Roger Willemsen ist im vergangenen Sommer mit offenen Augen und Ohren durch Deutschland gefahren und hat aufgezeichnet, was er erlebte. Aus vielen Beobachtungen, Begegnungen und Erfahrungen entwirft Willemsen ein facettenreiches Deutschlandbild, in dem wir uns selbst wiederfinden können. Er entdeckt neu, was allzu bekannt zu sein scheint und uns deshalb unbekannt zu werden droht.
Wochenlang reiste Roger Willemsen im Sommer 2001 und im Frühjahr 2002 durch Deutschland und berichtet von seiner Entdeckungsfahrt, die kreuz und quer von Kap Arkona bis nach Konstanz, von Bonn nach Berlin, von Oberstdorf nach Rostock führte. Aus seinen Beobachtungen, Begegnungen und Erfahrungen entwirft er ein facettenreiches Deutschlandbild, in dem wir uns selbst wiederfinden können. Ob an den Graffiti in der Rostocker Uni, bei Schachspielern an der Brücke von Remagen, auf dem Parkplatz am Kreidefelsen von Rügen, bei einer Abitursfeier in Bonn oder im Umkleideraum eines Supermarkts in Mönchengladbach - Willemsen sucht nicht die große politische Sensation oder die rührende persönliche Geschichte; er sucht etwas, das man schwer findet, weil es perfekt getarnt ist, es liegt nämlich überall offen da - die Normalität.
Mit der unersättlichen Neugier des Forschers und dem vorurteilslosen Blick des Ethnologen notiert er, was dieses seltsame Land ihm darbietet - an Leben, an Städten, an Redensarten, Gewohnheiten, Werbesprüchen, an zu persönlichem Schicksal geronnener Geschichte, an Vergeblichkeiten und kleinen Triumphen. Aus der Summe all dieser Einzelteile setzt Roger Willemsen etwas zusammen, das nicht mehr und nicht weniger ist als das mentale Polaroid einer ganzen Nation.
Wochenlang reiste Roger Willemsen im Sommer 2001 und im Frühjahr 2002 durch Deutschland und berichtet von seiner Entdeckungsfahrt, die kreuz und quer von Kap Arkona bis nach Konstanz, von Bonn nach Berlin, von Oberstdorf nach Rostock führte. Aus seinen Beobachtungen, Begegnungen und Erfahrungen entwirft er ein facettenreiches Deutschlandbild, in dem wir uns selbst wiederfinden können. Ob an den Graffiti in der Rostocker Uni, bei Schachspielern an der Brücke von Remagen, auf dem Parkplatz am Kreidefelsen von Rügen, bei einer Abitursfeier in Bonn oder im Umkleideraum eines Supermarkts in Mönchengladbach - Willemsen sucht nicht die große politische Sensation oder die rührende persönliche Geschichte; er sucht etwas, das man schwer findet, weil es perfekt getarnt ist, es liegt nämlich überall offen da - die Normalität.
Mit der unersättlichen Neugier des Forschers und dem vorurteilslosen Blick des Ethnologen notiert er, was dieses seltsame Land ihm darbietet - an Leben, an Städten, an Redensarten, Gewohnheiten, Werbesprüchen, an zu persönlichem Schicksal geronnener Geschichte, an Vergeblichkeiten und kleinen Triumphen. Aus der Summe all dieser Einzelteile setzt Roger Willemsen etwas zusammen, das nicht mehr und nicht weniger ist als das mentale Polaroid einer ganzen Nation.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2006Deutsche Grenzgänger
Reise als hybrides Genre
In Rückbesinnung auf Heinrich Heines "Harzreise" und das "Wintermärchen" hat sich mittlerweile eine neue Gattung von Deutschlandbüchern etabliert, die fröhlich an der Grenze zwischen Belletristik und Sachbuch entlangwandern, um die persönlichen, politischen und poetischen Zustände der deutschen Gegenwart zu ermessen.
Den Anfang machte im Jahre 2002 Roger Willemsens überaus erfolgreiche "Deutschlandreise" (Eichborn-Verlag), auf welcher der Autor nach seinem freiwilligen Abschied vom Status der Fernsehprominenz erkunden wollte, wie das Land aussieht, auf das er jahrelang sein Bild projiziert hatte. Er nahm den Zug und hörte den Leuten zu. Dabei fielen ihm Dinge auf, die wenig mit den großen nationalen Klischees zu tun hatten, aber mit großer Präzision Veränderungen der deutschen Lebenswelt beschreiben, etwa der Umstand, daß alle permanent irgendwas essen, die Leute so dicke Füße haben und daß sich manche Innenstädte mit Shopping-Malls von der Außenwelt abschneiden. Es wundert einen dann nicht mehr, wenn Jahre später der Berliner Hauptbahnhof im wesentlichen als eine von der Stadt isolierte Shopping-Mall mit lauter "Schlürfereien" gebaut wird und sogar die Kanzlerin vor allem die Dönerbuden lobend erwähnt. "Kein Geschmack im Essen, kein Sinn im Leben, keine Zeit, keine Zeit", faßte Willemsen seinen Eindruck des Landes zusammen.
