20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
  • Broschiertes Buch

Nichts überrascht mehr.Nirgends.Debatten. Überall. Sechs Drehbücher aus Deutschland Die Welt ist schneller, bunter und unübersichtlicher geworden. Wir gehen förmlich unter in der täglich reißenderen Medien- und Informationsflut. Mit diesen Sätzen beginnt heute jede anständige Kulturkritik. Gleichzeitig passiert im öffentlichen Raum kaum mehr etwas Überraschendes. Alles, was passiert, ist im selben Moment bereits Schnee von gestern. Alles, was besprochen wird, ist längst bekannt. In den Zeitungen steht nur noch, was wir schon immer wussten. Das Neue verschleimt.Peter Felixberger und Armin…mehr

Produktbeschreibung
Nichts überrascht mehr.Nirgends.Debatten. Überall. Sechs Drehbücher aus Deutschland Die Welt ist schneller, bunter und unübersichtlicher geworden. Wir gehen förmlich unter in der täglich reißenderen Medien- und Informationsflut. Mit diesen Sätzen beginnt heute jede anständige Kulturkritik. Gleichzeitig passiert im öffentlichen Raum kaum mehr etwas Überraschendes. Alles, was passiert, ist im selben Moment bereits Schnee von gestern. Alles, was besprochen wird, ist längst bekannt. In den Zeitungen steht nur noch, was wir schon immer wussten. Das Neue verschleimt.Peter Felixberger und Armin Nassehi, die Herausgeber des Kursbuchs, legen deshalb die Mechanik öffentlicher Diskurse und zentraler Debatten frei. Sie beschreiben, dass solche Debatten aussehen, als folgten sie Drehbüchern und Skripten, freilich ohne zu behaupten, dass jemand sie geschrieben hätte. Sie arbeiten Rituale, Reflexe und Tiefenschärfungen heraus, Namen von Akteuren spielen dabei keine Rolle mehr. Jeder erfüllt seine Funktion im Diskurs. Das wirft Fragen auf: Aus welchen intellektuellen Quellen speisen sich die einzelnen Rollen? Wann und wie erfüllen sie ihre Aufgabe in der Kaskade öffentlicher Aufgeregtheiten und Dramatisierungen?
Autorenporträt
PETER FELIXBERGER ist Herausgeber des Kursbuchs und Programmgeschäftsführer der Murmann Publishers. Als Buch- und Medienentwickler ist er immer dort zur Stelle, wo ein Argument ans helle Licht der Aufklärung will. Seine Bücher erschienen bei Hanser, Campus, Passagen und Murmann. Dort auch sein letztes: `Wie gerecht ist die Gerechtigkeit?´ARMIN NASSEHI ist Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Herausgeber des Kursbuchs und einer der wichtigen Public Intellectuals in diesem Land. Im Murmann Verlag veröffentlichte er unter anderem `Mit dem Taxi durch die Gesellschaft´ und `Die letzte Stunde der Wahrheit´.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2016

