Noch gehört Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt. Ob Eurokrise, Flüchtlingswelle, Corona-Pandemie und Beginn des Ukrainekriegs - die deutsche Wirtschaft zeigte sich robust. Doch die fetten Jahre sind vorbei, es geht immer weiter abwärts. Überall. Und das hat nicht nur mit externen Krisen zu tun. Der wirtschaftliche Niedergang und der Kaufkraftverlust, der weite Teile der deutschen Bevölkerung trifft, ist hausgemacht.Um das zu verbergen, versprechen deutsche Politiker Wachstum dank Schulden und Klimainvestitionen. Der Leipziger Professor Gunther Schnabl erklärt, warum das nicht wirken wird. Er zeigt auf, warum unser Wohlstand, der noch auf den Reformen von Ludwig Erhard beruht, in Gefahr ist. Die Inflation ist kein neues Phänomen und noch lange nicht besiegt.In seinem Buch verdeutlicht Gunther Schnabl die wirtschaftspolitischen Fehler von Angela Merkel, der Ampelkoalition und der Europäischen Union. Sie alle sind von marktwirtschaftlichen Prinzipien abgerückt. Schonungslos benennt der Autor die größten Fehler: die kostspielige Eurorettung, die verfehlte Klimapolitik, überbordende Regulierung, Subventionen und der unkontrollierte Ausbau des Sozialstaats. Schnabl zeigt Lösungsansätze auf, wie wir zurück zu einem neuen Wirtschaftswunder finden können.
Deutschland braucht Reformen
Sonst gehe es bergab, warnt Ökonom Schnabl
Gunther Schnabl lehrt Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Dass in Deutschland marktwirtschaftliche Reformen möglich sind, haben zuerst in der Nachkriegszeit Ludwig Erhard und später noch mal Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gezeigt. Bei seiner kurzen Analyse des Wirtschaftswunders betont Schnabl die weitgehende Berücksichtigung der konstituierenden Prinzipien in der Nachkriegszeit, die der Freiburger Ökonom Walter Eucken als Grundlage einer gelungenen Ordnungspolitik aufgestellt hatte: also die Durchsetzung einer stabilen Währung, eines funktionierenden Preissystems, des Privateigentums an Unternehmen, der Vertragsfreiheit, des Haftungsprinzips, des Wettbewerbs auf offenen Märkten, der Zurückhaltung bei Staatseingriffen und Konstanz der Wirtschaftspolitik. Nach Währungsreform und Abbau der Preiskontrollen konnten sich die Unternehmen an den Präferenzen der Konsumenten orientieren. Der Sozialstaat war unter Ludwig Erhard noch mit Leistungsanreizen kompatibel. Auch die Anfänge der europäischen Einigungspolitik bis hin zum Binnenmarkt beurteilt Schnabl positiv.
Problematisch wird es erst mit der Währungsunion. Nach Schnabl hat die einen Konstruktionsfehler. Sie könnte nur durch Ergänzung einer gemeinsamen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik funktionieren, was aber politisch nicht durchgesetzt worden sei und immer noch nicht durchsetzbar ist. Letztlich führt Schnabl die Eurokrise auf den Konstruktionsfehler zurück. Die Eurokrise konnte zwar durch Rettungskredite und die Geldpolitik der EZB bewältigt werden, aber nach Schnabl um den Preis einer Abkehr vom Vorrang des Ziels der Geldwertstabilität. Als Anhänger Hayeks hält Schnabl wenig von lockerer Geldpolitik. Damit ließen sich zwar Probleme verschieben, aber nicht lösen. Therapien der Zentralbanken für die Probleme von heute schafften oft den Nährboden für die Probleme von morgen. Die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der EZB habe den Regierungen bis zur Inflation Anfang der 2020er-Jahre den falschen Eindruck hoher Ausgabenspielräume vermittelt. Sie wurden vorwiegend für den Ausbau des Sozialstaates genutzt.
Dass die Inflation erst so spät kam, erklärt Schnabl mit vorübergehenden Umständen. Die Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft wirkte lange als globale Inflationsbremse. Auch günstiges russisches Gas über Nordstream 1 habe lange noch zur Dämpfung der Preise beigetragen. Sogar die Zinspolitik der EZB habe über günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen vorübergehend zur Preisstabilität beigetragen. Schnabl unterstellt, dass die amtliche Inflationsschätzung das tatsächliche Ausmaß der Inflation unterschätzt. Er diskutiert in diesem Zusammenhang recht gründlich und anschaulich die Rolle von Qualitätsverbesserungen und preisbedingten Veränderungen der Konsumgewohnheiten.
