Scianna, Peter Speiser, Klaus Storkmann, Hermann Wentker, Rüdiger Wenzke, John Zimmermann.

Band 4 der Reihe »Deutsch-deutsche Militärgeschichte«
Autorenporträt
Jörg Echternkamp, Jahrgang 1963, ist Wissenschaftlicher Direktor und Projektbereichsleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Im Mai 2019 war er Gastwissenschaftler an der Hebrew University of Jerusalem. Er erhielt 2017 den Übersetzungsförderpreis "Geisteswissenschaften International" und hatte 2013 bis 2014 die Alfred-Grosser-Gastprofessur am Institut d'études politiques (Sciences Po) in Paris inne. Christoph Nübel, Jahrgang 1982, ist Wissenschaftlicher Oberrat am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Von 2011 bis 2016 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ausgezeichnet wurde er 2008 mit dem Wilhelm-Deist-Preis 2008 und 2012 mit dem Werner-Hahlweg-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Daniel Siemens erfährt viel über Organisation, Selbstverständnis und Traditionspflege in den beiden deutschen Streitkräften aus dem von Jörg Echternkamp und Christoph Nübel herausgegebenen Sammelband. Die insgesamt nationalgeschichtlich orientierten Beiträge trennen laut Siemens bundesdeutsche und DDR-Militärgeschichte und zeigen etwa, wie unterschiedlich Ideologie vermittelt wurde (Klaus Schroeder), wie sich Kritik am Wehrdienst aus der "68er-Bewegung" entwickelte oder wie die deutschen Streitkräfte von den westlichen Verbündeten gesehen wurden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2022

Partei- gegen Parlamentsarmee
Instruktive Blicke auf die Militärgeschichte im geteilten Deutschland

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stellt sich auch in West- und Zentraleuropa die Frage nach der Verteidigungsbereitschaft, ihren Kosten und gesellschaftlichen Folgen mit neuer Dringlichkeit. Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick zurück in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, als in beiden deutschen Nachfolgestaaten das Verhältnis von Militär, Politik und Gesellschaft neu konzipiert werden musste - in Abgrenzung zur jüngsten Vergangenheit, aber auch mit zahlreichen Kontinuitäten. Mit der Organisation, dem Selbstverständnis und der Traditionspflege der beiden deutschen Streitkräfte setzt sich ein neuer Sammelband auseinander. Die beiden Herausgeber verstehen ihr Buch als Beitrag zur allgemeinen "gesamtdeutschen" Zeitgeschichte, in der Vergleich und Verflechtung schon seit einiger Zeit hoch im Kurs stehen. Im Gegensatz dazu tat sich die bundesdeutsche Militärgeschichte lange Zeit schwer mit solchen Ansätzen - nicht nur wegen der Nachwirkungen der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg, sondern auch weil der Vergleich potentiell immer auch die eigene Meistererzählung vom grundlegenden demokratischen Neubeginn der Bundeswehr infrage zu stellen drohte.

Ganz sind die Geister der Vergangenheit noch immer nicht gebannt. So hebt etwa John Zimmermann in einem pointierten Vergleich zur Tradition in Bundeswehr und Nationaler Volksarmee (NVA) hervor, dass gerade die Aufbauphase der beiden Streitkräfte in den 1950er- und 1960er-Jahren als "die Fortsetzung der Wehrmacht mit anderen Mitteln" beschrieben werde könne. Die Gretchenfrage "Wie hältst du es mit der Wehrmacht?" sei auch über 60 Jahre nach der Aufstellung der Bundeswehr keinesfalls obsolet, wie sich bis heute an Straßen- und Kasernenbenennungen, am Umgang mit Deserteuren und an der Wertschätzung des hochmotivierten Kämpfers (und nicht etwa des Denkers in Uniform) zeige.

So konsequent vergleichend und ideologiekritisch nach beiden Seiten sind nicht alle Autoren. Mehrfach wird als grundsätzlicher Unterschied der beiden deutschen Streitkräfte hervorgehoben, dass es sich bei der NVA zwar nicht um eine Parteiarmee gehandelt habe, dass aber die SED von Anfang an dafür sorgte, dass die Führungspositionen fast durchweg mit Parteimitgliedern besetzt wurden. Entsprechend positiv fiel denn auch das Urteil der Partei über die Streitkräfte aus. Die NVA solle "sozialistische Soldatenpersönlichkeiten" formen, die diszipliniert und informiert den Sozialismus verteidigen und voranbringen sollten. Aller Friedensrhetorik zum Trotz ist klar, dass die NVA maßgeblich zur Militarisierung der Zivilgesellschaft beitrug, zumal es in der DDR - anders als in der Bundesrepublik der 1970er- und 1980er-Jahre - kaum Möglichkeiten gab, sich dem Zugriff der Obrigkeit zu entziehen.