Auch Wolfgang Büschers "Deutschland, eine Reise" (S. Fischer) etablierte in diesem Zusammenhang ein völlig neues Genre. Büscher lief einmal im Uhrzeigersinn um Deutschland herum und besichtigte mit Vorliebe jene Orte, die er als linker Student nicht zur Kenntnis nehmen wollte, seien es die Orte der deutschen Opfer im alliierten Bombenkrieg, seien es mythische Orte wie der Harz oder der Obersalzberg. Doch am nachhaltigsten sind seine Schilderungen von intakten Bräuchen, etwa der Gesangsabende in ländlichen Gaststätten, die er effektvoll mit den Verheerungen des Lebens rund um eine westdeutsche Fußgängerzone kontrastiert. Büscher kann bestens vermitteln, wie und in welcher Form die NS- und Kriegsvergangenheit in den Narben der Städte und dem Leben auch der heutigen Deutschen weiterwirkt.
Matthias Matusseks "Wir Deutschen" (S. Fischer) ist entgegen seinem Titel in seinen besten Teilen ein Reisebuch. Die Interviews mit den Herren von Dohnanyi und Harald Schmidt mögen sich in die Länge ziehen - denn man hatte ja, wenn man nicht wie der Autor die letzten Jahre im Ausland verbracht hat, weiß Gott die Gelegenheit, deren Meinung zu fast allem immerzu ausgiebig zu hören. Der historisch reflektierende Teil mag arg knapp geraten sein, doch die tagebuchartigen Passagen, in denen der Autor bissig seine Beobachtungen auf allerlei Abendessen, in Talkshows und bei Empfängen notiert, sind als Sittenbild des neuen Berlins durchaus lesenswert. Auch hier sind die grenzüberschreitenden Reflexionen über die persönliche Geschichte, die Familie am anrührendsten.
mink
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Reise als hybrides Genre
In Rückbesinnung auf Heinrich Heines "Harzreise" und das "Wintermärchen" hat sich mittlerweile eine neue Gattung von Deutschlandbüchern etabliert, die fröhlich an der Grenze zwischen Belletristik und Sachbuch entlangwandern, um die persönlichen, politischen und poetischen Zustände der deutschen Gegenwart zu ermessen.
Den Anfang machte im Jahre 2002 Roger Willemsens überaus erfolgreiche "Deutschlandreise" (Eichborn-Verlag), auf welcher der Autor nach seinem freiwilligen Abschied vom Status der Fernsehprominenz erkunden wollte, wie das Land aussieht, auf das er jahrelang sein Bild projiziert hatte. Er nahm den Zug und hörte den Leuten zu. Dabei fielen ihm Dinge auf, die wenig mit den großen nationalen Klischees zu tun hatten, aber mit großer Präzision Veränderungen der deutschen Lebenswelt beschreiben, etwa der Umstand, daß alle permanent irgendwas essen, die Leute so dicke Füße haben und daß sich manche Innenstädte mit Shopping-Malls von der Außenwelt abschneiden. Es wundert einen dann nicht mehr, wenn Jahre später der Berliner Hauptbahnhof im wesentlichen als eine von der Stadt isolierte Shopping-Mall mit lauter "Schlürfereien" gebaut wird und sogar die Kanzlerin vor allem die Dönerbuden lobend erwähnt. "Kein Geschmack im Essen, kein Sinn im Leben, keine Zeit, keine Zeit", faßte Willemsen seinen Eindruck des Landes zusammen.
Auch Wolfgang Büschers "Deutschland, eine Reise" (S. Fischer) etablierte in diesem Zusammenhang ein völlig neues Genre. Büscher lief einmal im Uhrzeigersinn um Deutschland herum und besichtigte mit Vorliebe jene Orte, die er als linker Student nicht zur Kenntnis nehmen wollte, seien es die Orte der deutschen Opfer im alliierten Bombenkrieg, seien es mythische Orte wie der Harz oder der Obersalzberg. Doch am nachhaltigsten sind seine Schilderungen von intakten Bräuchen, etwa der Gesangsabende in ländlichen Gaststätten, die er effektvoll mit den Verheerungen des Lebens rund um eine westdeutsche Fußgängerzone kontrastiert. Büscher kann bestens vermitteln, wie und in welcher Form die NS- und Kriegsvergangenheit in den Narben der Städte und dem Leben auch der heutigen Deutschen weiterwirkt.
Matthias Matusseks "Wir Deutschen" (S. Fischer) ist entgegen seinem Titel in seinen besten Teilen ein Reisebuch. Die Interviews mit den Herren von Dohnanyi und Harald Schmidt mögen sich in die Länge ziehen - denn man hatte ja, wenn man nicht wie der Autor die letzten Jahre im Ausland verbracht hat, weiß Gott die Gelegenheit, deren Meinung zu fast allem immerzu ausgiebig zu hören. Der historisch reflektierende Teil mag arg knapp geraten sein, doch die tagebuchartigen Passagen, in denen der Autor bissig seine Beobachtungen auf allerlei Abendessen, in Talkshows und bei Empfängen notiert, sind als Sittenbild des neuen Berlins durchaus lesenswert. Auch hier sind die grenzüberschreitenden Reflexionen über die persönliche Geschichte, die Familie am anrührendsten.
mink
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"Ich sitze im Zug und fahre weit weg. Nach Deutschland."
