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Bildung in Deutschland: eine Katastrophe. Kinder und Gesellschaft nehmen Schaden! Michael Winterhoff redet Klartext, zeigt anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Praxis als Kinder- und Jugendpsychiater, aber auch aus zahlreichen Rückmeldungen zu seinen Büchern und Vorträgen, was heute in Kitas und Schulen falsch läuft - so falsch, dass in seinen Augen die Zukunft unserer Gesellschaft gefährdet ist. Leidtragende sind für ihn die Kinder, die man quasi sich selbst überlässt. Winterhoff verharrt nicht bei der Bestandsaufnahme und Analyse, er zeigt konkrete Lösungen und Maßnahmen auf und…mehr

Produktbeschreibung
Bildung in Deutschland: eine Katastrophe. Kinder und Gesellschaft nehmen Schaden! Michael Winterhoff redet Klartext, zeigt anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Praxis als Kinder- und Jugendpsychiater, aber auch aus zahlreichen Rückmeldungen zu seinen Büchern und Vorträgen, was heute in Kitas und Schulen falsch läuft - so falsch, dass in seinen Augen die Zukunft unserer Gesellschaft gefährdet ist. Leidtragende sind für ihn die Kinder, die man quasi sich selbst überlässt. Winterhoff verharrt nicht bei der Bestandsaufnahme und Analyse, er zeigt konkrete Lösungen und Maßnahmen auf und fordert u.a. eine groß angelegte Bildungsoffensive: Weg von Kompetenzorientierung und den unfreiwillig zu Lernbegleitern degradierten Lehrern, hin zu echter Bildung und Pädagogen, die den Kindern wieder ein Gegenüber sein dürfen. Denn nur die Orientierung an Bezugspersonen ermöglicht die Entwicklung von emotionaler und sozialer Psyche.
Autorenporträt
Winterhoff, MichaelDr. Michael Winterhoff, geboren 1955, Dr. med., ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2019

Selbst ist das Erlebnis

Die Vorstellung, Kinder seien Partner der Eltern und Lehrer, ist fatal: Der Psychiater Michael Winterhoff warnt vor einer Schule, die nicht erzieht. Eine weitere Bildungsapokalypse - oder steckt mehr dahinter?

Wer noch Zweifel hatte, kann sich nach der Lektüre dieses Buches sicher sein: Deutschland verdummt. Das kündigt Michael Winterhoff schon im Titel an, und der verspricht, was er hält. Der Autor, bekannt geworden durch sein Buch "Warum unsere Kinder Tyrannen werden" (2009), ist Kinder- und Jugendpsychiater in Bonn und beschreibt schonungslos, wie es um das Bildungssystem und die Erziehung in der Gesellschaft bestellt ist.

Noch so ein Abgesang, mag man denken, der der Bildungsapokalypsen überdrüssig ist: Erst schafft sich Deutschland ab, dann verdummt es, während die Jugend seit Menschengedenken sowieso immer schlimmer wird, und am Ende bleibt uns nur noch, aufrecht unterzugehen. Doch Winterhoffs Analyse erschöpft sich nicht in reiner Untergangssemantik. Der teils plakative, reißerische Stil seines Textes hätte nicht notgetan, um auf die prekäre Lage von Kindergärten und Schulen aufmerksam zu machen.

Da sind die Eltern, die verlernt haben, ihren Kindern das richtige Maß an Zuwendung zu geben. Und das bedeutet auch, Grenzen zu ziehen und zwischen sich und den Kindern zu unterscheiden. Winterhoff beobachtet, dass die Erwachsenen oft projizierten, in eine "Beziehungsstörung der Symbiose" verfielen und die Kinder wie ein eigenes Körperteil, einen dritten Arm wahrnähmen. Alle Wünsche, die der Erwachsene dem Kind zuordne, glaube er umgehend erfüllen zu müssen: "Damit hebt er das Kind nicht nur auf Augenhöhe (was an sich schon schädlich genug ist), sondern ordnet sich dem Kind unter." Die Folge: Kinder und Jugendliche verharrten in ihrer psychologischen Entwicklung auf dem Niveau von Kleinkindern.

Wie aber funktioniert gute Erziehung? Wenn man den Kindern alles erklärt, werden sie es schon verstehen und sich entsprechend verhalten - ein verbreiteter Irrglaube, stellt Winterhoff klar, denn entscheidend sei, eine orientierende Beziehung zu dem Kind aufzubauen, in der Schule wie im Elternhaus. Für einen Pädagogen bedeute das, nicht ständig Konsequenzen anzukündigen, sondern die Schüler erleben zu lassen, wenn sie etwas gut oder schlecht machen.

