Das Standardwerk zum Ersten Weltkrieg (1914-1918) mit zahlreichen Abbildungen, Dokumenten und Selbstzeugnissen
Wie erlebten die Menschen, Soldaten wie Daheimgebliebene, die Wirklichkeit des Ersten Weltkriegs? Welches waren die Ursachen für den Krieg und für seine Ausweitung und Radikalisierung? Die beiden renommierten Weltkriegshistoriker Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich haben ein einzigartiges Werk verfasst, in dessen Mittelpunkt zahlreiche Briefe, Tagebuchnotizen, offizielle Dokumente und Zeitzeugenberichte stehen. Dadurch vermitteln Sie ein authentisches Bild des Ersten Weltkriegs und neue Einsichten in die politischen, militärischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse.
Von der Julikrise über die großen Schlachten bis zur Niederlage und Revolution, von der »Heimatfront« bis zu Propaganda und Kriegswirtschaft stellen sie alle Aspekte des Krieges dar - ein Krieg, der bis heute nachwirkt und zu dessen Bedeutung, Charakter und Folgen noch lange nicht alles gesagt ist.
Wie erlebten die Menschen, Soldaten wie Daheimgebliebene, die Wirklichkeit des Ersten Weltkriegs? Welches waren die Ursachen für den Krieg und für seine Ausweitung und Radikalisierung? Die beiden renommierten Weltkriegshistoriker Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich haben ein einzigartiges Werk verfasst, in dessen Mittelpunkt zahlreiche Briefe, Tagebuchnotizen, offizielle Dokumente und Zeitzeugenberichte stehen. Dadurch vermitteln Sie ein authentisches Bild des Ersten Weltkriegs und neue Einsichten in die politischen, militärischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse.
Von der Julikrise über die großen Schlachten bis zur Niederlage und Revolution, von der »Heimatfront« bis zu Propaganda und Kriegswirtschaft stellen sie alle Aspekte des Krieges dar - ein Krieg, der bis heute nachwirkt und zu dessen Bedeutung, Charakter und Folgen noch lange nicht alles gesagt ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2013Hass und Gewalt
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für die politische Kultur in Europa: Angst vor dem Bolschewismus
Der Glaube an einen "legitimen Verteidigungskrieg" befeuerte auch den Kriegseinsatz der Heimatfront.
Auf der Suche nach Quellen aus dem Ersten Weltkrieg haben britische Militärhistoriker zuletzt Grabungen in den Schlachtfeldern Flanderns vorgenommen und bemerkenswerte Zeugnisse zutage gefördert. Dazu gehören Gräben, welche zu den besterhaltenen dieses Krieges zählen, sowie weitere Überreste, die viel von den Strapazen in einem jahrelangen Stellungskrieg vermitteln. Gleichzeitig dokumentieren sie die Wucht der verlustreichen Materialschlachten, die im kollektiven Gedächtnis der kriegführenden Nationen bis heute einen herausgehobenen Platz einnehmen. Dennoch bürgerte sich nur in einigen Ländern die Rede vom "Großen Krieg" ein. Ob sich über die mittlerweile auch in Deutschland in Gang gekommene geschichtswissenschaftliche "Großoffensive" daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Einen wichtigen Vorstoß in diese Richtung stellt das Buch "Deutschland im Ersten Weltkrieg" aus der Feder der renommierten Militärhistoriker Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich dar. Mit ihrer flüssig geschriebenen Studie zielen sie darauf ab, einer breiten Leserschaft im eigenen Land die fundamentalen Herausforderungen des Ersten Weltkriegs und seine langfristigen Folgen zu vermitteln. Unter Bezug auf gut ausgewählte Quellen sind die Autoren um eine "Militärgeschichte zivilen Zuschnitts" bestrebt, die sowohl den politischen und gesellschaftlichen Umständen des Krieges als auch dem militärischen Geschehen in all seinen Facetten gerecht werden will.
