Ob auf dem Oktoberfest in Brasilien, beim Liederkranz in New York oder in der Brauerei in China - Deutsche und ihre Kultur findet man überall und in allen Klimazonen. Manuel Möglich macht sich auf die Suche: Er bereist alle fünf Kontinente, forscht nach den letzten deutschen Spuren in Tsingtao, unterhält sich in Westafrika mit perfekt Hochdeutsch sprechenden Namibiern über ihre Kindheit in der DDR, er fahndet in Südamerika nach der deutschen Festtagslaune und dem deutschen Fleiß. Und wie denken eigentlich die Nachfahren früherer Kolonialherren, junge und alte Auswanderer, die Abkömmlinge von einst Emigrierten über jenes Land, das ihnen nah und fern zugleich ist? Was bedeuten das deutsche Erbe, die Kultur und das Phantom der deutschen Tugenden jenen Menschen, die die heutige Bundesrepublik kaum kennen? Sind sie am Ende die deutscheren Deutschen?
Ohne Scheu und mit größter Offenheit begibt sich Manuel Möglich mitten hinein in diese deutschen Parallelwelten, die wir allenfalls als Urlaubsparadiese kennen, und zeichnet ein gänzlich neues Bild von uns Deutschen. Er wirft einen frischen Blick auf sehr exotische und zugleich urdeutsche Themen - ein Buch, das uns viel darüber erzählt, wer wir sind und was die Welt über uns denkt.
Ohne Scheu und mit größter Offenheit begibt sich Manuel Möglich mitten hinein in diese deutschen Parallelwelten, die wir allenfalls als Urlaubsparadiese kennen, und zeichnet ein gänzlich neues Bild von uns Deutschen. Er wirft einen frischen Blick auf sehr exotische und zugleich urdeutsche Themen - ein Buch, das uns viel darüber erzählt, wer wir sind und was die Welt über uns denkt.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Manuel Möglich begibt sich auf die Suche nach den in aller Welt verstreuten Überbleibseln deutscher Auswanderer. Laut Caspar Shaller gibt es mit "Deutschland überall" aber nicht viel zu entdecken. Vor allem dass der Autor ausgesprochen langweilig und einfallslos über seine Reisen in alle Welt schreibe, stört den Rezensenten, der hier auch prompt auf unterschwelligen Nationalismus erkennt. Und auf die Frage, was das denn nun heißen solle: Deutsch sein, finde er hier "jenseits von Bier, Blaskapelle und Pünktlichkeit" auch keine Antwort.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2015So weit sind wir also gekommen
Patriotismus in homöopathischen Dosen: Der Reporter Manuel Möglich sucht weltweit nach deutschen Spuren
Zunächst ein typisch deutsches Klischee - der Urlaubs-Look. Nicht das berüchtigte Socken-in-Sandalen-Mallorca-Outfit, sondern der Safari-Look deutscher Namibia-Touristen, der mit seinen Beigetönen und zahlreichen Taschen ungeschriebenen Gesetzen zu folgen scheint. Seinen launigen Reflexionen lässt Manuel Möglich - über den nur bekannt ist, dass er sich in einer von Deutschen betriebenen Pension mit deutschen Gästen im beigefarbenen Safari-Outfit aufhält - einen Streifzug durch die deutsche Kolonialgeschichte in Namibia folgen.
Dieser geschichtliche Exkurs fehlt in keinem Kapitel. Auch für Brasilien, Tschechien, Samoa, China, Rumänien und sogar die Vereinigten Staaten unterbricht der Autor seine Suche nach dem typisch Deutschen, um über die Wurzeln des Deutschtums an den jeweiligen Orten zu informieren. Nicht nur der Reisebericht wird so immer wieder unterbrochen, dem ganzen Projekt scheint es an einem schlüssigen Konzept zu mangeln.
Nach dem im Prolog verkündeten Ziel, das Deutschtum in und aus der Ferne besser kennenzulernen, nimmt man an, Möglich widme seinen Reisebericht ausschließlich dieser Thematik. Doch erfährt der Leser so allerlei, was dem "Reporter", wie er sich selbst mitunter nennt - nicht einmal in der Wahl der Erzählperspektive bleibt er konsequent -, während seiner Reisen passiert; so beispielsweise das Experiment mit einem berauschendem Gebräu in Samoa namens Kava. Diese Exkurse sind zwar unterhaltsam, lenken jedoch vom eigentlichen Thema ab.