Bitte jetzt anschnallen! Wir verlassen die Diskursflughöhe
Ergeht sich die öffentliche Debatte in Endlosschleifen? Das „Kursbuch“ will gar ein Drehbuch hierfür gefunden haben
Ende der Sommerpause. Willkommen zu einer Vorstellung im deutschen Debattentheater! Es treten auf:
Ein für die rhetorische Technik der andeutungsweisen Argumentation bekannter Philosoph.
Der Hausphilosoph der AfD.
Einer der deutschen linken Philosophen, der gerade ein Buch über die Rehabilitation des ,Sozialismus‘ geschrieben hat.
Die rechte Linksnationalistin.
Der landesweit bekannte Leitartikler.
Der berühmteste Dialogphilosoph der Antike.
Ein Berliner Philosoph und Kulturwissenschaftler.
Ein prominenter Palliativmediziner.
So. Jetzt aber bitte keine kohärente Handlung erwarten. Diese namenlosen Figuren, und es gibt noch viel mehr von ihnen, stammen nämlich aus verschiedenen „Szenen“ eines neuen Buches mit dem Titel „Deutschland. Ein Drehbuch.“ Geschrieben hat es ein Münchner Soziologieprofessor und ebenso bereitwilliger wie geschätzter Teilnehmer der öffentlichen Debatte, zusammen mit einem Publizisten, der gemeinsam mit dem Soziologieprofessor das wiederbelebte Kursbuch herausgibt. Diese beiden Debattenexperten sind die einzigen, die ihren Namen tragen dürfen, wenn auch nur auf dem Titelblatt und im Klappentext des Buches.
  Anonym bleiben die handelnden Personen deshalb, weil die Autoren die Beobachtung machen, „dass kaum mehr etwas Überraschendes passiert im öffentlichen Raum“. In diesem „kaum mehr“ steckt eine Dekadenzbehauptung, auch wenn diese wegen Kulturpessimismusgefahr lieber nicht offensiv vorgetragen wird: Es muss also einmal eine Zeit gegeben haben, in der öffentliche Debatten Überraschungen boten. Heute hingegen, so die Ausgangsthese des Buches, liefen sie meist nur noch nach Drehbuch ab. Ob es nun um Flüchtlinge, das Internet, soziale Ungleichheit oder medizinische Ethik gehe: überall würden stereotype Skripte abgespult. Man könne sogar vorhersagen, was alles gesagt werde, und oft auch, von wem. Deswegen soll dieses Deutschland-Drehbuch, das mangels konkreter Autorschaft öffentlicher Debatten zwar nur metaphorisch existiert, hier offengelegt werden. Dann erkenne man die Rituale und Reflexe, die „Zugzwänge, Spielzüge, Taktiken und Regelmäßigkeiten, aus denen es offenbar kaum ein Ausbrechen gibt“.
  Die Idee ist hübsch. Und es ist ein originell gemachtes, schnell gelesenes Buch herausgekommen, mit immer wieder klugen, treffenden Beobachtungen, die ihren Effekt besonders dann haben, wenn Aufregungen und Verschärfungen auf analytische Kühle treffen. Hier steht der Soziologieprofessor in der Tradition der Fiebersenker seines Faches: Die gesellschaftliche Praxis funktioniere oft besser als der Diskurs, heißt es antimoralistisch. Die Angst vor „neoliberaler“ digitaler Überwachung beispielsweise neige dazu, „den Status quo ante zu verklären“. Komplexitäts- und Beschleunigungskritikern wie dem (natürlich ungenannten) Hartmut Rosa wird „biedermeierliche Abwehr gegen die Entzweiungen der Moderne“ vorgeworfen. Da haben sie schon ein paar Punkte, die beiden Drehbuchkenner.
  Aber – und jeder Debattenfuchs weiß, dass jetzt ein „Aber“ kommt – schon die Verweigerung der Klarnamen zeigt an, warum diese ganze Drehbuch-Idee letztlich doch nicht aufgeht. Wenn man beim Lesen Namen wie Sahra Wagenknecht, Platon oder Axel Honneth selber erraten muss, dann bedeutet das: Es gibt hier Debattendurchblick leider nur für Debattenprofis. Das ist keineswegs bloß bewusst schlechter Service. Sondern es deutet auch darauf, wie wackelig insgesamt die Prämisse dieses angeblich aufklärerischen Projekts ist.
  Denn Debatten sind nun mal argumentative Konstellationen, in denen prinzipielle Fragen und Vorbefindlichkeiten mit aktuellen Ereignissen zusammenstoßen. Dass entweder die Personen oder die Themen oder die Gedanken oder die Ereignisse wiederkehren, ist gerade kein Argument für ihre Austauschbarkeit. Sicher, es ist oft zum Verzweifeln, wie erwartbar und ausgeleiert die Positionen und Formulierungen sind. Doch zu sagen, es sei alles Dasselbe und nicht überraschend, ist vielleicht eine saucoole Soziologie, die aber einer antidemokratischen oder jedenfalls demokratiemüden Entlastungsstrategie leider zum Verwechseln ähnlich sieht. Hör mir auf damit, hatten wir alles schon mal, nichts Neues unter der Sonne, jeder spielt nur seine Rolle in der Komödie des Lebens . . .
  Das umgekehrte Problem von „Deutschland. Ein Drehbuch“ ist, dass es für ein Meta-Debattenbuch wiederum nicht kühl genug ist. Denn immer wieder finden sich Stellen, an denen Meinung und Debattenbeschreibung nicht sauber getrennt sind. Alles klagt heute über Medien statt Inhalt. Aber wenn schon Meta, dann bitte richtig Meta.
JOHAN SCHLOEMANN
Hier steht der Soziologieprofessor
in der Tradition
der Fiebersenker seines Faches
Peter Felixberger,
Armin Nassehi:
Deutschland. Ein Drehbuch. Kursbuch-Edition, Murmann Verlag, Hamburg 2016.
171 Seiten, 20 Euro.
E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Johan Schloemann ist nicht einverstanden mit Peter Felixbergers und Armin Nassehis Debattenkritik. Die Idee, ein paar Typen deutscher Debattenkultur auftreten zu lassen, um die Erwartbarkeit und Belanglosigkeit ihrer Beiträge zu entlarven, findet Schloemann zwar ganz lustig. Die Umsetzung aber gelingt nicht, findet er, und damit fällt auch die Ausgangsthese in sich zusammen. Bei allem Witz und aller Klugheit so mancher Beobachtung im Buch, meint Schloemann, Debatten verlaufen nun mal in Konstellationen, argumentativ, personell, und Personen, Themen und Gedanken kehren wieder, für ihre Austauschbarkeit ist das jedoch kein Argument. Schlimmer noch: Was hier als "saucoole" Soziologie daherkommt, sieht laut Schloemann einer antidemokratischen Entlastungsstrategie zum Verwechseln ähnlich.

© Perlentaucher Medien GmbH