Lange war man in Deutschland auf die Exportüberschüsse stolz. Deren Erträge haben die Deutschen oft im Ausland angelegt und dabei wenig erwirtschaftet. Deshalb sprach man im Ausland auch von "stupid german money". Zu den Exporterfolgen habe auch der Außenwert des Euro beigetragen. Es gab nicht mehr den Aufwertungsdruck der DM-Zeit, der die deutsche Wirtschaft immer wieder zu Produktivitätssteigerungen zwang. Schnabl beurteilt die gesamtwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Verteilung auf lange Sicht skeptisch. Im Investitionsstau und wuchernden Sozialausgaben sieht er Wachstumsbremsen.
Die deutsche Umwelt-, Energie- und Klimapolitik hält er für verfehlt. Er kritisiert nicht die Preise für CO2-Emissionen, sondern die zunehmenden Eingriffe, die wuchernde Regulierung mit detaillierten Vorschriften und die zunehmende Abhängigkeit der Investitionen von Subventionen. Regulierungen aus Berlin und Brüssel belasten die deutsche Wirtschaft und verschärfen auch den Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften in der Privatwirtschaft. Wer im öffentlichen Dienst oder in regulierungsnahen Bereichen arbeitet, steht anderswo nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe der Taxonomie will die EU sogar die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beeinflussen. Das gehe alles in die Richtung Planwirtschaft, die Schnabl mit hayekianischen Argumenten ablehnt. Die angestrebte grüne Transformation werde unbezahlbar sein.
Durch Wegsehen, Schönrechnen und Stagnation gerieten die politische Stabilität und die Demokratie in Gefahr. Schnabl hält eine Stärkung der Leistungsanreize und eine Begrenzung der staatlichen Aufgaben und Ausgaben für erforderlich. Wir müssen aufhören, nicht nur im Inland und innerhalb der EU, sondern sogar weltweit umzuverteilen. Globale Solidarität überfordert uns. Der falsch konstruierte Euro ist in Anbetracht der Mobilitätshindernisse auf dem europäischen Arbeitsmarkt eine Gefahr. Schnabl erwägt eine Teilung der Eurozone und einen graduellen Ausstieg über eine Parallelwährung als Auswege. Das Buch ist staatskritisch und für ein breites Publikum gut lesbar. Eine Stärke des Buches besteht darin, dass Schnabl zwar klare Positionen vertritt, aber mehrfach darauf hinweist, dass Ökonomen oft verschiedene Auffassungen vertreten. Manche sind Hayekianer wie er, andere Keynesianer. Manche halten amtliche Inflationsdaten für realistisch, er nicht. Manche verteidigen den Euro, er nicht. Das Buch ist eine Anregung zum Denken. ERICH WEEDE
Gunther Schnabl: Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können. Finanzbuch Verlag. München 2024, 335 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Sonst gehe es bergab, warnt Ökonom Schnabl
Gunther Schnabl lehrt Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Dass in Deutschland marktwirtschaftliche Reformen möglich sind, haben zuerst in der Nachkriegszeit Ludwig Erhard und später noch mal Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gezeigt. Bei seiner kurzen Analyse des Wirtschaftswunders betont Schnabl die weitgehende Berücksichtigung der konstituierenden Prinzipien in der Nachkriegszeit, die der Freiburger Ökonom Walter Eucken als Grundlage einer gelungenen Ordnungspolitik aufgestellt hatte: also die Durchsetzung einer stabilen Währung, eines funktionierenden Preissystems, des Privateigentums an Unternehmen, der Vertragsfreiheit, des Haftungsprinzips, des Wettbewerbs auf offenen Märkten, der Zurückhaltung bei Staatseingriffen und Konstanz der Wirtschaftspolitik. Nach Währungsreform und Abbau der Preiskontrollen konnten sich die Unternehmen an den Präferenzen der Konsumenten orientieren. Der Sozialstaat war unter Ludwig Erhard noch mit Leistungsanreizen kompatibel. Auch die Anfänge der europäischen Einigungspolitik bis hin zum Binnenmarkt beurteilt Schnabl positiv.