Die angestrebte umfassende Politisierung der Soldaten der NVA war nur durch intensive "Erziehung" und Schulung zu erreichen. Klaus Schroeder hebt hervor, dass in der DDR bis zu zwei Stunden täglich mit "politisch-ideologischer Arbeit" gefüllt waren, während bei der Bundeswehr pro Woche nicht mehr als 90 Minuten zur Verfügung standen. Und selbst daran wurde gekürzt, wenn es Gefechtsausbildung, technischer Dienst oder auch nur der Sport verlangten. Populär war die zeitlich aufwendige Staatsbürgerkunde in der NVA keineswegs, zumal sie oft in den späten Nachmittags- und Abendstunden lag und damit die Freizeit der Soldaten reduzierte. Angesichts des marxistisch-leninistischen Geschichtsdeterminismus standen substanzielle Änderungen dieser Praxis jedoch nie zur Debatte.

Auch wenn das in der Bundeswehr beschworene Ideal der "Inneren Führung" bis in die 1970er-Jahre weniger gelebte Praxis denn ein "frommer Wunsch" der Reformer um Wolf Graf von Baudissin blieb, so Zimmermann, machte es auf lange Sicht doch einen Unterschied, dass die Bundeswehr als Parlamentsarmee konzipiert war und dass die Regierungen in der Bundesrepublik mehrfach wechselten. Keine Partei konnte sich daher die Bundeswehr so gefügig machen, wie es in der DDR bei der NVA der Fall war. In der Praxis ebenfalls große Relevanz hatten der Mentalitätswandel seit den späten 1960er-Jahren und besonders die Anti-Nuklearwaffen- und Friedensbewegung. Zwar meinte man auch in der Bundeswehr zunächst, die Ostermärsche als "prokommunistische Propaganda" abtun zu können, doch über neue Generationen von Wehrpflichtigen war sie seit den 1970er-Jahren doch mit einem Meinungspluralismus konfrontiert, den sie nicht dauerhaft unterdrücken konnte. Wie Jan Hansen und Lukas Mengelkamp deutlich machen, waren "nachrüstungskritische Soldaten" auch in der Bundeswehr Repression ausgesetzt, doch mit den "alternativen Wissensbeständen" der Friedensforschung mussten sich auch die Streitkräfte auseinandersetzen. Dass alte Frontstellungen auch in der aktuellen Forschung noch nicht ganz überwunden sind, zeigt der Beitrag von Rüdiger Wenzke, der die sich verstärkende "negative kritische Grundeinstellung zum Wehrdienst" in der Bundesrepublik pauschal der "68er-Bewegung" anlastet. Diese habe Soldaten verstärkt mit "Drogen und Alkohol, Frustration, Demotivation, Problemen der Selbstverwirklichung und der Sexualität" konfrontiert.

Mehrere Aufsätze beschäftigen sich mit der Wahrnehmung der deutschen Streitkräfte durch die westlichen Verbündeten und Nachbarn sowie ihrer Einbettung in die Bündnisse. Wie Kathleen J. Nawyn, Peter Speiser und Michael M. Olsansky zeigen, waren negative Stereotype über das vermeintliche Fortdauern preußischer und nationalsozialistische Militärkulturen zunächst durchaus präsent, verloren aber rasch an Bedeutung. So wurden die von 1961 an stattfindenden Manöver der Bundeswehr in Wales von der britischen Boulevardpresse zwar zunächst kritisch kommentiert, und es kam auch zu einzelnen Protesten. Bei den Walisern vor Ort überwog jedoch eine positive Neugier auf die "Panzers", die etwa beim gemeinsamen Kneipenbesuch gestillt wurde. Kritisch wurde die Bundeswehr von Schweizer Offizieren gesehen, die in den 1960er-Jahren in die Bundesrepublik entsandt waren. Sie bemängelten vor allem eine mangelnde Intensität bei der Ausbildung der Wehrpflichtigen und mitunter auch eine "Beschränktheit im historisch-politischen Denken" der Mehrzahl der deutschen Offiziere.

Trotz der internationalen Perspektiven einzelner Aufsätze ist das Buch insgesamt nationalgeschichtlich ausgerichtet und der prominente Europabezug im Titel damit nur zum Teil gerechtfertigt. Überzeugend ist hingegen der Anspruch eingelöst, die Trennung in eine bundesdeutsche und eine DDR-Militärgeschichte durch eine "integrale deutsche Zeitgeschichte als Militärgeschichte" zu ersetzen. Diese Perspektivverschiebung führt unter anderem dazu, dass - analog zur allgemeinen Zeitgeschichte - die 1970er-Jahre auch in der neueren deutsch-deutschen Militärgeschichte als "tiefgreifende Zäsur" deutlich werden. DANIEL SIEMENS

Jörg Echternkamp, Christoph Nübel (Hg.), Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945 -1990.

Christoph Links Verlag, Berlin 2022. 496 S., 50,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Überzeugend ist der Anspruch eingelöst, die Trennung in eine bundesdeutsche und eine DDR-Militärgeschichte durch eine 'integrale deutsche Zeitgeschichte als Militärgeschichte' zu ersetzen.« Daniel Siemens Frankfurter Allgemeine Zeitung 20221018