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Das traditionell enge Verhältnis zwischen Deutschland und Italien ist seit geraumer Zeit kühl geworden. Es spräche Bände für die wachsende Distanz, dass ein so bedeutendes Buch wie Germania - Italia - Europa aus der Feder des prominenten Turiner Historikers und Politikwissenschaftlers Gian Enrico Rusconi bis heute nicht übersetzt worden sei, klagte im November 2005 die Süddeutsche Zeitung. Sie konnte nicht wissen, dass die Übersetzung dieses Buches, das in Italien ein überaus großes Echo fand, gerade angelaufen war. Gian Enrico Rusconi rekonstruiert erstmals die Dynamik der Beziehungen…mehr

Produktbeschreibung
Das traditionell enge Verhältnis zwischen Deutschland und Italien ist seit geraumer Zeit kühl geworden. Es spräche Bände für die wachsende Distanz, dass ein so bedeutendes Buch wie Germania - Italia - Europa aus der Feder des prominenten Turiner Historikers und Politikwissenschaftlers Gian Enrico Rusconi bis heute nicht übersetzt worden sei, klagte im November 2005 die Süddeutsche Zeitung. Sie konnte nicht wissen, dass die Übersetzung dieses Buches, das in Italien ein überaus großes Echo fand, gerade angelaufen war. Gian Enrico Rusconi rekonstruiert erstmals die Dynamik der Beziehungen zwischen den beiden spätgeborenen Nationalstaaten Deutschland und Italien. Er spannt einen souveränen Bogen von der Bismarckzeit und den beiden Weltkriegen über den Wiederaufbau bis in die Gegenwart, von Bismarck bis zu Mussolini und Hitler, von De Gasperi und Adenauer bis zu Berlusconi. Seine bestechende Darstellung verdeutlicht die Schnittstellen und Wendepunkte einer gemeinsamen Geschichte - in einer Perspektive, die auch Europa in den Blick nimmt. Kriege und Bündnisse, 'Verrat' und Wiederannäherung - die Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Italien und vice versa ist von schmerzhaften, ebenso einseitigen wie umstrittenen Erinnerungen geprägt. Wechselseitige Fehlwahrnehmungen und zählebige Stereotype in den Köpfen bestimmten und bestimmen immer wieder das politische Handeln beider Seiten, bis auf den heutigen Tag. Deutschland und Italien haben begonnen, sich zu ignorieren, auf der politischen wie auf der kulturellen Ebene. Die alten Vorurteile von 'italienischer Unzuverlässigkeit' und 'deutscher Anmaßung', von 'Verrat' hier und 'Oberlehrertum' dort, gewinnen wieder an Boden. Um so aktueller ist Gian Enrico Rusconis scharfsinnige historische Analyse. Sein Buch kommt zur rechten Zeit.
Autorenporträt
Gian Enrico Rusconi ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Turin und Direktor des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2006

