Aufopferungsvolle Pädagogen, faule Beamte oder Sündenböcke einer verfehlten Bildungspolitik - was sind Lehrer heute?
Deutschlands Lehrer sind besser als ihr Ruf - aber sie werden von der Politik allein gelassen, von der übergroßen Anspruchshaltung der Eltern überfordert und an den Hochschulen mangelhaft auf die Praxis vorbereitet. Über die Hälfte der Lehrer steht stark unter Stress und klagt über emotionale Erschöpfung. Auf der Basis neuer Konzepte von Pädagogen, Bildungsexperten und Hirnforschern zeigt Christine Eichel Wege auf, wie der Beruf des Lehrers - deren Wirken für den Lernerfolg der Schüler das wichtigste Moment überhaupt ist - neu bestimmt werden kann.
Deutschlands Lehrer sind besser als ihr Ruf - aber sie werden von der Politik allein gelassen, von der übergroßen Anspruchshaltung der Eltern überfordert und an den Hochschulen mangelhaft auf die Praxis vorbereitet. Über die Hälfte der Lehrer steht stark unter Stress und klagt über emotionale Erschöpfung. Auf der Basis neuer Konzepte von Pädagogen, Bildungsexperten und Hirnforschern zeigt Christine Eichel Wege auf, wie der Beruf des Lehrers - deren Wirken für den Lernerfolg der Schüler das wichtigste Moment überhaupt ist - neu bestimmt werden kann.
"Christine Eichel hat für dieses Buch viele Gespräche geführt ... Die Einblicke sind interessant, manchmal schockierend, oft überraschend. Ein kluges Buch zu einem wichtigen Thema." Andra Fischer, B.Z. am Sonntag
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Andreas Gruschka ist der kritischen Literatur über Lehrer allmählich überdrüssig. Daran kann auch Christine Eichels neues Buch "Deutschland, Deine Lehrer" nur wenig ändern. Denn der Rezensent erfährt hier nicht nur wenig Neues - einmal mehr ermüdende Klagen über die fehlende Weiterbildung oder Identifikation der Lehrer mit ihren Schülern - auch Eichels gesammelte Zitate von Vordenkern wie Sokrates und Roman Herzog erscheinen ihm doch allzu "assoziativ" gewählt. Darüber hinaus bemängelt der Rezensent den leichtfertigen, oft fehlerhaften Umgang der Autorin mit der Historie des Lehrberufs, der auch einen Einblick in die Ursachen für die Misere vermissen lässt. Schließlich stellt Gruschka verärgert fest, dass Eichel nicht nur auf wissenschaftliche Erkenntnisse verzichtet, sondern lediglich "Heilsbotschaften" verkündet und sich Lehrer als "Lifecoaches" in "Lernlandschaften" wünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2014Über Lehrer darf inzwischen jeder alles sagen
Schüler mit Lebenskunst begießen und dadurch zum Blühen bringen: Christine Eichel über Deutschlands Lehrer
Der Titel der Schrift lässt zweierlei erwarten: zum einen die gesammelten Stoßseufzer über Vertreter und von Vertretern eines gebeutelten Berufsstandes, zum anderen die Freude über Helden des Berufs. Die Darstellung zerfällt ohne Zwischentöne genau in dieses Schwarzweiß, mit deutlich mehr Platz für das Schwarze einer ins Ungeheure sich auswachsenden Misere und einzelnen Hoffnungsträgern, die für das Licht im Tunnel stehen. Nach allen schlechten Nachrichten enden die Kapitel wie ein "Wunder" oder "Märchen" mit Lehrern, die für das genaue Gegenteil stehen, nämlich "blühende Lernlandschaften".
"Ein weiteres Buch" über ein so aufgeheiztes Dauerthema wie die Schule und ihre Lehrer zu schreiben ist für die Verfasserin nach den auf dem Markt erfolgreichen Vorläufern eine Herausforderung. Sie besteht wohl vor allem darin, nicht einfach zu wiederholen, was von Autoren wie Jasper Juul, Richard David Precht, Gerald Hüther oder Manfred Spitzer ausgebreitet wurde. Die Verfasserin, die erst am Ende von ihrer eigenen Lehrpraxis als Dozentin einer Hochschule für Künste erzählt, hat sich in der Breite des Themas sachkundig zu machen versucht. Sie handelt von "Beziehungsproblemen", vom "Kampfmodus" der "Lehrer an der Front", von den "Imageproblemen", von der unzureichenden Lehrerbildung und Weiterbildung, von den negativen Folgen der Feminisierung des Lehrberufs, und vor allem von der fehlenden Identifikation der Lehrenden mit den Kindern und Jugendlichen. Sie klagt referierend über "Bildungsvollzugsbeamte", "autoritäre Disziplinierer", "Schülerhasser und Lehrerhasser", "Selektionsagenten", über Überforderte, Ausgebrannte, Mobber und Gemobbte, Verdränger, Berufsunfähige und Berufsunwillige in dem 447 Seiten starken Buch.