Wochenlang reiste der Publizist und Fernsehmoderator Roger Willemsen im vergangenen Jahr mit der Bahn durch Deutschland. Seine Deutschlandreise führt ihn von Kap Arkona bis nach Konstanz, von Bonn nach Berlin, von Oberstdorf nach Rostock. Ihn interessieren die unterschiedlichen Landschaften, die am Zugfenster vorüberziehen, die Mitreisenden, die neben ihm im Abteil sitzen, v.a. aber die unterschiedlichen Menschen draußen , die ihm auf den Straßen begegnen, ob jung oder alt, ob erfolgreich oder gescheitert, ob arm oder reich.
Aus diesen teilweise skurrilen wie auch anrührenden Beobachtungen und Begegnungen gestaltet Willemsen ein mannigfaltiges Bild von Deutschland, in dem sich der Leser immer wieder selbst erkennt und findet.
"Deutschland ist irgendwo und nirgendwo oder überall."
Auf jeder Seite seiner Reportage fühlt man die unersättliche Neugier des Publizisten und den gewissenhaften Blick des Ethnologen. Ganz gleich von welcher Landschaft, von welcher Stadt, von welchen Menschen Willemsen gerade berichtet - seine Sichtweise bleibt stets kritisch und unvoreingenommen. Doch trotz dieser Distanz, mit der er das erlebte schildert, meint man immer wieder Willemsens Sorge um dieses Land und seine Menschen zu spüren. Roger Willemsen entdeckt ein Deutschland, das uns allen bekannt zu sein scheint und deshalb unbekannt zu werden droht.
(Wibke Garbarukow)
Wochenlang reiste der Publizist und Fernsehmoderator Roger Willemsen im vergangenen Jahr mit der Bahn durch Deutschland. Seine Deutschlandreise führt ihn von Kap Arkona bis nach Konstanz, von Bonn nach Berlin, von Oberstdorf nach Rostock. Ihn interessieren die unterschiedlichen Landschaften, die am Zugfenster vorüberziehen, die Mitreisenden, die neben ihm im Abteil sitzen, v.a. aber die unterschiedlichen Menschen draußen , die ihm auf den Straßen begegnen, ob jung oder alt, ob erfolgreich oder gescheitert, ob arm oder reich.
Aus diesen teilweise skurrilen wie auch anrührenden Beobachtungen und Begegnungen gestaltet Willemsen ein mannigfaltiges Bild von Deutschland, in dem sich der Leser immer wieder selbst erkennt und findet.
"Deutschland ist irgendwo und nirgendwo oder überall."
Auf jeder Seite seiner Reportage fühlt man die unersättliche Neugier des Publizisten und den gewissenhaften Blick des Ethnologen. Ganz gleich von welcher Landschaft, von welcher Stadt, von welchen Menschen Willemsen gerade berichtet - seine Sichtweise bleibt stets kritisch und unvoreingenommen. Doch trotz dieser Distanz, mit der er das erlebte schildert, meint man immer wieder Willemsens Sorge um dieses Land und seine Menschen zu spüren. Roger Willemsen entdeckt ein Deutschland, das uns allen bekannt zu sein scheint und deshalb unbekannt zu werden droht.
(Wibke Garbarukow)
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
In dieser Deutschland-Collage erkundet Roger Willemsen die Republik, berichtet Rezensent Tobias Gohlis. Kreuz und quer ist Willemsen dafür herumgefahren, von Sylt bis zur Wieskirche, und hat alles aufgeschrieben. Gefunden hat er vor allem eines, so Gohlis, "ein Konglomerat von Einkaufszentren, falschen Versprechen und Hässlichkeit." Wie alle an Deutschland Leidenden schreibe Willemsen aus Liebe zu Deutschland. "Doch seine Liebe ist nicht vergeblich", erklärt Gohlis, "sondern von vorneherein unmöglich." Denn Willemsen will nach Auffassung von Gohlis gar nicht das Deutschland finden, das er sucht. Sonst hätte er eine andere Reisemethode gewählt, ist sich der Rezensent sicher. Eine, die ihn hätte offen werden lassen. So aber verpanzere er sich gegen "jedes Erstaunen und jede Erschütterung" und habe alles unter "Falschheitsverdacht", klagt Gohlis. Für ihn nimmt sich Willemses Deutschland-Collage in manchem aus wie Terry Pratchetts Science-Fiction-Konstruktion einer zweidimensionalen Scheibenwelt: "Keine Geschichte, kaum Tiefe, grandiose Fläche, beschränkt und doch genial entworfen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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