Problematisch wird es erst mit der Währungsunion. Nach Schnabl hat die einen Konstruktionsfehler. Sie könnte nur durch Ergänzung einer gemeinsamen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik funktionieren, was aber politisch nicht durchgesetzt worden sei und immer noch nicht durchsetzbar ist. Letztlich führt Schnabl die Eurokrise auf den Konstruktionsfehler zurück. Die Eurokrise konnte zwar durch Rettungskredite und die Geldpolitik der EZB bewältigt werden, aber nach Schnabl um den Preis einer Abkehr vom Vorrang des Ziels der Geldwertstabilität. Als Anhänger Hayeks hält Schnabl wenig von lockerer Geldpolitik. Damit ließen sich zwar Probleme verschieben, aber nicht lösen. Therapien der Zentralbanken für die Probleme von heute schafften oft den Nährboden für die Probleme von morgen. Die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der EZB habe den Regierungen bis zur Inflation Anfang der 2020er-Jahre den falschen Eindruck hoher Ausgabenspielräume vermittelt. Sie wurden vorwiegend für den Ausbau des Sozialstaates genutzt.
Dass die Inflation erst so spät kam, erklärt Schnabl mit vorübergehenden Umständen. Die Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft wirkte lange als globale Inflationsbremse. Auch günstiges russisches Gas über Nordstream 1 habe lange noch zur Dämpfung der Preise beigetragen. Sogar die Zinspolitik der EZB habe über günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen vorübergehend zur Preisstabilität beigetragen. Schnabl unterstellt, dass die amtliche Inflationsschätzung das tatsächliche Ausmaß der Inflation unterschätzt. Er diskutiert in diesem Zusammenhang recht gründlich und anschaulich die Rolle von Qualitätsverbesserungen und preisbedingten Veränderungen der Konsumgewohnheiten.
Lange war man in Deutschland auf die Exportüberschüsse stolz. Deren Erträge haben die Deutschen oft im Ausland angelegt und dabei wenig erwirtschaftet. Deshalb sprach man im Ausland auch von "stupid german money". Zu den Exporterfolgen habe auch der Außenwert des Euro beigetragen. Es gab nicht mehr den Aufwertungsdruck der DM-Zeit, der die deutsche Wirtschaft immer wieder zu Produktivitätssteigerungen zwang. Schnabl beurteilt die gesamtwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Verteilung auf lange Sicht skeptisch. Im Investitionsstau und wuchernden Sozialausgaben sieht er Wachstumsbremsen.
Die deutsche Umwelt-, Energie- und Klimapolitik hält er für verfehlt. Er kritisiert nicht die Preise für CO2-Emissionen, sondern die zunehmenden Eingriffe, die wuchernde Regulierung mit detaillierten Vorschriften und die zunehmende Abhängigkeit der Investitionen von Subventionen. Regulierungen aus Berlin und Brüssel belasten die deutsche Wirtschaft und verschärfen auch den Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften in der Privatwirtschaft. Wer im öffentlichen Dienst oder in regulierungsnahen Bereichen arbeitet, steht anderswo nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe der Taxonomie will die EU sogar die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beeinflussen. Das gehe alles in die Richtung Planwirtschaft, die Schnabl mit hayekianischen Argumenten ablehnt. Die angestrebte grüne Transformation werde unbezahlbar sein.