Eichel hat viele Interviews mit Lehrern und Schülern geführt und deren Selbstbeschreibungen mit möglichst prägnanten, erschreckenden oder ermutigenden Zitaten reportageförmig in den Text aufgenommen. Daneben stellt die Autorin so manche gelehrten, assoziativ passend scheinenden Zitate großer Vordenker (von Sokrates bis Roman Herzog), mit denen aphoristisch deutlich gemacht wird, dass die heutigen Lehrerklagen eine lange Tradition haben und auch weise Lösungen längst bekannt sind. Vielfach lebt die Darstellung von kursierenden Artikeln einiger Bildungsjournalisten beziehungsweise der in den Medien präsenten Vertreter verschiedener sich um Lehrer kümmernder Fächer. Die Interviewaussagen werden pointiert wiedergegeben. So versammelt der Text Meinungen über Meinungen und behandelt sie wie Ergebnisse einer wissenschaftlichen Recherche.
Vereinzelt greift die Autorin über diese Quellen hinaus und schreibt kleine Exkurse. Der Leser erhält Lektüreempfehlungen zur schönen Literatur über schreckliche Lehrer. Er erfährt etwas über die Geschichte des Lehrerberufs. Zu gelehrt soll es nicht zugehen, also kommt es zu locker geschriebenen Hinweisen, die nicht wirklich auf die historischen Ursachen der Misere führen. Dafür aber erlauben sie dem Leser, die Darstellung zu prüfen und gravierende Fehler zu entdecken. So, wenn Friedrich II., der Große, den "Coup" landet, den "Polyhistor Wilhelm von Humboldt" zum "Wissenschaftsminister" zu machen, oder wenn Karl der Große in die vorchristliche Zeit verlegt wird.
Dergleichen Unaufmerksamkeit ist wohl eine Folge eines das gesamte Werk durchziehenden Parlandos, mit dem nicht auf Genauigkeit und Abwägung, sondern auf Erregung und Unterhaltung gesetzt wird. Damit soll der Leser bei der Stange gehalten werden.
Der mag sich mit den Hunderten von Meinungsäußerungen von Praktikern und Experten unausgesetzt in seinem eigenen Meinen bestätigt fühlen und der Verfasserin danken, dass sie ausspricht, was man sich selbst so denkt, oder aber er wird - wie der Rezensent - bereits nach einem Kapitel wegen der absehbar sich fortsetzenden Darstellung des im Kern immer Gleichen ermüden. Die Meinungen kommen, wechseln und kommen wieder. Man ist verführt, sie als erklärende Aussagen zu werten und vergisst darüber, dass sie bloße Illustrationen für das bereits Bekannte, vor allem so manche Vorurteile, sind. Nur selten wird die Serie unterbrochen, so wenn überraschende Daten aus Studien zitiert werden oder wenn die Verfasserin beginnt, zu dem Material analytisch auslegend Stellung zu nehmen.
Die Meinungsäußerungen der Leidtragenden und Klagenden wie die der alternativen Helden erscheinen als selbsterklärend. Warum jemand es so sagt und was daraus folgt, wird nicht geklärt. Dagegen dürfte auch Frau Eichel wissen, dass so manche Lehrer, die über die Schule äußerst kritisch urteilen, die Mühen der Ebene auf sich nehmen und dort ihre negativen Urteile praktisch dementieren. Bekannt ist auch, dass sich umgekehrt nicht wenige mit Versprechen zu pädagogischen Absichten und Wirkungen ins rechte Licht rücken, ohne dass man damit bereits das entsprechende Verhalten vor der Klasse voraussagen kann. Auffällig ist, dass nachdenkliche und analytische Darstellungen über die Lehrerarbeit, der Zwischenbereich von Schwarz und Weiß, im Text nicht auftauchen. Ihnen mangelte es wohl an Unterhaltungswert.