Möglich scheint die ehemaligen deutschen Kolonien beinahe für die einzigen Orte zu halten, an denen man fündig werden kann. Dieser eklatante Mangel an Phantasie und Recherche wird deutlich, als er um seine Einreisegenehmigung nach China bangt: "Aber über was schreiben, wenn tatsächlich die Einreise verweigert wird? Tsingtao war die einzige deutsche Kolonie in ganz Asien, ein anderes Ziel gibt es auf dem Kontinent nicht."
In die Vereinigten Staaten zieht es ihn, obwohl es dort nie eine deutsche Kolonie gab, vermutlich weil es sich um das Einwanderungsland schlechthin handelt. Dort fragt er sich, ob in New York, seinem einzigen Ziel, genug Deutsches zu finden ist. "Aber es wird schon etwas zu entdecken sein." Irgendetwas entdeckt Möglich tatsächlich auf jeder seiner Reisen. In den meisten Ländern trifft er Deutschstämmige und besucht Folklore-Veranstaltungen wie das Oktoberfest in Blumenau, Brasilien. Inwieweit jemand, der noch nie auf dem Münchner Oktoberfest war, dort einen Vergleich zum wahren Deutschtum ziehen kann, ist fraglich. Was Möglich immer wieder begegnet, sind Klischeevorstellungen: Die Deutschen sind pünktlich und ordentlich, sie haben gutes Bier. So viel wusste man über das Bild Deutschlands aber auch schon vor Lektüre des Buches.
Einige Male unterläuft Möglich das Erwartbare. So nennt der Rumäne Benjamin Józsa, ein Nachfahre der Siebenbürger Sachsen, als charakteristisches Merkmal der Deutschen ihre Konsequenz. In Rumänien bekommt Möglich auch unverhofft die Kritik von einem nur als "der Peter" apostrophierten Mann zu hören: Für die Deutschen sei die Arbeit wichtiger als die Familie. Insgesamt versammelt "Deutschland überall", abgesehen von den Passagen über den Nationalsozialismus, fast nur Lobeshymnen. Für die meisten Deutschstämmigen ist die Bundesrepublik die ferne Heimat. In ihren Erzählungen verklären die Entwurzelten Deutschland zu einem Land, in dem Milch und Honig fließen. Sie erschaffen sich selbst ein Phantasiedeutschland, in dem all das wartet, was ihnen jetzt unzugänglich ist. Das begreift Möglich sogar schon in Namibia, als er Deo trifft, der in der DDR aufwuchs und mit zweiundzwanzig Jahren zurück in sein Geburtsland kam: "Vielleicht wurde er zum deutschen Patrioten, als ihm klar war, dass er womöglich nie wieder nach Deutschland zurückgehen kann."
Warum kann man nun stolz sein auf Deutschland? Das Fazit fällt nüchtern aus: Immerhin haben wir gesetzliche Krankenversicherungen und das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Manuel Möglichs Reisebericht erfährt man nicht viel Neues, findet darin aber möglicherweise die Grundlage für ein wenig mehr Patriotismus im Alltag.
CAROLIN SCHWARZ
Manuel Möglich: "Deutschland überall". Eine Suche auf fünf Kontinenten.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2015. 288 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Patriotismus in homöopathischen Dosen: Der Reporter Manuel Möglich sucht weltweit nach deutschen Spuren
Zunächst ein typisch deutsches Klischee - der Urlaubs-Look. Nicht das berüchtigte Socken-in-Sandalen-Mallorca-Outfit, sondern der Safari-Look deutscher Namibia-Touristen, der mit seinen Beigetönen und zahlreichen Taschen ungeschriebenen Gesetzen zu folgen scheint. Seinen launigen Reflexionen lässt Manuel Möglich - über den nur bekannt ist, dass er sich in einer von Deutschen betriebenen Pension mit deutschen Gästen im beigefarbenen Safari-Outfit aufhält - einen Streifzug durch die deutsche Kolonialgeschichte in Namibia folgen.