Durch Wegsehen, Schönrechnen und Stagnation gerieten die politische Stabilität und die Demokratie in Gefahr. Schnabl hält eine Stärkung der Leistungsanreize und eine Begrenzung der staatlichen Aufgaben und Ausgaben für erforderlich. Wir müssen aufhören, nicht nur im Inland und innerhalb der EU, sondern sogar weltweit umzuverteilen. Globale Solidarität überfordert uns. Der falsch konstruierte Euro ist in Anbetracht der Mobilitätshindernisse auf dem europäischen Arbeitsmarkt eine Gefahr. Schnabl erwägt eine Teilung der Eurozone und einen graduellen Ausstieg über eine Parallelwährung als Auswege. Das Buch ist staatskritisch und für ein breites Publikum gut lesbar. Eine Stärke des Buches besteht darin, dass Schnabl zwar klare Positionen vertritt, aber mehrfach darauf hinweist, dass Ökonomen oft verschiedene Auffassungen vertreten. Manche sind Hayekianer wie er, andere Keynesianer. Manche halten amtliche Inflationsdaten für realistisch, er nicht. Manche verteidigen den Euro, er nicht. Das Buch ist eine Anregung zum Denken. ERICH WEEDE
Gunther Schnabl: Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können. Finanzbuch Verlag. München 2024, 335 Seiten, 25 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Politikwissenschaftler Erich Weede rezensiert das Buch des Ökonomen Gunther Schnabl, in dem sich dieser der von ihm konstatierten Krise der Marktwirtschaft zuwendet. Weede resümiert vor allem ausführlich den Inhalt: Schnabl sehe die Probleme in einer "lockeren Geldpolitik", die die Inflation begünstigt habe, auch Sozialausgaben und mangelnden Investitionen stehe er im Sinne Friedrich Hayeks kritisch gegenüber. Dem Kritiker zufolge ist das Buch trotz der starken staatskritischen Position des Autors aber nicht dogmatisch, sondern regt zum Nachdenken an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2024Deutschland braucht Reformen
Sonst gehe es bergab, warnt Ökonom Schnabl
Gunther Schnabl lehrt Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Dass in Deutschland marktwirtschaftliche Reformen möglich sind, haben zuerst in der Nachkriegszeit Ludwig Erhard und später noch mal Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gezeigt. Bei seiner kurzen Analyse des Wirtschaftswunders betont Schnabl die weitgehende Berücksichtigung der konstituierenden Prinzipien in der Nachkriegszeit, die der Freiburger Ökonom Walter Eucken als Grundlage einer gelungenen Ordnungspolitik aufgestellt hatte: also die Durchsetzung einer stabilen Währung, eines funktionierenden Preissystems, des Privateigentums an Unternehmen, der Vertragsfreiheit, des Haftungsprinzips, des Wettbewerbs auf offenen Märkten, der Zurückhaltung bei Staatseingriffen und Konstanz der Wirtschaftspolitik. Nach Währungsreform und Abbau der Preiskontrollen konnten sich die Unternehmen an den Präferenzen der Konsumenten orientieren. Der Sozialstaat war unter Ludwig Erhard noch mit Leistungsanreizen kompatibel. Auch die Anfänge der europäischen Einigungspolitik bis hin zum Binnenmarkt beurteilt Schnabl positiv.
Problematisch wird es erst mit der Währungsunion. Nach Schnabl hat die einen Konstruktionsfehler. Sie könnte nur durch Ergänzung einer gemeinsamen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik funktionieren, was aber politisch nicht durchgesetzt worden sei und immer noch nicht durchsetzbar ist. Letztlich führt Schnabl die Eurokrise auf den Konstruktionsfehler zurück. Die Eurokrise konnte zwar durch Rettungskredite und die Geldpolitik der EZB bewältigt werden, aber nach Schnabl um den Preis einer Abkehr vom Vorrang des Ziels der Geldwertstabilität. Als Anhänger Hayeks hält Schnabl wenig von lockerer Geldpolitik. Damit ließen sich zwar Probleme verschieben, aber nicht lösen. Therapien der Zentralbanken für die Probleme von heute schafften oft den Nährboden für die Probleme von morgen. Die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der EZB habe den Regierungen bis zur Inflation Anfang der 2020er-Jahre den falschen Eindruck hoher Ausgabenspielräume vermittelt. Sie wurden vorwiegend für den Ausbau des Sozialstaates genutzt.
Dass die Inflation erst so spät kam, erklärt Schnabl mit vorübergehenden Umständen. Die Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft wirkte lange als globale Inflationsbremse. Auch günstiges russisches Gas über Nordstream 1 habe lange noch zur Dämpfung der Preise beigetragen. Sogar die Zinspolitik der EZB habe über günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen vorübergehend zur Preisstabilität beigetragen. Schnabl unterstellt, dass die amtliche Inflationsschätzung das tatsächliche Ausmaß der Inflation unterschätzt. Er diskutiert in diesem Zusammenhang recht gründlich und anschaulich die Rolle von Qualitätsverbesserungen und preisbedingten Veränderungen der Konsumgewohnheiten.