Für ein Sachbuch zum Lehrerthema ist bemerkenswert, wie wenig die wissenschaftlichen Angebote zur Klärung der Aufgaben und Probleme der Lehrerprofession zur Kenntnis genommen werden. Eichel greift nur auf, was wiederum medial in aller Munde ist, wie John Hatties Charakterisierung des guten Lehrers oder die Hirnforschung. Von der handelt einer der Lehrerhelden als von seinem "Credo".
Wie bei fast allen Artikeln dieses Marktsegments ist nicht das sachliche Aufklärungsinteresse das zum Buch anstiftende Moment, nicht also die Frage, was man mit dem Meinungsrauschen über die Wirklichkeit der Lehrerarbeit in Erfahrung bringen kann. Eichel tritt nicht als analytische Beobachterin der Äußerungen zum "Reizthema" auf, sondern nutzt ihr Schwarzweißgemälde, um ihre eigenen Überzeugungen zu verbreiten. Sie sieht mit anderen Autoren das Schlimme in der Beziehungslosigkeit der Lehrer und das Rettende entsprechend in der Herstellung von "Bindung". Das ist ihr Zauberwort für alles, was sich daraus ableiten lässt: "Beziehungs-, Team-, Vertrauens-, Verantwortungs-, Kompetenz-, Selbstwirksamkeitskultur".
Deutschlands ersehnte Lehrer sind vor allem bindungsfähig und -bereit. Sie werden wirksam, wo sie sich zu den Kindern und Schülern als den ihnen wichtigen Mitmenschen liebend ins Verhältnis versetzen. Wie und welche Bindung in Schulklassen entsteht und wozu sie genau hilft oder wozu sie missbraucht werden kann, bleibt im Buch inhaltlich weitgehend unterbestimmt. Die gegenseitige, vor allem emotionale Bindung gilt Eichel als die Voraussetzung für jeden hinzutretenden Zweck. Der besteht weniger in einer ausgeführten Vorstellung von Bildung oder Erziehung, so wie sie die pädagogische Tradition herausgearbeitet hat.
Der Lehrer wird bei Eichel also nicht mit seiner fachlichen Lehre wichtig, die mache ihn eher borniert, und sie gilt ihr als kopflastig, Erziehung verbindet sie faktisch mit der unheiligen Disziplinierung. Der "Lernbegleiter" soll ganz im Mainstream der Terminologie von heute "ins Gelingen verliebter" Gestalter von "Lernlandschaften" "Classroommanager", "Lerncoach und Lifecoach" sein. Die Schule habe "kompetenzorientiert" auf das zu blicken, was die Menschen so im Leben benötigen. Am Ende wird daraus ein Plädoyer, den Fachunterricht weitgehend zu überwinden durch fächerübergreifenden Unterricht in "Lebenskunst". Gesundheitserziehung und Umgang mit Geld werden für diese hervorgehoben. Den schüchternen Schülern helfen Kommunikationstrainings. Durch die Einrichtung von "Debattierclubs" könnten nach Eichel fast alle Unterrichtsinhalte kommunikativ verflüssigt werden!
So stellt Eichel gegen die massierten Tatarennachrichten Postulate und eine weitere praktische Heilsbotschaft ("Bindung"). Das Buch enthält damit wenig Aufschließendes über das hinaus, worüber "alle schon Bescheid wissen". Deutschland, deine Lehrerkritiker!
ANDREAS GRUSCHKA
Christine Eichel: "Deutschland, deine Lehrer". Warum sich die Zukunft unserer Kinder im Klassenzimmer entscheidet.
Blessing Verlag, München 2014. 448 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schüler mit Lebenskunst begießen und dadurch zum Blühen bringen: Christine Eichel über Deutschlands Lehrer
Der Titel der Schrift lässt zweierlei erwarten: zum einen die gesammelten Stoßseufzer über Vertreter und von Vertretern eines gebeutelten Berufsstandes, zum anderen die Freude über Helden des Berufs. Die Darstellung zerfällt ohne Zwischentöne genau in dieses Schwarzweiß, mit deutlich mehr Platz für das Schwarze einer ins Ungeheure sich auswachsenden Misere und einzelnen Hoffnungsträgern, die für das Licht im Tunnel stehen. Nach allen schlechten Nachrichten enden die Kapitel wie ein "Wunder" oder "Märchen" mit Lehrern, die für das genaue Gegenteil stehen, nämlich "blühende Lernlandschaften".
