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Die Neuerscheinung: Der Autor beleuchtet aus der Sicht des Staatsrechtslehrers die deutsche Demokratie: Verfassung, Verfassungsrecht und auf der anderen Seite die Verfassungswirklichkeit, d.h. die Realität der politischen und gesellschaftlichen Ordnung.

Produktbeschreibung
Die Neuerscheinung:
Der Autor beleuchtet aus der Sicht des Staatsrechtslehrers die deutsche Demokratie: Verfassung, Verfassungsrecht und auf der anderen Seite die Verfassungswirklichkeit, d.h. die Realität der politischen und gesellschaftlichen Ordnung.
Autorenporträt
Professor Dr. Rupert Scholz ist Direktor des Instituts für Politik und Öffentliches Recht der Ludwig-Maximilian-Universität in München und Bundesminister a.D.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2005

Verfassungslage der Nation
Rupert Scholz preist das Grundgesetz und fordert Entschluß- und Tatkraft

Rupert Scholz: Deutschland - In guter Verfassung? C. F. Müller Verlag, Heidelberg 2004. 239 Seiten, 32,- [Euro].

Ist Deutschland in guter Verfassung? Diese Frage beantwortet der Münchner Staatsrechtslehrer, frühere Verteidigungsminister und Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz schon im Vorwort bilanzierend fast vorbehaltlos: Das Grundgesetz, ein "wahrhaftiger Glücksfall der jüngeren deutschen Geschichte", gelte zu Recht als eine der besten Verfassungen der Welt. Zweifel daran, ob das Grundgesetz noch trage und zeitgemäß sei, weist er im Grundsatz entschieden zurück. Es verfüge auch heute noch über alle Voraussetzungen, die unverkennbare Krise, in der sich Deutschland gegenwärtig befinde, erfolgreich zu bewältigen. Die Einzelkritik, die Scholz dessen ungeachtet im folgenden äußert, gilt denn auch mehr der politischen Praxis, der "Verfassungswirklichkeit", in der die verfassungsrechtlichen Vorgaben verfehlt, mißverstanden oder sogar verfremdet worden seien.

In einer großen tour d'horizon schreitet Scholz sodann zahlreiche Problemfelder ab, die Gegenstand der aktuellen politischen, verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Diskussion sind. Breiten Raum widmet Scholz dem Thema der nationalen Identität der Deutschen. Niemand im Ausland verstehe heute noch Zweifel der Deutschen an sich selbst. Die Vorstellung einer "postnationalen", "multikulturellen" Gesellschaft bleibe unverändert eine auf Selbsttäuschung beruhende gefährliche Utopie. Nur ein ebenso offenes wie konsistentes Bekenntnis zur Nationalstaatlichkeit vermittle zugleich das nötige Maß an Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber allen Ausländern. Ohne Bejahung der eigenen nationalen Identität fehle es auch an der erforderlichen internationalen Verläßlichkeit und Partnerschaftsfähigkeit. Die europäische Idee ändere hieran nichts. Denn auch der Prozeß der europäischen Einigung basiere gerade auf vorgegebenen und zu bewahrenden, unterschiedlichen nationalen Identitäten in den einzelnen Mitgliedstaaten. Ein selbstbewußtes, nicht überhebliches Deutschland müsse auch zur Übernahme größerer internationaler Verantwortung bereit sein, die sich in einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen widerspiegeln würde. In gesellschaftspolitischer Hinsicht konstatiert Scholz einen Verlust an Grundwerte- und Freiheitsbewußtsein, wobei er betont, daß wirkliche Freiheit nicht Bindungslosigkeit bedeute und nicht mit Leugnung der ihr korrespondierenden (Selbst-)Verantwortung verbunden sein dürfe. Die Informationsgesellschaft drohe zu einer desinformierten, orientierungslosen Gesellschaft zu werden. Die korporatistisch erstarrte Gesellschaft müsse wieder in Freiheit aktiviert werden, sich selbst erneuern.

Die Einführung von Plebisziten auf Bundesebene hält Scholz dabei allerdings nicht für ein geeignetes Heilmittel. Die Zukunft der Demokratie liege bei den verfassungsrechtlich vorgegebenen Verfahren der parlamentarisch-repräsentativen und parteienstaatlichen Demokratie, die sich grundsätzlich bewährt habe, wenngleich Krisensymptome unverkennbar seien. Insbesondere die politischen Parteien müßten sich stärker öffnen, wie umgekehrt auch die Bürger selbst aufgerufen seien, sich stärker parteipolitisch zu engagieren.

Besonderes Augenmerk richtet Scholz auf den "kranken Bundesstaat und Wege zu seiner Genesung". Dabei fällt sein Urteil auch hier wohltuend abgewogen aus. Zwar konstatiert er eine durch die Ausweitung von Zustimmungsvorbehalten eingetretene machtpolitische Balanceverschiebung zwischen Bundestag und Bundesrat, doch seien die Möglichkeiten einer "Blockadepolitik" nur relativ selten von den jeweiligen Bundesratsmehrheiten genutzt worden. Zudem könne hier eine Entflechtung leicht dadurch bewerkstelligt werden, daß der Bund - so wie dies das Grundgesetz auch als Regelfall vorsehe - den Verwaltungsvollzug bundesgesetzlicher Regelungen den Ländern überlasse. Der grundgesetzliche Sozialstaat garantiere jedem Menschen ein menschenwürdiges Dasein und die hierfür erforderlichen existentiellen Voraussetzungen, nicht aber den erreichten Wohlfahrtsstandard. Der überforderte Staat müsse sich verschlanken, um wieder handlungsfähig zu werden, der Bürger dafür mehr Eigenverantwortung übernehmen. An der von Scholz eingeforderten, quantitativ wie qualitativ ansetzenden Aufgabenkritik fehlt es indes im politischen Raum bis heute; statt dessen findet ein konzeptionsloses Einsparen an allen Ecken und Enden statt. Die klare Botschaft sollte Gehör finden: Die politische und wirtschaftliche Krise Deutschlands erfordert keine grundlegende Änderung des Grundgesetzes; sie kann unter Rückbesinnung auf seine Grundwerte und seine im Kern bewährten Institutionen mit politischer Entschluß- und Tatkraft überwunden werden.

CHRISTIAN HILLGRUBER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rupert Scholz, Ex-Verteidigungsminister und Staatsrechtler, lässt diskutiert in seinem Buch die aktuellen Sollbruchstellen zwischen politischem Verfassungskonzept und gesellschaftlicher Wirklichkeit. Warum beispielsweise zweifeln die Deutschen an ihrer nationalen Identität, wenn doch gerade diese laut europäischer Verfassung die Bedingung für eine multikulturelle Gesellschaft ist? Warum tun sich deutsche Bürger mit Eigenverantwortung so schwer, wenn doch klar ist, dass der Sozialstaat zwar jedem Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen kann, aber nicht erreichten Wohlfahrtsstandard sichern. Scholz argumentiert "wohltuend abgewogen" und hat am Ende eine klare wohltuende Botschaft, lobt Christian Hillgruber: Deutschland ist stark genug, um die politische und wirtschaftliche Krise zu überwinden.

© Perlentaucher Medien GmbH