Während die Passagen zur Juli-Krise eher bekannte Positionen fortschreiben, bieten die stärker systematisch angelegten Abhandlungen zum "August-Erlebnis", zur "betulichen" Propaganda auf deutscher Seite oder auch zur "Heimatfront" wichtige Erkenntnisse. So etwa die Korrektur des Mythos, die heimkehrenden Truppen seien 1918/19 abweisend empfangen worden. Auch das Kriegsgeschehen wird, ausgehend von den Fronten im Sommer 1914 und dem Massaker an belgischen Zivilisten, einem "Musterbeispiel selbst erzeugter Paranoia", bis hin zum Scheitern der deutschen Michaelsoffensive, ausführlich behandelt. Erst seit 1916 habe der Krieg den Charakter eines "totalen Krieges" angenommen, urteilen die beiden Verfasser, konstatieren jedoch gleichzeitig, die Verantwortlichen hätten selbst beim Einsatz von Gas davor zurückgeschreckt, den Krieg "total werden zu lassen". Noch im Frühjahr 1917, als die Rücknahme eines deutschen Frontvorsprungs (Unternehmen "Alberich") in Nordfrankreich nur noch "verbrannte Erde" zurückließ, war die Bevölkerung zuvor aus der Gefahrenzone abtransportiert worden.
Zu den Vorzügen des hier gewählten Ansatzes gehört es, dass das Kriegsgeschehen wiederholt aus der Perspektive der einfachen Soldaten beleuchtet wird, die sich rasch auf die Bedingungen eines Stellungskrieges einstellen mussten. Hierüber können die Autoren zum einen eindrucksvoll die Entbehrungen der Soldaten an der Front vermitteln. Die Erfahrung von Kälte, Schlamm und Nässe, nicht zuletzt aber auch der Kampf gegen Ungeziefer und Krankheiten waren weit von den Erwartungen an einen "heldenhaften" Kampf entfernt, die noch beim Auszug der Truppen vorgeherrscht hatten. Zum anderen gelingt es ihnen, überzeugend darzustellen, wie sehr der Glaube an einen "legitimen Verteidigungskrieg" auch an der Heimatfront den deutschen Kriegseinsatz bis zum bitteren Ende befeuerte.
Diesem Ansatz ist jedoch geschuldet, dass Themen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, nicht zuletzt die Finanzgeschichte des Krieges, nur am Rande behandelt werden. Und müssen Historiker dem kollektiven Aufschrei des Jahres 1919 im Deutschen Reich gegen den Friedensschluss von Versailles wirklich folgen, um das nachfolgende Geschehen zu deuten? Dagegen steht das Urteil vieler Historiker und Völkerrechtler, wonach das Pariser Friedensvertragssystem für eine überlegte deutsche Außenpolitik durchaus Entfaltungsmöglichkeiten geboten hätte.
Zu den Vorzügen des Bandes gehört jedoch, dass er auch den Weg in die friedlose Nachkriegszeit beleuchtet und damit Fragen nach der Brutalisierung der europäischen Gesellschaften beleuchtet, die seit rund einem Jahrzehnt die historische Forschung intensiv beschäftigen. Dieses Thema steht im Mittelpunkt eines Sammelbandes, der von den an der Universität Dublin lehrenden Historikern Robert Gerwarth und John Horne jetzt in einer deutschen Übersetzung vorgelegt wird. Die Beiträge dokumentieren eindrucksvoll, dass das Ende des Weltkriegs tatsächlich in weiten Teilen Europas, von Irland bis in den baltischen Raum und vor dort bis nach Südosteuropa, eben keinen Frieden brachte, sondern Revolutionen und Gegenrevolutionen, ethnische Säuberungen, Pogrome, Unabhängigkeitskämpfe, Bürgerkriege sowie zwischenstaatliche Kriege an der Tagesordnung blieben. Vor allem in den imperialen "Verwerfungszonen" erreichte die Gewalt geradezu epidemische Ausmaße.