"Ein weiteres Buch" über ein so aufgeheiztes Dauerthema wie die Schule und ihre Lehrer zu schreiben ist für die Verfasserin nach den auf dem Markt erfolgreichen Vorläufern eine Herausforderung. Sie besteht wohl vor allem darin, nicht einfach zu wiederholen, was von Autoren wie Jasper Juul, Richard David Precht, Gerald Hüther oder Manfred Spitzer ausgebreitet wurde. Die Verfasserin, die erst am Ende von ihrer eigenen Lehrpraxis als Dozentin einer Hochschule für Künste erzählt, hat sich in der Breite des Themas sachkundig zu machen versucht. Sie handelt von "Beziehungsproblemen", vom "Kampfmodus" der "Lehrer an der Front", von den "Imageproblemen", von der unzureichenden Lehrerbildung und Weiterbildung, von den negativen Folgen der Feminisierung des Lehrberufs, und vor allem von der fehlenden Identifikation der Lehrenden mit den Kindern und Jugendlichen. Sie klagt referierend über "Bildungsvollzugsbeamte", "autoritäre Disziplinierer", "Schülerhasser und Lehrerhasser", "Selektionsagenten", über Überforderte, Ausgebrannte, Mobber und Gemobbte, Verdränger, Berufsunfähige und Berufsunwillige in dem 447 Seiten starken Buch.
Eichel hat viele Interviews mit Lehrern und Schülern geführt und deren Selbstbeschreibungen mit möglichst prägnanten, erschreckenden oder ermutigenden Zitaten reportageförmig in den Text aufgenommen. Daneben stellt die Autorin so manche gelehrten, assoziativ passend scheinenden Zitate großer Vordenker (von Sokrates bis Roman Herzog), mit denen aphoristisch deutlich gemacht wird, dass die heutigen Lehrerklagen eine lange Tradition haben und auch weise Lösungen längst bekannt sind. Vielfach lebt die Darstellung von kursierenden Artikeln einiger Bildungsjournalisten beziehungsweise der in den Medien präsenten Vertreter verschiedener sich um Lehrer kümmernder Fächer. Die Interviewaussagen werden pointiert wiedergegeben. So versammelt der Text Meinungen über Meinungen und behandelt sie wie Ergebnisse einer wissenschaftlichen Recherche.
Vereinzelt greift die Autorin über diese Quellen hinaus und schreibt kleine Exkurse. Der Leser erhält Lektüreempfehlungen zur schönen Literatur über schreckliche Lehrer. Er erfährt etwas über die Geschichte des Lehrerberufs. Zu gelehrt soll es nicht zugehen, also kommt es zu locker geschriebenen Hinweisen, die nicht wirklich auf die historischen Ursachen der Misere führen. Dafür aber erlauben sie dem Leser, die Darstellung zu prüfen und gravierende Fehler zu entdecken. So, wenn Friedrich II., der Große, den "Coup" landet, den "Polyhistor Wilhelm von Humboldt" zum "Wissenschaftsminister" zu machen, oder wenn Karl der Große in die vorchristliche Zeit verlegt wird.
Dergleichen Unaufmerksamkeit ist wohl eine Folge eines das gesamte Werk durchziehenden Parlandos, mit dem nicht auf Genauigkeit und Abwägung, sondern auf Erregung und Unterhaltung gesetzt wird. Damit soll der Leser bei der Stange gehalten werden.
Der mag sich mit den Hunderten von Meinungsäußerungen von Praktikern und Experten unausgesetzt in seinem eigenen Meinen bestätigt fühlen und der Verfasserin danken, dass sie ausspricht, was man sich selbst so denkt, oder aber er wird - wie der Rezensent - bereits nach einem Kapitel wegen der absehbar sich fortsetzenden Darstellung des im Kern immer Gleichen ermüden. Die Meinungen kommen, wechseln und kommen wieder. Man ist verführt, sie als erklärende Aussagen zu werten und vergisst darüber, dass sie bloße Illustrationen für das bereits Bekannte, vor allem so manche Vorurteile, sind. Nur selten wird die Serie unterbrochen, so wenn überraschende Daten aus Studien zitiert werden oder wenn die Verfasserin beginnt, zu dem Material analytisch auslegend Stellung zu nehmen.