Lange war man in Deutschland auf die Exportüberschüsse stolz. Deren Erträge haben die Deutschen oft im Ausland angelegt und dabei wenig erwirtschaftet. Deshalb sprach man im Ausland auch von "stupid german money". Zu den Exporterfolgen habe auch der Außenwert des Euro beigetragen. Es gab nicht mehr den Aufwertungsdruck der DM-Zeit, der die deutsche Wirtschaft immer wieder zu Produktivitätssteigerungen zwang. Schnabl beurteilt die gesamtwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Verteilung auf lange Sicht skeptisch. Im Investitionsstau und wuchernden Sozialausgaben sieht er Wachstumsbremsen.
Die deutsche Umwelt-, Energie- und Klimapolitik hält er für verfehlt. Er kritisiert nicht die Preise für CO2-Emissionen, sondern die zunehmenden Eingriffe, die wuchernde Regulierung mit detaillierten Vorschriften und die zunehmende Abhängigkeit der Investitionen von Subventionen. Regulierungen aus Berlin und Brüssel belasten die deutsche Wirtschaft und verschärfen auch den Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften in der Privatwirtschaft. Wer im öffentlichen Dienst oder in regulierungsnahen Bereichen arbeitet, steht anderswo nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe der Taxonomie will die EU sogar die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beeinflussen. Das gehe alles in die Richtung Planwirtschaft, die Schnabl mit hayekianischen Argumenten ablehnt. Die angestrebte grüne Transformation werde unbezahlbar sein.
Durch Wegsehen, Schönrechnen und Stagnation gerieten die politische Stabilität und die Demokratie in Gefahr. Schnabl hält eine Stärkung der Leistungsanreize und eine Begrenzung der staatlichen Aufgaben und Ausgaben für erforderlich. Wir müssen aufhören, nicht nur im Inland und innerhalb der EU, sondern sogar weltweit umzuverteilen. Globale Solidarität überfordert uns. Der falsch konstruierte Euro ist in Anbetracht der Mobilitätshindernisse auf dem europäischen Arbeitsmarkt eine Gefahr. Schnabl erwägt eine Teilung der Eurozone und einen graduellen Ausstieg über eine Parallelwährung als Auswege. Das Buch ist staatskritisch und für ein breites Publikum gut lesbar. Eine Stärke des Buches besteht darin, dass Schnabl zwar klare Positionen vertritt, aber mehrfach darauf hinweist, dass Ökonomen oft verschiedene Auffassungen vertreten. Manche sind Hayekianer wie er, andere Keynesianer. Manche halten amtliche Inflationsdaten für realistisch, er nicht. Manche verteidigen den Euro, er nicht. Das Buch ist eine Anregung zum Denken. ERICH WEEDE
Gunther Schnabl: Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können. Finanzbuch Verlag. München 2024, 335 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Sonst gehe es bergab, warnt Ökonom Schnabl
Gunther Schnabl lehrt Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Dass in Deutschland marktwirtschaftliche Reformen möglich sind, haben zuerst in der Nachkriegszeit Ludwig Erhard und später noch mal Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gezeigt. Bei seiner kurzen Analyse des Wirtschaftswunders betont Schnabl die weitgehende Berücksichtigung der konstituierenden Prinzipien in der Nachkriegszeit, die der Freiburger Ökonom Walter Eucken als Grundlage einer gelungenen Ordnungspolitik aufgestellt hatte: also die Durchsetzung einer stabilen Währung, eines funktionierenden Preissystems, des Privateigentums an Unternehmen, der Vertragsfreiheit, des Haftungsprinzips, des Wettbewerbs auf offenen Märkten, der Zurückhaltung bei Staatseingriffen und Konstanz der Wirtschaftspolitik. Nach Währungsreform und Abbau der Preiskontrollen konnten sich die Unternehmen an den Präferenzen der Konsumenten orientieren. Der Sozialstaat war unter Ludwig Erhard noch mit Leistungsanreizen kompatibel. Auch die Anfänge der europäischen Einigungspolitik bis hin zum Binnenmarkt beurteilt Schnabl positiv.