Zur Erklärung dieses Phänomens verweisen die Herausgeber einerseits auf bekannte Faktoren, etwa den Zusammenbruch der imperialen Großreiche und die hierdurch intensivierten ethnischen Konflikte sowie den Siegeszug der diametral entgegengesetzten Ideologien des Faschismus und Kommunismus. Andererseits gewichten sie das Scheitern der "kulturellen Demobilisierung" als eine ebenso bedeutsame Ursache, denn dadurch sei einer Kultur gewaltbetonter Rhetorik, uniformierter Politik und gewalttätiger Straßenkämpfe der Boden bereitet worden. Der sowohl international vergleichend als auch auf nationale Einzelfälle angelegte Band dokumentiert insgesamt nachdrücklich, in welchem Ausmaß im Gefolge der chaotischen Zustände im untergegangenen Zarenreich und der teils realen, teils übertriebenen Meldungen über die "russischen Verhältnisse" in ganz Europa zwischen 1918/19 und 1923 eine massive Gegenwehr von rechts in Gang kam.
Gerade die Angst vor dem Bolschewismus dürfe als Mobilisierungsfaktor nicht unterschätzt werden, konstatieren die Herausgeber, wenngleich im Einzelnen eher konterrevolutionäre "Fantasien" im Spiel gewesen seien. Im Grunde aber seien hierbei nicht die Kriegsveteranen die entscheidenden Kräfte gewesen, wie Robert Gerwarth überzeugend argumentiert, sondern vielmehr die Angehörigen der Kriegsjugendgeneration, die sich der Gewalt als einem sinnstiftenden Akt hingaben. Letztlich verdankten sich die Radikalität, der Aktionismus und die Brutalität der paramilitärischen Verbände daher viel mehr dem Erleben von Niederlage, Revolution und territorialem Zerfall als den Erfahrungen im Weltkrieg.
In welchem Ausmaß aber handelte es sich bei den paramilitärischen Gruppen tatsächlich um "Parallelwelten" mit nur geringen Verbindungen zur übrigen Gesellschaft? In Frankreich war dies offensichtlich der Fall, wie der luzide Schlussbeitrag John Hornes verdeutlicht. Denn dort sorgten das Gewaltmonopol eines siegreichen Staates, aber auch eine "solide politische Kultur" für die konsequente Einschnürung des paramilitärischen Nationalismus. Vielleicht sollte jedoch genau dieser Umstand Anlass sein, nochmals genauer die Millionen Kriegsheimkehrer in den Blick zu nehmen, die zunächst friedlich nach Hause zurückkehrten, deren Einstellungen aber stärker vom "Stahlgewitter" des Weltkriegs geprägt blieben, als dies die Beiträge einräumen. Nur so dürfte verständlich werden, warum nach 1918 Hass und Gewalt, wie Hannah Arendt festgehalten hat, überall in Europa zu einem entscheidenden Faktor der politischen Kultur aufstiegen.
CHRISTOPH CORNELISSEN.
Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich: Deutschland im Ersten Weltkrieg. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 336 S., [Euro] 24,99.
Robert Gerwarth/John Horne (Herausgeber): Krieg im Frieden. Paramilitärische Gewalt in Europa nach dem Ersten Weltkrieg. Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 347 S., [Euro] 29,90.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für die politische Kultur in Europa: Angst vor dem Bolschewismus
Der Glaube an einen "legitimen Verteidigungskrieg" befeuerte auch den Kriegseinsatz der Heimatfront.
Auf der Suche nach Quellen aus dem Ersten Weltkrieg haben britische Militärhistoriker zuletzt Grabungen in den Schlachtfeldern Flanderns vorgenommen und bemerkenswerte Zeugnisse zutage gefördert. Dazu gehören Gräben, welche zu den besterhaltenen dieses Krieges zählen, sowie weitere Überreste, die viel von den Strapazen in einem jahrelangen Stellungskrieg vermitteln. Gleichzeitig dokumentieren sie die Wucht der verlustreichen Materialschlachten, die im kollektiven Gedächtnis der kriegführenden Nationen bis heute einen herausgehobenen Platz einnehmen. Dennoch bürgerte sich nur in einigen Ländern die Rede vom "Großen Krieg" ein. Ob sich über die mittlerweile auch in Deutschland in Gang gekommene geschichtswissenschaftliche "Großoffensive" daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Einen wichtigen Vorstoß in diese Richtung stellt das Buch "Deutschland im Ersten Weltkrieg" aus der Feder der renommierten Militärhistoriker Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich dar. Mit ihrer flüssig geschriebenen Studie zielen sie darauf ab, einer breiten Leserschaft im eigenen Land die fundamentalen Herausforderungen des Ersten Weltkriegs und seine langfristigen Folgen zu vermitteln. Unter Bezug auf gut ausgewählte Quellen sind die Autoren um eine "Militärgeschichte zivilen Zuschnitts" bestrebt, die sowohl den politischen und gesellschaftlichen Umständen des Krieges als auch dem militärischen Geschehen in all seinen Facetten gerecht werden will.