Die Meinungsäußerungen der Leidtragenden und Klagenden wie die der alternativen Helden erscheinen als selbsterklärend. Warum jemand es so sagt und was daraus folgt, wird nicht geklärt. Dagegen dürfte auch Frau Eichel wissen, dass so manche Lehrer, die über die Schule äußerst kritisch urteilen, die Mühen der Ebene auf sich nehmen und dort ihre negativen Urteile praktisch dementieren. Bekannt ist auch, dass sich umgekehrt nicht wenige mit Versprechen zu pädagogischen Absichten und Wirkungen ins rechte Licht rücken, ohne dass man damit bereits das entsprechende Verhalten vor der Klasse voraussagen kann. Auffällig ist, dass nachdenkliche und analytische Darstellungen über die Lehrerarbeit, der Zwischenbereich von Schwarz und Weiß, im Text nicht auftauchen. Ihnen mangelte es wohl an Unterhaltungswert.
Für ein Sachbuch zum Lehrerthema ist bemerkenswert, wie wenig die wissenschaftlichen Angebote zur Klärung der Aufgaben und Probleme der Lehrerprofession zur Kenntnis genommen werden. Eichel greift nur auf, was wiederum medial in aller Munde ist, wie John Hatties Charakterisierung des guten Lehrers oder die Hirnforschung. Von der handelt einer der Lehrerhelden als von seinem "Credo".
Wie bei fast allen Artikeln dieses Marktsegments ist nicht das sachliche Aufklärungsinteresse das zum Buch anstiftende Moment, nicht also die Frage, was man mit dem Meinungsrauschen über die Wirklichkeit der Lehrerarbeit in Erfahrung bringen kann. Eichel tritt nicht als analytische Beobachterin der Äußerungen zum "Reizthema" auf, sondern nutzt ihr Schwarzweißgemälde, um ihre eigenen Überzeugungen zu verbreiten. Sie sieht mit anderen Autoren das Schlimme in der Beziehungslosigkeit der Lehrer und das Rettende entsprechend in der Herstellung von "Bindung". Das ist ihr Zauberwort für alles, was sich daraus ableiten lässt: "Beziehungs-, Team-, Vertrauens-, Verantwortungs-, Kompetenz-, Selbstwirksamkeitskultur".
Deutschlands ersehnte Lehrer sind vor allem bindungsfähig und -bereit. Sie werden wirksam, wo sie sich zu den Kindern und Schülern als den ihnen wichtigen Mitmenschen liebend ins Verhältnis versetzen. Wie und welche Bindung in Schulklassen entsteht und wozu sie genau hilft oder wozu sie missbraucht werden kann, bleibt im Buch inhaltlich weitgehend unterbestimmt. Die gegenseitige, vor allem emotionale Bindung gilt Eichel als die Voraussetzung für jeden hinzutretenden Zweck. Der besteht weniger in einer ausgeführten Vorstellung von Bildung oder Erziehung, so wie sie die pädagogische Tradition herausgearbeitet hat.
Der Lehrer wird bei Eichel also nicht mit seiner fachlichen Lehre wichtig, die mache ihn eher borniert, und sie gilt ihr als kopflastig, Erziehung verbindet sie faktisch mit der unheiligen Disziplinierung. Der "Lernbegleiter" soll ganz im Mainstream der Terminologie von heute "ins Gelingen verliebter" Gestalter von "Lernlandschaften" "Classroommanager", "Lerncoach und Lifecoach" sein. Die Schule habe "kompetenzorientiert" auf das zu blicken, was die Menschen so im Leben benötigen. Am Ende wird daraus ein Plädoyer, den Fachunterricht weitgehend zu überwinden durch fächerübergreifenden Unterricht in "Lebenskunst". Gesundheitserziehung und Umgang mit Geld werden für diese hervorgehoben. Den schüchternen Schülern helfen Kommunikationstrainings. Durch die Einrichtung von "Debattierclubs" könnten nach Eichel fast alle Unterrichtsinhalte kommunikativ verflüssigt werden!
So stellt Eichel gegen die massierten Tatarennachrichten Postulate und eine weitere praktische Heilsbotschaft ("Bindung"). Das Buch enthält damit wenig Aufschließendes über das hinaus, worüber "alle schon Bescheid wissen". Deutschland, deine Lehrerkritiker!
ANDREAS GRUSCHKA
Christine Eichel: "Deutschland, deine Lehrer". Warum sich die Zukunft unserer Kinder im Klassenzimmer entscheidet.
Blessing Verlag, München 2014. 448 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main