Problematisch wird es erst mit der Währungsunion. Nach Schnabl hat die einen Konstruktionsfehler. Sie könnte nur durch Ergänzung einer gemeinsamen Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik funktionieren, was aber politisch nicht durchgesetzt worden sei und immer noch nicht durchsetzbar ist. Letztlich führt Schnabl die Eurokrise auf den Konstruktionsfehler zurück. Die Eurokrise konnte zwar durch Rettungskredite und die Geldpolitik der EZB bewältigt werden, aber nach Schnabl um den Preis einer Abkehr vom Vorrang des Ziels der Geldwertstabilität. Als Anhänger Hayeks hält Schnabl wenig von lockerer Geldpolitik. Damit ließen sich zwar Probleme verschieben, aber nicht lösen. Therapien der Zentralbanken für die Probleme von heute schafften oft den Nährboden für die Probleme von morgen. Die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der EZB habe den Regierungen bis zur Inflation Anfang der 2020er-Jahre den falschen Eindruck hoher Ausgabenspielräume vermittelt. Sie wurden vorwiegend für den Ausbau des Sozialstaates genutzt.
Dass die Inflation erst so spät kam, erklärt Schnabl mit vorübergehenden Umständen. Die Einbeziehung Chinas in die Weltwirtschaft wirkte lange als globale Inflationsbremse. Auch günstiges russisches Gas über Nordstream 1 habe lange noch zur Dämpfung der Preise beigetragen. Sogar die Zinspolitik der EZB habe über günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen vorübergehend zur Preisstabilität beigetragen. Schnabl unterstellt, dass die amtliche Inflationsschätzung das tatsächliche Ausmaß der Inflation unterschätzt. Er diskutiert in diesem Zusammenhang recht gründlich und anschaulich die Rolle von Qualitätsverbesserungen und preisbedingten Veränderungen der Konsumgewohnheiten.
Lange war man in Deutschland auf die Exportüberschüsse stolz. Deren Erträge haben die Deutschen oft im Ausland angelegt und dabei wenig erwirtschaftet. Deshalb sprach man im Ausland auch von "stupid german money". Zu den Exporterfolgen habe auch der Außenwert des Euro beigetragen. Es gab nicht mehr den Aufwertungsdruck der DM-Zeit, der die deutsche Wirtschaft immer wieder zu Produktivitätssteigerungen zwang. Schnabl beurteilt die gesamtwirtschaftlichen Effekte für Wachstum und Verteilung auf lange Sicht skeptisch. Im Investitionsstau und wuchernden Sozialausgaben sieht er Wachstumsbremsen.
Die deutsche Umwelt-, Energie- und Klimapolitik hält er für verfehlt. Er kritisiert nicht die Preise für CO2-Emissionen, sondern die zunehmenden Eingriffe, die wuchernde Regulierung mit detaillierten Vorschriften und die zunehmende Abhängigkeit der Investitionen von Subventionen. Regulierungen aus Berlin und Brüssel belasten die deutsche Wirtschaft und verschärfen auch den Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften in der Privatwirtschaft. Wer im öffentlichen Dienst oder in regulierungsnahen Bereichen arbeitet, steht anderswo nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe der Taxonomie will die EU sogar die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen beeinflussen. Das gehe alles in die Richtung Planwirtschaft, die Schnabl mit hayekianischen Argumenten ablehnt. Die angestrebte grüne Transformation werde unbezahlbar sein.
Durch Wegsehen, Schönrechnen und Stagnation gerieten die politische Stabilität und die Demokratie in Gefahr. Schnabl hält eine Stärkung der Leistungsanreize und eine Begrenzung der staatlichen Aufgaben und Ausgaben für erforderlich. Wir müssen aufhören, nicht nur im Inland und innerhalb der EU, sondern sogar weltweit umzuverteilen. Globale Solidarität überfordert uns. Der falsch konstruierte Euro ist in Anbetracht der Mobilitätshindernisse auf dem europäischen Arbeitsmarkt eine Gefahr. Schnabl erwägt eine Teilung der Eurozone und einen graduellen Ausstieg über eine Parallelwährung als Auswege. Das Buch ist staatskritisch und für ein breites Publikum gut lesbar. Eine Stärke des Buches besteht darin, dass Schnabl zwar klare Positionen vertritt, aber mehrfach darauf hinweist, dass Ökonomen oft verschiedene Auffassungen vertreten. Manche sind Hayekianer wie er, andere Keynesianer. Manche halten amtliche Inflationsdaten für realistisch, er nicht. Manche verteidigen den Euro, er nicht. Das Buch ist eine Anregung zum Denken. ERICH WEEDE
Gunther Schnabl: Deutschlands fette Jahre sind vorbei. Wie es dazu kam und wie wir ein neues Wirtschaftswunder schaffen können. Finanzbuch Verlag. München 2024, 335 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.