Während die Passagen zur Juli-Krise eher bekannte Positionen fortschreiben, bieten die stärker systematisch angelegten Abhandlungen zum "August-Erlebnis", zur "betulichen" Propaganda auf deutscher Seite oder auch zur "Heimatfront" wichtige Erkenntnisse. So etwa die Korrektur des Mythos, die heimkehrenden Truppen seien 1918/19 abweisend empfangen worden. Auch das Kriegsgeschehen wird, ausgehend von den Fronten im Sommer 1914 und dem Massaker an belgischen Zivilisten, einem "Musterbeispiel selbst erzeugter Paranoia", bis hin zum Scheitern der deutschen Michaelsoffensive, ausführlich behandelt. Erst seit 1916 habe der Krieg den Charakter eines "totalen Krieges" angenommen, urteilen die beiden Verfasser, konstatieren jedoch gleichzeitig, die Verantwortlichen hätten selbst beim Einsatz von Gas davor zurückgeschreckt, den Krieg "total werden zu lassen". Noch im Frühjahr 1917, als die Rücknahme eines deutschen Frontvorsprungs (Unternehmen "Alberich") in Nordfrankreich nur noch "verbrannte Erde" zurückließ, war die Bevölkerung zuvor aus der Gefahrenzone abtransportiert worden.
Zu den Vorzügen des hier gewählten Ansatzes gehört es, dass das Kriegsgeschehen wiederholt aus der Perspektive der einfachen Soldaten beleuchtet wird, die sich rasch auf die Bedingungen eines Stellungskrieges einstellen mussten. Hierüber können die Autoren zum einen eindrucksvoll die Entbehrungen der Soldaten an der Front vermitteln. Die Erfahrung von Kälte, Schlamm und Nässe, nicht zuletzt aber auch der Kampf gegen Ungeziefer und Krankheiten waren weit von den Erwartungen an einen "heldenhaften" Kampf entfernt, die noch beim Auszug der Truppen vorgeherrscht hatten. Zum anderen gelingt es ihnen, überzeugend darzustellen, wie sehr der Glaube an einen "legitimen Verteidigungskrieg" auch an der Heimatfront den deutschen Kriegseinsatz bis zum bitteren Ende befeuerte.
Diesem Ansatz ist jedoch geschuldet, dass Themen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, nicht zuletzt die Finanzgeschichte des Krieges, nur am Rande behandelt werden. Und müssen Historiker dem kollektiven Aufschrei des Jahres 1919 im Deutschen Reich gegen den Friedensschluss von Versailles wirklich folgen, um das nachfolgende Geschehen zu deuten? Dagegen steht das Urteil vieler Historiker und Völkerrechtler, wonach das Pariser Friedensvertragssystem für eine überlegte deutsche Außenpolitik durchaus Entfaltungsmöglichkeiten geboten hätte.
Zu den Vorzügen des Bandes gehört jedoch, dass er auch den Weg in die friedlose Nachkriegszeit beleuchtet und damit Fragen nach der Brutalisierung der europäischen Gesellschaften beleuchtet, die seit rund einem Jahrzehnt die historische Forschung intensiv beschäftigen. Dieses Thema steht im Mittelpunkt eines Sammelbandes, der von den an der Universität Dublin lehrenden Historikern Robert Gerwarth und John Horne jetzt in einer deutschen Übersetzung vorgelegt wird. Die Beiträge dokumentieren eindrucksvoll, dass das Ende des Weltkriegs tatsächlich in weiten Teilen Europas, von Irland bis in den baltischen Raum und vor dort bis nach Südosteuropa, eben keinen Frieden brachte, sondern Revolutionen und Gegenrevolutionen, ethnische Säuberungen, Pogrome, Unabhängigkeitskämpfe, Bürgerkriege sowie zwischenstaatliche Kriege an der Tagesordnung blieben. Vor allem in den imperialen "Verwerfungszonen" erreichte die Gewalt geradezu epidemische Ausmaße.