Dass die Realität meist anders aussieht, weiß jeder, der heutzutage eine Schule von innen gesehen hat. Die Lehrer müssen den Rahmenvorgaben der Bildungspolitik entsprechen, die "Kompetenzen" an die Stelle von Begreifen und Wissen setzt, einem durch die freie Wirtschaft forcierten "Mess- und Optimierungswahn" unterliegt und das Niveau sukzessive herunterschraubt, weil über den bildungspolitischen Erfolg nicht die Qualität, sondern die Quantität der Abschlüsse bestimmt. Selbst wenn die Lehrer geneigt sind, nicht jede didaktische Mode mitzumachen, die zunehmend auf Kosten des Inhalts, der Leistungen und des Anspruchs geht, finden sie immer schlechtere Bedingungen vor, um eine vernünftige Pädagogik umzusetzen.

"Schülerzentrierter Unterricht" lautet die Devise, die noch immer als Innovation schlechthin verkauft wird, obwohl der damit verbundene Verzicht auf Anleitung und die Verteufelung des Frontalunterrichts seit mehr als zwei Jahrzehnten praktiziert wird - mit verheerenden Folgen, wie Winterhoff betont: In der fatalen Vorstellung, Kinder seien Partner der Lehrer und Eltern und brauchten den Erwachsenen nur im Hintergrund, würden die Kinder eben nicht ein von Autorität und Repression befreites selbständiges Leben führen, sondern vor allem alleingelassen.

Offener Unterricht sei das Schlimmste, was Kindern passieren könne. Sie kämen nicht über das Stadium hinaus, in dem sie, wie als Kleinkinder, dem Irrglauben erlägen, sie könnten alles selbst. Davon blieben die Schüler auch deshalb überzeugt, weil die Erwachsenen sie davor bewahrten, gegenteilige Erfahrungen zu machen. Sobald die Kinder sich anstrengen und sie etwas überfordern könnte, schritten die Erwachsenen ein. Dass sie in den Kindern damit langfristig eine viel größere Überforderung auslösten, komme im Horizont solcher Eltern und Lehrer nicht vor: "Mit dem Argument, man müsse Kindern Mühe und Umwege ersparen, könnte man sie auch gleich von der Mühe entbinden, morgens aufzustehen."

Aussicht auf Besserung gibt es kaum, denn von den bildungspolitischen Verfehlungen sind nicht nur Schüler betroffen, sondern auch die nachwachsenden Lehrergenerationen. Sie sind selbst in einem Bildungssystem sozialisiert worden, das Kinder und ihre Leistungen vernachlässigt. Winterhoff bemüht sich trotzdem um Reformvorschläge, die allerdings unter den gegebenen Umständen nicht sehr realistisch sind. So wünscht er sich zum Beispiel kleinere Klassen - wer wollte das nicht? In Berlin etwa kann man schon froh sein, wenn es genug Schulgebäude gibt, die nicht sanierungsbedürftig sind und den wachsenden Zahlen an angemeldeten Schülern überhaupt Platz bieten.

Mehr als wünschenswert, aber fern jeder Realität ist schließlich seine Forderung, Kindergärten und Grundschulen von jeglicher Digitalisierung freizuhalten. Im "Digitalisierungswahn" sieht Winterhoff eines der größten Übel für das Bildungs- und Erziehungssystem. Die Smartphones seien enorme Störquellen, die Eltern von ihren Kindern und Kinder von ihrer Aufmerksamkeit ablenkten. "Kaum jemand ruht noch in sich", schreibt der Psychiater Winterhoff.

Einen Ausweg aus der Verdummung, ist aus diesen beunruhigenden Analysen zu schließen, kann es somit nur geben, wenn die Digitalisierung gestoppt und eine radikal veränderte Bildungspolitik aus der Taufe gehoben wird. Manch einer wird geneigt sein, lieber gleich den Kopf in den Sand zu stecken. Richtig daran ist: Sobald es um Bildung geht, ist die Litanei von ihrem bevorstehenden Untergang nah - und ihre Rettung wird immer unwahrscheinlicher. Trotzdem sind Weckrufe wie jener von Michael Winterhoff unabdingbar. Denn solange die Katastrophe nicht abgewendet ist, wäre es fatal, sie nicht mehr abzubilden.

HANNAH BETHKE.

Michael Winterhoff: "Deutschland verdummt". Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut.

Gütersloher Verlagshaus, München 2019. 224 S., geb., 20,- [Euro].

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»Sobald es um Bildung geht, ist die Litanei von ihrem bevorstehenden Untergang nah [...]. Trotzdem sind Weckrufe wie jener von Michael Winterhoff unabdingbar.« Hannah Bethke in: Frankfurter Allgemeine Zeitung