Wir wissen zu wenig voneinander
Gian Enrico Rusconi untersucht deutsch-italienische Beziehungen
Es ist schon erstaunlich, wie in jüngster Zeit Nichtigkeiten zu Missverständnissen und dem Wiederaufleben alter Vorurteile zwischen Deutschland und Italien geführt haben. Ganz so, als gelte noch das Diktum der ersten Auflage des Meyerschen Lexikons von 1846: „Der Deutsche und der Italiener divergieren in ihrem Charakter so sehr, dass beide gleichsam die Pole der westeuropäischen Menschheit bilden.” Bei akuten Spannungen werden unerwartet Schichten eines unreflektierten kollektiven Gedächtnisses wachgerufen, die sich auf weit in der Vergangenheit liegende historische Ereignisse beziehen. Das ist die These des Turiner Historikers und Politikwissenschaftlers Gian Enrico Rusconi, der in seinem jüngsten Buch die deutsch-italienischen Beziehungen „von Bismarck bis zu Berlusconi” untersucht.
Das Buch kommt zur rechten Zeit. Es sei ein Trugschluss, so Rusconi, wenn Deutsche und Italiener glaubten, einander bestens zu kennen. Zu wenig wisse der eine von der Geschichte des anderen. Zwar seien die Vorurteile im Kulturbetrieb, unter Akademikern und Jugendlichen weitgehend verschwunden, bei der Mehrheit aber nehmen Zahl und Kraft der Vorurteile wieder zu. Problematisch sei das Verhalten der Journalisten, die, anstatt ausgleichend oder aufklärend zu wirken, Öl ins Feuer gießen. Das gelte nicht nur für die Boulevardpresse.
Im Mittelpunkt des Buches steht die historisch-politische Analyse. Seit dem ersten italienisch-preußischen Militärbündnis von 1866, das gegen Österreich geschlossen wurde, hältsich das Motiv vom „Verrat”, das sich durch die Ereignisse des Ersten und vor allem des Zweiten Weltkrieges noch verfestigen sollte. Der Autor trennt dabei subjektive Erinnerung von geschichtlichen Fakten, unterscheidet Stereotypen von Erfahrungen und stellt das Ganze in einen europäischen Kontext. Es gibt wohl zurzeit kein zweites Buch, das die deutsch-italienische Geschichte so differenziert und vorurteilsfrei betrachtet wie dieses.
Grundlage der politischen Kulturen und Subkulturen, so Rusconi, sei das „kulturelle Gedächtnis”. Das sei auch der Ort, an dem sich Stereotype verfestigten. Es war ein langer Prozess der Erinnerungspolitik, der in den Jahrzehnten nach 1945 den Boden für ein neues freundschaftliches Verhältnis zwischen den Völkern und auch zwischen den Regierungen schuf. Dieser Teil der Rusconi-Analyse fußt streckenweise auf einer Tagung, die er zusammen mit dem Historiker Hans Woller vom Institut für Zeitgeschichte in Trient organisierthat. Der Dokumentationsband mit Beiträgen von Lutz Klinkhammer, Filippo Focardi und Martin Sabrow liegt nun unter dem Titel „Parallele Geschichte? Italien und Deutschland 1945-2000” vor.
Während in Italien die Geschichte des Widerstands zum identitätsstiftenden Mythos wurde, der heute durch eine Art „Kampf der Erinnerungen” wieder in Frage gestellt wird, suchte das westliche Deutschland in einer – nicht immer leichten und im eigenen Land manchmal umstrittenen – Aufarbeitung der Vergangenheit nach einer neuen gesellschaftlich-kulturellen Legitimierung. Und wenn die Deutschen sich heute etwa in der Erinnerung an die Bombardierung von Dresden oder an die Vertreibung aus dem Osten auch als Opfer entdecken, diskutieren die Italiener inzwischen ihre eigenen Kriegsverbrechen und spüren ihrer Rolle auch als Täter nach.
Die Asymmetrien dieser Prozesse in beiden Ländern mündeten dennoch in eine Art gemeinsamen Versöhnungsprozess. Italienische Erinnerungsorte wie etwa Marzabotto im Emilianischen Apennin oder Sant’Anna di Stazzema in den toskanischen Bergen, wo es während der deutschen Besatzung zu Massakern an der Zivilbevölkerung gekommen war, sind endlich auch zu deutschen Erinnerungsorten geworden. Trotzdem haben unter dieser Oberfläche Stereotypen überlebt. Es gibt also eine Art Widerspruch zwischen einem außergewöhnlich positiven kulturellem Prozess und seiner Vermittlung zum großen Publikum. „Und genau hier”, sagt Rusconi, „liegt die Verantwortung des Journalismus.” Die Vermittlung fehle.
HENNING KLÜVER
GIAN ENRICO RUSCONI: Deutschland-Italien, Italien-Deutschland. Geschichte einer schwierigen Beziehung von Bismarck bis zu Berlusconi. Aus dem Italienischen übersetzt von Antje Peter. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn/München 2006. 410 S., 39,90 Euro.
GIAN ENRICO RUSCONI, HANS WOLLER (Hrsg.): Parallele Geschichte? Italien und Deutschland 1945-2000. Übersetzungen von Petra Kaiser und Stefan Monhardt. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006. 574 S., 118 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit hohem Lob bedenkt Rezensent Henning Klüver diese deutsch-italienische Geschichte "von Bismarck bis zu Berlusconi", die der Historiker und Politologe Gian Enrico Rusconi verfasst hat. Mit Blick auf die Verstimmungen in jüngerer Vergangenheit schreibt er dem Werk eine aktuelle Bedeutung zu, zeigt der Autor doch, dass bei Spannungen zwischen beiden Ländern alte Vorurteile wieder aufflammen, die sich auf lange zurückliegende historische Ereignisse beziehen. Demgegenüber bescheinigt er Rusconi einen genauen Blick auf die Beziehungen beider Länder: seine historisch-politische Analyse trenne subjektive Erinnerung von geschichtlichen Fakten, unterscheide Stereotypen von Erfahrungen und stelle das Ganze in einen europäischen Kontext. Und so würdigt der Rezensent das Werk als "so differenziert und vorurteilsfrei" wie kein zweites Buch über dieses Thema.

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