Dieser geschichtliche Exkurs fehlt in keinem Kapitel. Auch für Brasilien, Tschechien, Samoa, China, Rumänien und sogar die Vereinigten Staaten unterbricht der Autor seine Suche nach dem typisch Deutschen, um über die Wurzeln des Deutschtums an den jeweiligen Orten zu informieren. Nicht nur der Reisebericht wird so immer wieder unterbrochen, dem ganzen Projekt scheint es an einem schlüssigen Konzept zu mangeln.
Nach dem im Prolog verkündeten Ziel, das Deutschtum in und aus der Ferne besser kennenzulernen, nimmt man an, Möglich widme seinen Reisebericht ausschließlich dieser Thematik. Doch erfährt der Leser so allerlei, was dem "Reporter", wie er sich selbst mitunter nennt - nicht einmal in der Wahl der Erzählperspektive bleibt er konsequent -, während seiner Reisen passiert; so beispielsweise das Experiment mit einem berauschendem Gebräu in Samoa namens Kava. Diese Exkurse sind zwar unterhaltsam, lenken jedoch vom eigentlichen Thema ab.
Möglich scheint die ehemaligen deutschen Kolonien beinahe für die einzigen Orte zu halten, an denen man fündig werden kann. Dieser eklatante Mangel an Phantasie und Recherche wird deutlich, als er um seine Einreisegenehmigung nach China bangt: "Aber über was schreiben, wenn tatsächlich die Einreise verweigert wird? Tsingtao war die einzige deutsche Kolonie in ganz Asien, ein anderes Ziel gibt es auf dem Kontinent nicht."
In die Vereinigten Staaten zieht es ihn, obwohl es dort nie eine deutsche Kolonie gab, vermutlich weil es sich um das Einwanderungsland schlechthin handelt. Dort fragt er sich, ob in New York, seinem einzigen Ziel, genug Deutsches zu finden ist. "Aber es wird schon etwas zu entdecken sein." Irgendetwas entdeckt Möglich tatsächlich auf jeder seiner Reisen. In den meisten Ländern trifft er Deutschstämmige und besucht Folklore-Veranstaltungen wie das Oktoberfest in Blumenau, Brasilien. Inwieweit jemand, der noch nie auf dem Münchner Oktoberfest war, dort einen Vergleich zum wahren Deutschtum ziehen kann, ist fraglich. Was Möglich immer wieder begegnet, sind Klischeevorstellungen: Die Deutschen sind pünktlich und ordentlich, sie haben gutes Bier. So viel wusste man über das Bild Deutschlands aber auch schon vor Lektüre des Buches.
Einige Male unterläuft Möglich das Erwartbare. So nennt der Rumäne Benjamin Józsa, ein Nachfahre der Siebenbürger Sachsen, als charakteristisches Merkmal der Deutschen ihre Konsequenz. In Rumänien bekommt Möglich auch unverhofft die Kritik von einem nur als "der Peter" apostrophierten Mann zu hören: Für die Deutschen sei die Arbeit wichtiger als die Familie. Insgesamt versammelt "Deutschland überall", abgesehen von den Passagen über den Nationalsozialismus, fast nur Lobeshymnen. Für die meisten Deutschstämmigen ist die Bundesrepublik die ferne Heimat. In ihren Erzählungen verklären die Entwurzelten Deutschland zu einem Land, in dem Milch und Honig fließen. Sie erschaffen sich selbst ein Phantasiedeutschland, in dem all das wartet, was ihnen jetzt unzugänglich ist. Das begreift Möglich sogar schon in Namibia, als er Deo trifft, der in der DDR aufwuchs und mit zweiundzwanzig Jahren zurück in sein Geburtsland kam: "Vielleicht wurde er zum deutschen Patrioten, als ihm klar war, dass er womöglich nie wieder nach Deutschland zurückgehen kann."
Warum kann man nun stolz sein auf Deutschland? Das Fazit fällt nüchtern aus: Immerhin haben wir gesetzliche Krankenversicherungen und das Recht auf freie Meinungsäußerung. In Manuel Möglichs Reisebericht erfährt man nicht viel Neues, findet darin aber möglicherweise die Grundlage für ein wenig mehr Patriotismus im Alltag.
CAROLIN SCHWARZ
Manuel Möglich: "Deutschland überall". Eine Suche auf fünf Kontinenten.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2015. 288 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main