Zur Erklärung dieses Phänomens verweisen die Herausgeber einerseits auf bekannte Faktoren, etwa den Zusammenbruch der imperialen Großreiche und die hierdurch intensivierten ethnischen Konflikte sowie den Siegeszug der diametral entgegengesetzten Ideologien des Faschismus und Kommunismus. Andererseits gewichten sie das Scheitern der "kulturellen Demobilisierung" als eine ebenso bedeutsame Ursache, denn dadurch sei einer Kultur gewaltbetonter Rhetorik, uniformierter Politik und gewalttätiger Straßenkämpfe der Boden bereitet worden. Der sowohl international vergleichend als auch auf nationale Einzelfälle angelegte Band dokumentiert insgesamt nachdrücklich, in welchem Ausmaß im Gefolge der chaotischen Zustände im untergegangenen Zarenreich und der teils realen, teils übertriebenen Meldungen über die "russischen Verhältnisse" in ganz Europa zwischen 1918/19 und 1923 eine massive Gegenwehr von rechts in Gang kam.
Gerade die Angst vor dem Bolschewismus dürfe als Mobilisierungsfaktor nicht unterschätzt werden, konstatieren die Herausgeber, wenngleich im Einzelnen eher konterrevolutionäre "Fantasien" im Spiel gewesen seien. Im Grunde aber seien hierbei nicht die Kriegsveteranen die entscheidenden Kräfte gewesen, wie Robert Gerwarth überzeugend argumentiert, sondern vielmehr die Angehörigen der Kriegsjugendgeneration, die sich der Gewalt als einem sinnstiftenden Akt hingaben. Letztlich verdankten sich die Radikalität, der Aktionismus und die Brutalität der paramilitärischen Verbände daher viel mehr dem Erleben von Niederlage, Revolution und territorialem Zerfall als den Erfahrungen im Weltkrieg.
In welchem Ausmaß aber handelte es sich bei den paramilitärischen Gruppen tatsächlich um "Parallelwelten" mit nur geringen Verbindungen zur übrigen Gesellschaft? In Frankreich war dies offensichtlich der Fall, wie der luzide Schlussbeitrag John Hornes verdeutlicht. Denn dort sorgten das Gewaltmonopol eines siegreichen Staates, aber auch eine "solide politische Kultur" für die konsequente Einschnürung des paramilitärischen Nationalismus. Vielleicht sollte jedoch genau dieser Umstand Anlass sein, nochmals genauer die Millionen Kriegsheimkehrer in den Blick zu nehmen, die zunächst friedlich nach Hause zurückkehrten, deren Einstellungen aber stärker vom "Stahlgewitter" des Weltkriegs geprägt blieben, als dies die Beiträge einräumen. Nur so dürfte verständlich werden, warum nach 1918 Hass und Gewalt, wie Hannah Arendt festgehalten hat, überall in Europa zu einem entscheidenden Faktor der politischen Kultur aufstiegen.
CHRISTOPH CORNELISSEN.
Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich: Deutschland im Ersten Weltkrieg. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 336 S., [Euro] 24,99.
Robert Gerwarth/John Horne (Herausgeber): Krieg im Frieden. Paramilitärische Gewalt in Europa nach dem Ersten Weltkrieg. Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 347 S., [Euro] 29,90.
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Klar und anschaulich geschrieben, ergänzt durch Augenzeugenberichte, Briefe, Fotos, Plakate und anderes Quellenmaterial. So wünscht man sich historische Lektüre! Wolfgang Stenke WDR3 - Mosaik 20140307