Die Wartburg als ein "Nationaldenkmal der Deutschen" ist nicht nur im 19. Jahrhundert erst erbaut, sondern sie ist in jener Zeit und darüber hinaus auch "erschrieben" worden. Seitdem die Romantiker in ihrer Mittelalterbegeisterung den kulturhistorischen Rang des alten Landgrafensitzes wiederentdeckt hatten, erhielt die Burg zunehmende Beachtung. Das Zentrum mittelalterlicher Kultur, vermeintlicher Schauplatz des legendären "Wartburgkrieges" der Minnesänger und zugleich wichtige Stätte der Reformation, kehrte ins öffentliche Bewußtsein zurück. Das Wartburgfest 1817 erweiterte die historische Bedeutung des Ortes um aktuelle nationalpolitische Aspekte. Damit war der Grundstein für eine von nationalistischer Begeisterung geprägte Interpretation gelegt, die sich im 19. und 20. Jahrhundert in einem vielfältigen Schrifttum widerspiegelt. Die Burg wurde zum symbolischen Erinnerungsort im Kontext eines deutschen Nationalmythos stilisiert, ein Ort, der "deutschem Wesen stets bereit" sei. Jener Prozeß der literarischen Bedeutungszuweisung soll anhand von unter dem Sammelbegriff "Wartburg-Lyrik" erfaßten nationalistischen Gedichten genauer analysiert werden. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf der kritischen Interpretation lyrischer Texte aus der Zeit zwischen 1890 und 1933.
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