Der Krieg wirft Wladimir Gelfand, einen jungen ukrainischen Juden, aus seiner Lebensbahn. Zuerst an der Front, dann im besiegten Deutschland, erlebt er Tod und Zerstörung, erfährt Kameradschaft und Niedertracht. In seinen Tagebüchern aus den Jahren 1945 und 1946 setzt sich Gelfand schonungslos mit dem ungeliebten Soldatenleben auseinander. Er schildert die Kämpfe, seine Politarbeit und die Zeit der Besatzung, während der er für den Transport von Reparationsgütern zuständig ist. Er macht seine ganz eigenen Erfahrungen - auch mit Frauen. Sensibler Beobachter und Mittäter in einer Person, schließt er in seinen Schilderungen auch Racheakte und Beutenahmen nicht aus.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
"Interessante Einblicke in das Innenleben der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkriegs" findet Rezensent Wolfram Wette in Wladimir Gelfands "Deutschland-Tagebuch 1945-1946". Wette beschreibt den Leutnant, einen überzeugten Kommunisten und Stalin-Verehrer, als intelligenten, sympathischen und gutaussehenden jungen Mann, der zu seiner Enttäuschung keinen Orden bekam, obwohl er bei den Kämpfen an der Oder mehrfach an vorderster Front gekämpft hatte - wohl weil er den raubeinigen Truppenoffizieren wegen seiner Schriftstellerei suspekt war. Erstaunlich findet Wette, wie "frei und selbstbewusst" sich Gelfand nach Kriegsende in Berlin bewegen konnte, wo er mit vielen Deutschen in Kontakt kam. Die Urteile über die Deutschen erscheinen dem Rezensenten ambivalent. Manche habe Gelfand sympathisch gefunden, andere hätten ihn wegen ihres "Herrenmenschendünkels" abgestoßen. Ein Vergewaltiger sei Gelfand nicht gewesen, wohl aber ein Frauenschwarm, dessen "offenherzigen Schilderungen" seiner Frauenbekanntschaften einen beträchtlichen Teil seiner Tagebucheintragungen ausmachen. Für deutsche Leser interessant macht diese Aufzeichnungen nach Ansicht Wettes der "andere Blick" auf 1945, der dazu anrege, "eigene Vorurteile zu überprüfen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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